Gabelspiel:Essen wie im Märchenwald

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Im Restaurant Gabelspiel konzentriert man sich in Sachen Kreativität auf die Küche. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Restaurant Gabelspiel in Obergiesing kombiniert regionale Zutaten auf ungewohnte Weise. Das Ergebnis erinnert an expressionistische Kunstwerke, wo Bäume plötzlich lila sind und Pilze eckig.

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Pastinake? Ist das nicht dieses längliche, farblose Gemüse, das engagierte Mütter neuerdings ihren Babys verfüttern, weil sie fürchten, sogar Karotten könnten Allergien auslösen? Nun, in unserem Fall war die Pastinake tatsächlich länglich und bleich, aber gekonnt mariniert und zart gegart, bis sie weich wie eine reife Banane war. Darunter schlummerte ein Spiegelei, ja ein Ei, aber eines, das dank einer geheimnisvollen Niedrigtemperaturmethode eine Stunde lang gegart und beim Anschneiden wie Sauce floss. Und auf dem Ganzen waren Brösel verstreut, die aussahen, als habe jemand seine sandigen Schuhe ausgeklopft. Butter sei das, erfuhren wir, molekulartechnisch verzaubert.

Ungewöhnlich. Vieles an diesem neuen Restaurant ist ungewöhnlich, schon der Name Gabelspiel. Und das Gebäude: ein auf ulkige Weise alleinstehender, abgeschnittener Altbau an der ansonsten so geschäftigen Tegernseer Landstraße. In den Gastraum passen höchstens zwei Dutzend Leute. Weder Elektrogewummer noch Popklassik füllt die Ohren, nur die Stimmen der anderen Gäste, was allerdings in dem kantigen Raum genügend Hall erzeugt.

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Das Geschäftsmodell ist einfach: Er kocht, sie bewirtet. Beides erledigen Florian und Sabrina Berger mit Leidenschaft. Er, Österreicher und nach eigener Darstellung Innovator und Aromen-Jongleur, hat nach Stationen in mehreren Sterne-Restaurants nun mit seiner Frau - Organisationstalent und Managerin - den ersten eigenen Laden in diesem lustigen Giesinger Altbau eröffnet. Die Ambition ist spürbar, die Preise stattlich. Doch geht es nicht um klassischen, dick aufgetragenen Luxus. Serviert wird auf rustikalem Steingut, die Holztische sind blank mit dezenten Baumzapfen als Schmuck. Das Ambiente ist wohnlich-nüchtern. Kein Chichi.

Dem überschaubaren Personal angemessen, stehen auf der Karte lediglich sechs Tagesgerichte sowie ein Käse- und ein Dessertteller. Alles ist zwar einzeln bestellbar, aber die Menüvariante mit vier, fünf oder sechs Gängen (54 bis 69 Euro) sei eindeutig empfohlen, ebenso die Weinbegleitung (26 bis 42 Euro). Beides garantiert ein neuartiges, bleibendes Erlebnis. Man bewegt sich durch die Gänge wie auf einer Wanderung durch eine märchenhafte verfremdete Landschaft. Es erinnert an jene expressionistischen Kunstwerke, auf denen Bäume plötzlich lila sind und Pilze eckig. Die Küche ist frech, verspielt, gekonnt rustikal, vieles schmeckt harmonisch, anderes auf provokante Weise dissonant. Was nicht heißt, dass manches Element am Wegrand nicht noch verbesserungswürdig wäre. So fanden wir einmal das "rosa gebratene Kalb" im Hauptgang zwar leuchtend rosa vor, aber für diese Preislage nicht zart genug.

Zu unseren Favoriten gehörten neben der eingangs erwähnten Pastinake ein Saiblingstataki, nahezu roher Fisch mit Edamame-Bohnen, Avocado und Kräutern. Die Zusammenstellung der täglich wechselnder Zutaten ist eine Leidenschaft des Chefs. Die andere ist das Spiel mit ungewöhnlichen Konsistenzen und Texturen. Das Spektrum physikalischer Zustände beschränkt sich nicht auf die in protzigeren Restaurants obligatorischen Schäumchen. Hier kommt Schwarzwurzel als längliche Chips daher. Blumenkohl ist "gebrannt", und Lauch fermentiert.

Und manchmal rätselt man über die Ingredienzen selbst: Rollgerstenschaum? Knollen-Ziest? Letzterer heißt laut Lexikon auch Chinesische Artischocke, Japanknolle, Japanische Kartoffel, Knollenkartoffel oder Stachy und ist eine Pflanzenart aus der Familie der Lippenblütler. In unserem Fall blühte der Ziest jedenfalls ganz prächtig im Gaumen, gemeinsam mit Curry-Linsen, Kaki und Kalb. Und die Rollgerste kam mit Rotkraut und einem krossen Wachtelbeinchen. Fast schon normal wirkte dagegen ein Tellerchen gezupftes Schwein mit marinierten Radieschenscheiben und "Asia-Majonaise". Dafür kam dieses Gericht mit einem Glas Rotwein, dessen Kantigkeit schon an der Komfortzone kratzte.

Der Wein komme von einem Winzer, der seinen Weinberg wild wuchern lässt

Generell gehört Neuland und Rätselraten auch in Sachen Wein zum Konzept, sofern man sich statt einer Flasche Riesling der Weinbegleitung der Gastgeberin anvertraut. Zu marinierten Jakobsmuscheln mit Kumquat und Blumenkohl wurde noch eine klassische Scheurebe mit sanften Mandarinen-Noten serviert. Doch zum nächsten Gang gab es bereits einen karminroten - tja was? - alles Mögliche, sagt die Hausherrin. Der Wein komme von einem Winzer, der seinen Weinberg wild wuchern lässt und alles unsortiert keltert. Tja, Herausforderung gehört eindeutig zum Konzept. Mittlerweile wird sogar gelegentlich ein Menü mit Bierbegleitung angeboten. Partner sind, Brüder im Geiste, die ebenso experimentierfreudigen Braumeister vom Giesinger Bräu, gleich um die Ecke.

Den Abschluss bildeten Heublumenkäse mal mit Ananas-Chutney und mal mit eingelegter Quitte. Dazu - back to normal - ein süßer, ausgewogener Welschriesling. Und wer eine klassisch-süße Krönung nicht missen will, bekommt ein "Snickers" zum Dessert. Auch das ist natürlich keine Industrieware, sondern die Märchenwald-Variante einer cremigen Schokokreation.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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