Wohnen im Landkreis Freising:Die gute Idee aus den Sechzigern

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Wohnen in Freising ist teuer. Wer sich die Miete nicht leisten kann, dem hilft das Wohngeld aus den Sechzigern. (Foto: Marco Einfeldt)

Ende 2019 sind 580 Haushalte mit Wohngeld unterstützt worden. Anders als der Mietendeckel oder die Mietpreisbremse funktioniert dieses Instrument, mit dem einkommensschwache Mieter und Hausbesitzer unterstützt werden, bis heute.

Von Teja Banzhaf, Freising

Der Mietendeckel ist tot. Die Mietpreisbremse greift nicht so recht. Nur das Wohngeld aus den 60er Jahren funktioniert. 2020 wurden im Landkreis Freising wie überall die Einkommensgrenzen angehoben. Das dürfte für einen Anstieg der Wohngeldempfänger in den Jahren 2020 und 2021 sorgen, so die Prognose. Fakten gibt es für 2019. Da waren es zum Jahreswechsel nach 2020 im Kreis Freising insgesamt 580 mit Wohngeld unterstützte Haushalte.

Das Geld bekommen Menschen, deren Miete sonst für sie nicht bezahlbar wäre, aber auch Hausbesitzer, die mangels Einkommen mit dem Unterhalt ihres Häuschens Probleme haben. Im Landkreis Freising lag das durchschnittliche Wohngeld zuletzt bei 221 Euro. Das langte in der Bundesliga der Wohngeldhaushalte zu Platz 5 unter 405 ausgewerteten Städten und Kreisen inklusive Stadtstaaten. Spitzenreiter ist der Kreis Offenbach in Hessen mit 242 Euro. Seit Jahresanfang 2021 kommt dazu, dass das Wohngeld nun auch noch als Notbremse bei der CO₂-Bepreisung dient. Denn Wohngeldempfänger bekommen einen Zuschlag, der die Mehrkosten bei der Heizung abfangen soll.

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Im Schnitt 221 Euro monatlich hat ein Wohngeldhaushalt im Landkreis zuletzt erhalten

Dass die Menschen im Kreis Offenbach mehr als die Freisinger bekommen liegt nicht daran, dass sie besonders arm sind - sondern daran, dass sie arm dran sind, weil ihre Mieten besonders hoch sind. Denn je nach Kreis oder Ort und lokalen Mieten gelten Mietenstufen und Höchstbeträge, die den Betrag bestimmen, bis zu dem die Miete durch das Wohngeld bezuschusst wird. Ein Beispiel: Für zwei Personen in der niedrigsten Stufe sind es 409 Euro. In der Mietenstufe 6 sind bis zu 697 Euro Miete zuschussfähig. Das war bisher der Höchstbetrag. 2020 wurde allerdings noch eine Mietenstufe 7 eingeführt, weil die Bandbreite nicht mehr reichte. Diese deckt jetzt bis zu 767 beim Paar und bis zu 1217 Euro bei einer fünfköpfigen Familie ab - das ist die Miete, nicht der Zuschussbetrag. Denn dessen Höhe hängt vom Einkommen ab.

Für 2019 lässt sich in Zahlen fassen, um welche Beträge es geht: An Zuschuss hat ein Wohngeldhaushalt im Kreis Freising bis zum 31. Dezember 2019 (das sind die frischesten Daten) durchschnittlich 221 Euro pro Monat erhalten und es gab 580 Empfänger-Haushalte (2018: 644). Nach den Daten der Regionaldatenbank der Statistischen Landesämter wurden 562 Haushalte bei der Miete unterstützt (221 Euro im Monat), 18 Haushalte erhielten Lastenzuschuss (220 Euro pro Monat), sprich, sie hatten ein eigenes Häuschen oder eine Eigentumswohnung.

