Premiere am Gärtnerplatz:Ein Vogelhändler in bayerischem Kolorit

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Schenkt man sich Rosen in Tirol ... Vogelhändler Adam (Matteo Ivan Rašić) weiß, was das bedeuten soll. Kurfürstin Marie (Sophia Brommer) ist diese alpenländische Kulturpraxis fremd. Szene aus der Operette "Der Vogelhändler" am Gärtnerplatztheater. (Foto: Marie-Laure Briane)

Aufpassen beim Rosen-Verschenken! Am Gärtnerplatztheater hat jetzt Carl Zellers alpine Operette Premiere - in einer besonderen Neuinterpretation.

Von Jutta Czeguhn

"Nur nicht gleich, nicht auf der Stell', denn bei der Post geht's nicht so schnell." So sang die Christel von der Post 1891 bei der Uraufführung von Carl Zellers Operette "Der Vogelhändler", und ihr Publikum damals im Theater an der Wien hat diese Anspielung gewiss johlend bestätigt. Ja, diese Paketdienste, schon im österreichischen Kaiserreich musste man sich in Geduld üben. Auch sonst hatte der Komponist, ein hoher Beamter im Unterrichtsministerium, in seinem urwüchsigen Singspiel einiges an Anspielungen verpackt, das die Wiener augenblicklich verstanden haben dürften.

So wusste die gesamte Doppelmonarchie etwa Bescheid über die skandalöse, aber durchaus ernsthafte Beziehung, die Erzherzog Johann, den Bruder von Kaiser Franz-Joseph, mit der Bad Ausseer Postillionstochter Anna Plochl verband und die gar in einer Ehe mündete. Anna wurde in den Rang einer "Freifrau von Brandhofen" erhoben, und der gemeinsame Sohn Franz Ludwig bekam später den Titel eines Grafen von Meran. In der Hofburg verstand man es, in solchen Fällen flugs zu handeln, kennt man ja aus Ernst Marischkas Sissi-Filmen.

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Doch übertreiben mit der Satire sollte man es auch nicht, da verstand die k. u. k. Zensurbehörde keinen Spaß, schon gar nicht bei einem Ministerialrat wie Carl Zeller. Also war der talentierte Freizeitkompositeur so clever, den Schauplatz seiner Operette in die deutsche Rheinpfalz zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu verlegen. Wohl wissend, bei zeitlosen Sujets wie Korruption, Machtmissbrauch, MeToo, Ehebruch und holder Liebe - obwohl verpackt in Walzer-Sentimentalitäten und kernige Tiroler Dialektmusi - ist der Ort der Handlung am Ende eh Wurst. Weshalb das Staatstheater am Gärtnerplatz jetzt für seinen Vogelhändler "eine spritzige, echt bayerische Neuinterpretation" verspricht. Mit dabei sind unter anderem Münchens schwule Trachtler, D'Schwuhplattler. Premiere ist am Freitag, 26. Januar.

Als Gastregisseur inszeniert Bernd Mottl, der dem Gärtnerplatztheater 2019 eine ziemlich zeitgemäße, entkitschte Grafitti- "Bohème" bescherte und nun die Happy End-freie Vogelhändler-Version von Franz Winter (2001) ablösen soll. Dass Mottl auch Operette kann, davon schwärmen insbesondere die Berliner. Über seine "Frau Luna" im Tipi am Kanzleramt hört man aus der Hauptstadt nur Hymnisches wie "Glitzerinferno" oder "himmlisches Fest". Aber auch die Kölner waren im vergangenen Dezember angetan von seiner "Lustigen Witwe". Dort war er im Team mit Friedrich Eggert (Bühnenbild) und dem Österreicher Alfred Mayerhofer (Kostüme) angerückt, die nun auch am Gärtnerplatz wieder mittun.

Die Strumpfhose ganz klar in "postgelb": Julia Sturzlbaum als Christel von der Post. (Foto: Marie-Laure Briane)

Die beiden dürfen sich im "Vogelhändler" nun mit Lust am bajuwarischen Wahnsinn austoben, als hätten sie den Auftrag, das abgründigste Wiesnzelt 2024 zu gestalten. Gesungen wird also zwischen weiß-blauen Bayernrauten-Tapeten, Geweihen und Kruzifixen. Und Mayerhofer, der auch schon Robert Palfrader und Nicholas Ofczarek in der unerreichten, bissigen Waldviertel-Wunder- Serie "Braunschlag" ausstaffierte, wird allen beweisen, dass Dirndl und Lederhosen in apartem, atmungspassivem Polyesterlack der nächste Wiesntrend werden könnten.

Blickt in dieser alpinen Verwechslungskomödie noch einer durch? Nein? Dann bitte alle noch mal kurz nachdenken: Sophia Brommer (Kurfürstin Marie), Regina Schörg (Baronin Adelaide), Alexandros Tsilogiannis (Graf Stanislaus ) samt Chor und Statisterie des Staatstheaters am Gärtnerplatz. (Foto: Marie-Laure Briane)

Der Look ist also gesetzt, der Ton kommt von Anthony Bramall, der die musikalische Leitung hat und sich in dieser Spielserie am Pult mit Michael Brandstätter, dem stellvertretenden Chefdirigenten des Hauses, ablösen wird. Matteo Ivan Rašić singt den "Adam aus Tirol", der als Arbeitsmigrant ein Geschäft mit Käfigvögeln betreibt und endlich Dorf-Postbotin Christel (Julia Sturzlbaum) ehelichen möchte. Doch die kleine Welt dort ist in Unruhe, seit sich der Kurfürst zur Jagd angemeldet hat, denn die Dorfbewohner frönen ebenfalls der eigentlich urtirolerischen Leidenschaft fürs Wildern, weshalb nun keine Wildsau mehr aufzutreiben ist im kurfürstlichen Jagdrevier.

Das ist die Ausgangssituation für einen Plot der Irrungen und Wirrungen, dem die Wiener der Kaiserzeit noch ohne Weiteres folgen konnten und den sie für schreiend komisch befanden. Kurfürstin Marie (Sophia Brommer) erweist sich als Strippenzieherin, allerdings als nicht ganz sattelfeste, was Kulturpraktiken angeht. Als sie Adam einen Blumenstrauß in die Hand drückt, kann sie nicht ahnen, was das bedeuten mag (Hit-Duett: "Schenkt man sich Rosen in Tirol"). Eifersuchtszenen folgen. Wem ist noch zu trauen? Und wer ist überhaupt wer?

Am Ende aber, nach diversen Drehungen und Wendungen in diesem Alpenmilieu-Musiktheater, fliegt natürlich alles auf, und alle sind hoffentlich irgendwie gescheiter, wenn es heißt "Kämpfe nie mit Frau'n". Und der Adam bekommt seine Christel und die Christel ihren Adam.

"Der Vogelhändler", Operette von Carl Zeller, Premiere 26.1., 19.30 Uhr, Staatstheater am Gärtnerplatz, Infos zu weiteren Vorstellungen und Karten unter www.gaertnerplatztheater.de

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