Prozess in München:Verhinderte Panzerknacker müssen vor Gericht

Kriminelle sprengen Geldautomat in Oberhaching, 2016

Mehr als 135 000 Euro Schaden entstand bei der erfolglosen Sprengung des Bankomaten in Oberhaching. Jetzt stehen acht Angeklagte vor Gericht.

(Foto: Claus Schunk)
  • Acht Männer stehen vor dem Landgericht München, weil sie 2016 einen Geldautomaten in Oberhaching gesprengt oder Beihilfe dazu geleistet haben sollen.
  • 133 240 Euro waren in dem Automaten gelagert, aber die Explosion reichte nur aus, um das Gerät erheblich zu derangieren.
  • Vier der Männer wurden noch auf der Flucht festgenommen.

Von Susi Wimmer

In Chile, das wissen Polizisten wie Juristen, kommt es häufig vor, dass Verbrecher Geldautomaten sprengen. In Deutschland ist diese Art des Bankraubs nicht unbedingt verbreitet, dennoch hat die zwölfte Strafkammer am Landgericht München I unter dem Vorsitz von Richter Frank Zimmer derzeit so einen Fall zu verhandeln - und die Angeklagten stammen vorwiegend aus Chile.

Acht Männer im Alter zwischen 27 und 72 Jahren sitzen auf der Anklagebank, weil sie im November 2016 am Kirchplatz in Oberhaching den Geldautomaten der Kreissparkasse gesprengt oder Beihilfe dazu geleistet haben sollen. Von wem die zündende Idee kam, wird am ersten von fünf Verhandlungstagen noch nicht recht klar. Die Haupttäter, vier Chilenen und ein Peruaner, versuchen, sich gegenseitig zu belasten.

Dolmetscherin Ortrud Ullrich greift zum Mikrofon und übersetzt, hinter ihr sitzen die acht Männer mit Kopfhörern und lauschen aufmerksam ihren Worten. "Buenos dias", begrüßt auch noch Richter Zimmer die Gesellschaft.

Es war ein gewaltiger Rumms, als die Täter am 4. November 2016 kurz nach Mitternacht mit einem Sauerstoff-Acetylen-Gemisch und mit dem Funken einer Dieselglühkerze im Vorraum der Sparkasse den Bankomaten in die Luft jagten. 133 240 Euro lagerten zu der Zeit darin, aber die Explosion reichte nur aus, um das Gerät erheblich zu derangieren.

Allein der Tresor mit den Geldkassetten im Bankomaten war nicht zu knacken. Im Laufe der Nacht blieben die Täter auch weiter vom Pech verfolgt: Zeugen notierten das Kennzeichen des Fluchtwagens, die Polizei leitete eine Großfahndung ein und die vier Beschuldigten wurde noch auf der Flucht - mittlerweile in einem Taxi - festgenommen. Den Fünften im Bunde klingelte die Polizei am Morgen aus dem Bett und nahm ihn mit.

In Chile, so sagte später auch einer von ihnen bei seiner polizeilichen Vernehmung, sei das Sprengen von Geldautomaten nichts Besonders. Tatsächlich waren auch zwei der Angeklagten bereits in dieser Sache aktiv: Manuel S. und Enrique P. Sie wurden erst im März verurteilt, unter anderem auch deshalb, weil sie fünf Monate vor dem Coup bei der Sparkasse Oberhaching bei einer anderen Bank, ebenfalls in Oberhaching, den Bankomaten in die Luft jagen wollten. Auch hier gingen sie leer aus, das Gemisch entzündete sich nicht. Da sie auch in Wohnungen einbrachen und Trickdiebstähle in Apotheken begingen, wurden sie zusammen mit anderen zu Haftstrafen von sechs und acht Jahren verurteilt.

"Völlig unangemessen", findet Enrique P. diese Strafe. Er ist der erste der Angeklagten, der an diesem Tag aussagt, und verfällt immer wieder in einen jammernden Tonfall, wenn er von seiner Drogensucht erzählt, von seinen verlorenen Zähnen, seinen zwei Familien, die er zu ernähren habe, und dass er ohnehin, sobald er einen Cent in der Tasche habe, ihn seinem Dealer gebe. Er, der im Oberhachinger Gemeindeteil Furth nicht unweit der Bankomaten wohnt, stellt die vier eingereisten Chilenen als Drahtzieher des Ganzen dar.

Er selbst habe sich "vielleicht 500 bis 1000 Euro" als Anteil aus dem versuchten Diebstahl erwartet. In einer Wohnung in Milbertshofen, wo sein 72 Jahre alter Onkel ein Zimmer hat, habe man sich getroffen. Wohnungsmieter Conrad K. habe die Utensilien im Keller gelagert, Alejandro B. sollte eines der Autos zum Tatort fahren. Die Bande habe extra Handys, eine spezielle Kleidung und sogar Plastiküberschuhe besorgt, um ja keine Spuren am Tatort zu hinterlassen. Wer denn die Handys besorgt habe, fragt Richter Zimmer. "Weiß ich nicht, das spielt doch keine Rolle", meint der Angeklagte. "Bei ihrer ersten Aussage bei der Polizei haben Sie ein anderes Märchen erzählt", sagt Richter Zimmer trocken.

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