Corona-Pandemie:"Die Mitarbeiter sind ausgelaugt"

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Klagt über die Verringerung der stationären Kapazitäten: Florian Weis, Chefarzt der Anästhesie und Intensivstation sowie Ärztlicher Direktor der Kreisklinik. (Foto: Leonhard Simon)

In den Kliniken wird bis an die Belastungsgrenze gearbeitet. Chefarzt Florian Weis von Klinikum Fürstenfeldbruck registriert mit Sorge die hohe Arbeitsbelastung auf der Intensivstation und warnt vor einer weiteren Zuspitzung der Lage.

Interview von Stefan Salger

Vor gut einem Jahr erreichte die Siebentage-Inzidenz im Landkreis Fürstenfeldbruck mit 240 einen neuen Höchstwert. Am Freitag lag sie laut Robert-Koch-Institut nun sogar bei 423. Die Krankenhausampel in Bayern zeigt Rot. Auf den Intensivstationen werden die Betten knapp, weil einerseits immer mehr Covid-Patienten schwer erkranken, andererseits das Fachpersonal fehlt. Florian Weis, 48, Chefarzt für Anästhesie und Intensivmedizin und turnusmäßig Ärztlicher Direktor, leitet die Intensivstation des Klinikums Fürstenfeldbruck. Er berichtet von Personal an der Belastungsgrenze sowie verschobenen Operationen und befürchtet, dass der Winter noch hart wird.

Wie ist die Auslastung der Covid- sowie der Intensivstation?

Florian Weis: Auf der Covid-Station liegen aktuell 18 Patienten, auf der Intensivstation sind es fünf, von denen vier beatmet sind.

Wie groß ist der Personalengpass und wie hoch die Arbeitsbelastung?

Wir haben bereits eine Station geschlossen, um mehr Personal für die Covid-Station und die Intensivstation zu haben. Die Arbeitsbelastung ist für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hoch, aber wir bemühen uns mit allen Mitteln, sie nicht zu überlasten.

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Müssen Covid-Patienten in andere Kliniken gebracht oder von dort aufgenommen werden?

Wir haben in den letzten Wochen vereinzelt Covid-Patienten aus anderen Kliniken übernommen, wenn diese überlastet waren und wir noch Kapazitäten hatten. Seit sechs Wochen sind wir selbst so ausgelastet, dass an Übernahmen nicht mehr zu denken ist. Wir mussten aber bisher noch keine Covid-Patienten verlegen.

Wie ist die aktuelle vierte Welle im Vergleich zu den vorhergegangenen?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind sehr ausgelaugt von der langen Zeit der komplizierten Abläufe. Dazu kommt natürlich auch die private Belastung, die speziell die Eltern von schul- oder betreuungspflichtigen Kindern haben. Auch die Absehbarkeit der jetzigen Situation und die schlechte Prognose für den gesamten Winter macht vielen verständlicherweise schwer zu schaffen.

Gibt es überhaupt noch Kapazitäten beziehungsweise können die kurzfristig erweitert werden?

Prinzipiell können noch weitere Behandlungskapazitäten geschaffen werden, aber nur durch das Einschränken planbarer Behandlungen und die Reduzierung von betreibbaren Betten

Gibt es theoretische Konzepte für eine möglicherweise irgendwann erforderliche Triage?

Wir haben bereits in der ersten Coronawelle ein Triagekonzept in Anlehnung an den entsprechenden Vorschlag der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, kurz Divi, erarbeitet und können dieses gegebenenfalls zum Einsatz bringen. Aktuell ist dieses Szenario aber nicht in Sichtweite.

Werden andere Operationen verschoben?

Auf Anordnung der Regierung von Oberbayern schränken wir bereits die OP-Kapazitäten für verschiebbare Eingriffe ein.

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Wie viele Personen - mit und ohne Corona-Befund - liegen insgesamt auf Intensiv, wie viele davon werden beatmet?

Es liegen aktuell elf Patientinnen und Patienten auf der Intensivstation, von denen acht beatmet sind.

Von der Personen mit Covid-Diagnose auf Intensiv: in welchem Alter sind sie?

Der jüngste Covid-Patient ist 63 Jahre alt, der älteste 82.

Wie ist erfahrungsgemäß in etwa das Verhältnis von ungeimpften zu geimpften Patienten auf der Covid- sowie auf der Intensivstation?

Auf der Normalstation sind circa 50 Prozent geimpft, wobei von den Patientinnen und Patienten, die wegen und nicht mit Covid - zum Beispiel Sprunggelenk gebrochen und als Zufallsbefund im PCR-Abstrich positiv - nur circa 20 Prozent geimpft sind. Die geimpften Patienten, die wegen Corona bei uns liegen, sind meist älter und schwer vorerkrankt.

Gibt es Reaktionen ungeimpfter, schwer erkrankter Patienten, die es aus heutiger Sicht bedauern, sich nicht haben impfen zu lassen beziehungsweise sich nicht umfassend informiert zu haben?

Wir sind die Behandler der Patienten, nicht die Erzieher. Wir empfehlen allen Patientinnen und Patienten nachdrücklich, sich impfen zu lassen, respektieren aber selbstverständlich die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen.

Wie lange bleiben schwer erkrankte Covid-Patienten durchschnittlich auf Intensiv- beziehungsweise Normalstation?

Häufig sind es lange Verläufe, der Patient mit dem aktuell längsten Behandlungsverlauf auf der Intensivstation ist seit 20 Tage bei uns, wir hatten aber auch schon Patienten, die mehr als 60 Tage bei uns waren.

© SZ vom 20.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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