Genusstouren:So schmeckt das Glockenbachviertel

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Im Café Hungriges Herz gibt es während der kulinarischen Stadtführung Kostproben. (Foto: Stephan Rumpf)

Spinatcremesuppe im Faun und Kichererbsensalat im Modeladen: Eine Berliner Agentur organisiert eine kulinarische Stadtführung. Dabei geht es nicht nur ums Essen.

Von Franz Kotteder

"Das mag was geben!", denkt man sich vielleicht, wenn man hört, dass die Berliner Agentur "Eat the world" für 33 Euro neuerdings kulinarische Spaziergänge durch das Glockenbachviertel anbietet. Klar, dass die hippen Hauptstädter nach 20 Jahren jetzt auch das Münchner In-Viertel entdeckt haben und sich jetzt, nach all der Gentrifizierung, auch noch darüber hermachen wollen!

Ja, so denkt man als vorurteilsbeladener Eingeborener erst einmal. Aber dann kommt man am frühen Samstagnachmittag um 14 Uhr zum Gärtnerplatz und wird gleich von einem waschechten Sendlinger empfangen. Ernst Haas ist eigentlich Finanz- und Versicherungsmakler, macht aber auch nebenbei Stadt- und Wanderführungen.

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Er ist in München geboren und aufgewachsen und kennt deshalb ein paar Geschichten, die er nicht so draufhätte, wenn er aus Berlin käme. Zum Beispiel die vom ehemaligen Club Thomas in der Hans-Sachs-Straße, der kurzzeitig im Nebenraum gar ein kleines Schwimmbad hatte. Haas machte im Club Thomas als Jungspund, wie man damals noch sagte, seine ersten Erfahrungen im Nachtleben.

Die Diskothek gibt es längst nicht mehr, sie heißt jetzt Faun und ist ein bayerisches Wirtshaus mit ein paar internationalen Einflüssen. Beim kulinarischen Spaziergang durch das Glockenbachviertel auf Berliner Art kommt man auch hier vorbei, es gibt Spinatcremesuppe aus dem Glas mit einem winzigen Parmesansegel, das ist in der Pfanne geschmolzener, geriebener Parmesan, der nach dem Erkalten ein knuspriges Plättchen ergibt.

Aber nun ist es eigentlich wirklich genug mit den Anspielungen auf Berlin. Denn das ist ja nun bloß der Firmensitz von "Eat the world". Die Agentur ist in ganz Deutschland tätig, organisiert in vielen Städten Rundgänge, bei denen es nahrhafte Kostproben gibt. Die Touren lässt sie von Fachkundigen aus der jeweiligen Stadt zusammenstellen und führen.

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Im Falle von Ernst Haas reicht die Erfahrung lange zurück, was er belegen kann mit seinem uralten Schulatlas, in dem noch die einstige Münchner Stadtmauer abgebildet ist, und durch eine München-Chronik, die in den frühen Achtzigerjahren jeder Schüler zum Abitur geschenkt bekam.

Die einzelnen Stationen, bei denen es kulinarische Kostproben gibt, bestehen aus kleinen, inhabergeführten Läden, Kneipen, Wirtshäusern und Cafés, die im Ausgehviertel Essbares anbieten. Wobei das Glockenbachviertel ein dehnbarer Begriff zu sein scheint; die Tour beginnt genaugenommen im Gärtnerplatzviertel und endet im Schlachthofviertel, zieht sich also durch die ganze Isarvorstadt. Auch an der Auswahl der Stationen könnte man natürlich herummäkeln. Aber, wie immer bei solchen Touren, wird es jemanden geben, der es noch besser weiß.

Stadtgeschichte vom Eingeborenen: Ernst Haas führt durchs Glockenbachviertel. (Foto: Stephan Rumpf)

Man bekommt jedoch einen guten Einblick in die Geschichte der Stadt und des Viertels, das ja schon bei seiner Gründung ein Spekulationsobjekt war. Man erfährt etwas über das Gärtnerplatztheater, von dem man gespannt sein darf, "ob es im Oktober 2017 tatsächlich fertig saniert ist", wie der Stadtführer meint, und hört von unlängst fertiggestellten Apartmentwohnungen, wo der Quadratmeter bis zu 25 000 Euro kostet.

Das überrascht die 14 Teilnehmer der Tour weniger: Einige von ihnen sind neu zugezogen, aus Köln oder London zum Beispiel, haben die Teilnahme am Stadtteilrundgang von den neuen Arbeitskollegen geschenkt bekommen und kennen den aktuellen Mietmarkt aus eigener, leidvoller Erfahrung.

Wieder ein Café mit kleinen, hippen Speisen

Von (Gewerbe-)Mieten könnten vermutlich auch Bianca Mirkowic und Shino Plum etwas erzählen. Die beiden jungen Designerinnen sind gerade erst mit ihrem Modeladen "Phasenreich" aus der Baaderstraße in die Reichenbachstraße 23 umgezogen. Auch dort gibt es wieder ein Café mit kleinen, hippen Speisen, die mutmaßlich ziemlich gesund sind, da sie bio und fairtrade sind und irgendwie an Waldorfschule erinnern.

Zum Probieren gibt's Couscous und Kichererbsensalat aus dem Einweckglas. Die Teilnehmerinnen des Rundgangs interessieren sich vor allem für die Mode im Laden, über die Bianca Mirkovic mit vollem Recht sagt: "Ökokleidung muss überhaupt nicht aussehen wie welche!"

Ein paar Häuser weiter, an der Fraunhoferstraße, kehrt man dann ein in einer "Social Eatery" ein, wie sich das "Hungrige Herz" im Untertitel nennt. Früher war hier mal eine Metzgerei und ein Schreibwarenladen, dann hat Andreas Neumeyer, Fußballer beim TSV 1860, ebendiese "Eatery" daraus gemacht. So heißen heute auf gut Glockenbachviertlerisch Szenekneipen, in denen es Smoothies gibt und lustig geformte Spiegeleier auf runden Brotscheiben.

Doch der Trend ist nicht alles. Man besucht zum Beispiel auch eine hübsche Konditorei, die noch den Charme der Siebzigerjahre ausstrahlt, und einen Schokoladenladen. Dazwischen erzählt Ernst Haas von den einstmals 57 Münchner Stadtbächen, und dass an der Kohleninsel vor 200 Jahren Europas größter Floßhafen gewesen ist.

Auch an St. Anton kommt man vorbei. Neu-Münchner aus den 25 000-Euro-pro-Quadratmeter-Apartments mögen da an den mondänen Skiort denken. Es handelt sich aber um die Kirche des Kapuzinerklosters, das bis heute eine Armenküche betreibt. Auch das ist die Wirklichkeit eines bundesweit bekannten In-Viertels.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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