Insgesamt wurden im Kreis Freising 2019 etwa 1,54 Millionen Euro ausbezahlt

Der Einzelbetrag läppert sich: Insgesamt wurden im Kreis Freising 2019 etwa 1,54 Millionen Euro ausbezahlt. (2018: 1,70 Millionen Euro). Zum Vergleich: 2015 hatte das durchschnittliche Wohngeld hier noch bei 148 Euro gelegen und 575 Haushalte wurden mit 1,02 Millionen Euro unterstützt. Warum 2015? Weil 2016 das Wohngeld wieder angehoben wurde und dann bis Ende 2019 unverändert blieb.

Das Wohngeld hat eine vergleichsweise lange Geschichte. Wenn wir in heutigen Begrifflichkeiten arbeiten, war es die Mietpreisbremse 1.0, die in den Sechzigern erfunden wurde. Als 1965 das erste Wohngeldgesetz beschlossen wurde, sollte es Einkommensschwachen helfen, ihre Miete zu bezahlen oder ein Haus behalten zu können. Das Wohngeld wird deswegen seitdem nur zusätzlich zum Einkommen aus Arbeit oder Rente als Mietzuschuss bei Mietern oder Lastenzuschuss bei Eigentümern gezahlt. Eigenes Einkommen ist also Voraussetzung, um Staatshilfe zu bekommen. Tragbar schien damals für eine vierköpfige Familie mit über 1000 D-Mark monatlich eine Miete von 21 Prozent, sprich bei 210 Mark Miete gab es nichts. Für eine Familie mit acht und mehr Köpfen und einem Einkommen von 200 Mark sah die Tabelle fünf Prozent als Eigenanteil an, also zehn Mark. Den Rest der Miete übernahm der Staat. Bund und Länder zahlen das Wohngeld je zur Hälfte. Heute gibt es für eine vierköpfige Familie mit 2300 Euro und einer Miete von 740 Euro beispielsweise 262 Euro - ohne Gewähr, weil die Berechnung recht kompliziert geworden ist.

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Das Wohngeld wir inzwischen regelmäßig erhöht, nicht nur vor Bundestagswahlen

Wohngeldrechner im Internet liefern zwar auch nur einen Daumenpeilwert, weil die Berechnung des maßgebenden Einkommens nicht so einfach ist. Sie zeigen aber, dass das 21-Prozent-Mieteanteil-am-Einkommen-Ziel aus den Sechzigern heute wacker verfehlt wird: Da wären bei der Beispielfamilie nur 483 Euro Miete zu berücksichtigen.

Seit Jahresanfang gibt es zudem Extrageld: "Wohngeldhaushalte werden gezielt bei den Heizkosten entlastet, um soziale Härten im Kontext der CO₂-Bepreisung zu vermeiden", sagt die Bundesregierung. Zwölf bis 14 Euro pro Monat sind drin. Und Wohngeld wird jetzt auch regelmäßig erhöht, nicht nur zufällig vor Bundestagswahlen: Die Dynamisierung des Wohngeldes wird ab 2022 eingeführt. Das Wohngeld wird regelmäßig alle zwei Jahre an die eingetretene Miet- und Einkommensentwicklung angepasst. Das ist jetzt gesetzlich geregelt.

Der Staat zahlt, Mieter werden entlastet, Vermieter aber bekommen die Marktmiete

Aber wenn der Oldtimer rund läuft, warum dann Mietpreisbremse 2.0 und die blutige Nase beim Mietendeckel? Es geht um Geld: Beim Wohngeld müssen Bund und Länder in die eigene Tasche greifen, Mieter werden entlastet. Das Geld landet aber am Ende beim Vermieter, der seine Marktmiete bekommt. Mietpreisbremse und Mietendeckel sind Regelungen, bei denen der Staat per Gesetz dem Vermietenden mit der schlichten Anweisung in die Kasse greift, was er kassieren darf. Sagen wir mal so: Wohngeld gibt es für bundesweit 479 245 Haushalte, von denen man weiß, dass ihr Einkommen niedrig ist. Die Mietpreisbremse ist auch etwas für Einkommensstärkere.

© SZ vom 29.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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