Bundestagswahl in Dachau-Fürstenfeldbruck:Wahlmampf

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Katrin Staffler und Julia Grote politisieren in der Küche. Doch so manche Botschaft geht in Kochgeräuschen unter.

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Kochen und dabei über Politik reden: Das klingt einfach, ist aber wenig zielführend. Alles zieht sich in die Länge und das eine lenkt vom anderen ab. Jedenfalls sind die Kürbis-Gnocchi von Julia Grote und Katrin Staffler auch nach 75 Minuten bei ihrem virtuellen Kochabend noch nicht fertig und die politischen Botschaften haben es schwer, sich gegen den brodelnden Kochtopf durchzusetzen. Staffler ist die CSU-Direktkandidatin, die im Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck wieder in den Bundestag einziehen will, und Grote, die Kreisvorsitzende der Jungen Union Dachau, will über die CSU-Liste in das Berliner Parlament gewählt werden.

Dass es keine Diskussion wird, ist wenig verwunderlich, sind doch die Ansichten der beiden CSU-Politikerinnen nahezu deckungsgleich. Doch zunächst geht es ums Kochen. Staffler hat sich dafür eine Schürze umgebunden, Grote erscheint ungeschützt in einem ärmellosen schwarzen Oberteil. Nachdem alle Zutaten für die Kürbis-Gnocchi aus der Region ausführlich vorgestellt worden sind, steigen die Köchinnen mit dem Thema Hausbau für junge Familien in die Politik ein. "Die CSU ist für den Erwerb von Wohneigentum", gibt Grote die Parteilinie aus. Für wen das in der Region München noch bezahlbar ist, wird nicht behandelt. Staffler spricht beim Wohneigentum - nicht bei den enorm gestiegenen Mieten - von "großer sozialer Sprengkraft". Wohneigentum müssen die Kommunen viel schneller ausweisen, ist ihre Forderung, und die Grunderwerbssteuer solle gedeckelt werden. Zudem wirke sich das Baukindergeld positiv aus.

Staffler beginnt über dem Kochtopf allmählich erkennbar zu schwitzen, als sie sich noch ganz kurz gegen einen Mietendeckel ausspricht, weil dann die Vermieter nicht mehr vermieten würden. "Bauen, bauen, bauen", wiederholt die 39-jährige Politikerin bekannte Parolen ihrer Partei, als sie gerade die gekochten Kürbisteile mit einer Gabel mühsam zerdrückt. "Kochst du oft selber?", fragt Grote zwischendurch. "In Berlin nicht, zuhause ja", antwortet Staffler, als sie sich in der Küche auf die Suche nach einem Mixer begibt. "Sind die Anlagen sicher?", fragt ein Teilnehmer im Chat, nachdem das Duo von einer kapitalgedeckten Versicherung als vierte Säule einer künftigen Rente geredet hat, die von einer Fondsgesellschaft verwaltet werden soll. Die Frage kann nicht zufriedenstellend beantwortet werden, weil auch Stafflers Mixer zu laut ist. "Was kocht ihr eigentlich?", will nach einer halben Stunde ein Chatfrager wissen. "Na, Kürbis-Gnocchi", sagt Grote, die eloquenter wirkt als die Bundestagskandidatin neben ihr. Sie bezeichnet die Riester-Rente als "totalen Flop" und fordert die Jugend noch auf, sich beim Rententhema einzumischen. Die Forderungen von SPD, Grünen und Linken, dass alle in die Rentenkasse einzahlen sollen, lehnen beide strikt ab. "Wir sind für die gute Pension unserer Beamten", positionieren sie sich.

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Danach erfährt man, dass Staffler kein Morgenmensch ist und Menschen nicht leiden kann, die bereits ganz früh gute Laune haben. "Kriegst du es hin, zu rühren und über Digitalisierung zu reden?", fragt die 32-jährige Grote ihre Kochpartnerin und stellt gleich fest, dass Deutschland sich diesbezüglich "auf Dritte-Welt-Niveau befindet". Warum das? Regiert doch die Union seit 16 Jahren, und CSU-Parteikollegin Dorothee Bär ist seit vier Jahren Digitalministerin. "Schnelles Internet ist überall nötig", lautet Stafflers lapidare Feststellung. Das Kochduo streift noch Bildung und Forschung und bedauert, dass Startup-Firmen nicht mit dem notwendigen Kapital ausgestattet werden. "Wir sind ein Land, das zuerst die Risiken sieht und nicht die Chancen", nörgelt Staffler, als sie nach einer Stunde den Teig ausrollt. Die Erhöhung des Bundeswehr-Etats auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, also eine Etaterhöhung um mehr als 20 Milliarden Euro, halten beide Kandidatinnen für notwendig, "weil Deutschland Aufgaben in vielen Ecken der Welt übernehmen muss", sagt Grote unerschrocken nach dem Afghanistan-Debakel und den Bundeswehrproblemen in Mali. Besonders China müsse man mit "Härte" begegnen, aber auch viele Autos dorthin verkaufen.

Ach ja: Ein einziger Unterschied ist dann bei den beiden CSU-Politikerinnen in Sachen Energiewende am Ende doch auszumachen: Während Staffler beim Zehn-H-Abstandsdogma für Windräder erwartbar auf Parteilinie ist, hält Grote diese Vorgabe, die den Bau von Windrädern gerade in Oberbayern seit Jahren nahezu unmöglich gemacht hat, für "nicht sinnvoll".

© SZ vom 23.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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