Lesenswert:Vom Kunstwerk zum Mahnmal

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Zwei neue Bücher spüren dem Leben des Bildhauers Fritz Koenig und der Geschichte seiner Großen Kugelkaryatide nach.

Von Sabine Reithmaier, Landshut

Im Frühjahr 1967 erhielt der Bildhauer Fritz Koenig die Anfrage, ob er für das World Trade Center in New York eine Brunnenanlage schaffen wolle. Zu dem Zeitpunkt war das Center noch eine Baugrube, von den zwei Türmen mit je 110 Stockwerken und 410 Meter Höhe war nichts zu sehen. Koenig war auf seine Vorstellungskraft angewiesen, musste einen Entwurf schaffen, der den enormen Dimensionen des Bauwerks selbstbewusst entgegentrat. Eine "David-Goliath-Situation" sei das gewesen, sagte der Bildhauer 1974 in einer Filmdokumentation von Dagmar Damek. Der Film ist einer von mehreren, die sich auf zwei DVDs in einem vom Freundeskreis Fritz Koenig im Eigenverlag herausgegebenen Buch finden.

Mit 276 Seiten ist es ein gewichtiges, reich bebildertes Werk geworden, in dem der Leser sehr viel über "The Sphere" erfährt, wie die New Yorker die "Große Kugelkaryatide" nannten. Allein durch die Zeichnungen, in denen sich Koenig mit Kohle oder Wasserfarbe der Kugelform annäherte, oder die verschiedenen Modelle. Schon das riesige Gipsmodell erforderte einen ungeheuren Aufwand. Das wird auch in dem Interview deutlich, das Stefanje Weinmayr mit dem 93jährigen Hans Mayr führte, der in seiner Münchner Werkstatt fast alle Arbeiten Koenigs gegossen hat und sich noch gut an all die Schwierigkeiten erinnert, die der Guss der Kugel mit sich brachte einschließlich des Transports nach Bremen, eine "wilde Gaudi". Auf der Werft wurde die Kugel endgültig zusammengesetzt und verschweißt, 1971 an ihrem Standort enthüllt.

In dem Buch kommen viele zu Wort, Kunsthistoriker und Fotografen genauso wie Politiker, etwa der Altdorfer Bürgermeister Helmut Maier, der bei seinem Besuch auf den Spuren Koenigs in New York 2016 stolz feststellte, dass überall der Altdorfer Ortsteil "Ganslberg, Bavaria" genannt wurde. Die meisten der Aufsätze wurden nicht für diese Publikation geschrieben, sondern stammen aus älteren Ausstellungskatalogen, einige finden sich im Katalog zur Retrospektive in Florenz vor drei Jahren.

Jan Seidler Ramirez verfolgt den Weg des zur Ikone gewordenen Relikts nach der Katastrophe, von der Bergung der beschädigten Kugel aus den Ruinen von "Ground Zero" über die folgenden wechselnden Standorte bis hin zur Aufstellung im Liberty Park. Koenig selbst war vier Wochen nach der Katastrophe vor Ort, begleitet von seinem Freund, dem Filmemacher Percy Adlon. Im März 2002 kehrte er zurück, um die Kugel zu bergen und sie für die temporäre Aufstellung im Battery-Park vorzubereiten. Adlon hat die Auferstehung der versehrten Skulptur eindrucksvoll dokumentiert - auch dieser Film findet sich auf einer DVD. Das Ende der Odyssee seines "größten Kindes" (Koenig) im August 2017 erlebte der Bildhauer nicht mehr, er starb wenige Monate vorher.

Mehr über das gesamte Leben Fritz Koenigs erfährt man in der Bildbiografie Dieter Clarenbachs, das Resümee einer mehr als 50-jährigen Teilnahme am Leben des Bildhauers, die neu überarbeitet und ergänzt in dritter Auflage erschienen ist. Ein schmales, 56 Seiten starkes Heft mit ausgezeichneten Fotos und kurzen, knappen Texten.

Freundeskreis Fritz Koenig: The Sphere. Kunstwerk und Mahnmal, 276 Seiten, zwei DVDs, 42 Euro, erhältlich im Koenig-Museum, im Handel oder über den Freundeskreis unter bestellung@freunde-fritz-koenig.de

Dieter Clarenbach: Fritz Koenig. Eine Bildbiografie, hrsg. von der Stadt Landshut, 56 Seiten, ca. 280 Fotos, 18 Euro.

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