Hochschulen in Freising:Mehr Nachhaltiges in den Einkaufskorb

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Gesundes Essen am Arbeitsplatz: Noch findet man dort oftmals Pommes, Currywurst und Braten, doch einige Kantinen setzen bereits auf eine größere Vielfalt und leichtere Kost. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die EU macht sich Gedanken, wie sich die Menschen gesünder ernähren und der Konsum gleichzeitig umweltverträglicher wird. Neben gesundheitlichen Aspekten könnte das auch ein wichtiger Beitrag zum Erreichen der Klimaziele sein.

Von Petra Schnirch, Freising

Die Lebensmittelsicherheit ist in der EU seit Jahren ein zentrales Thema - man denke nur an die Verordnung zur Allergen-Kennzeichnung. Doch Nahrungsmittel sollen nicht nur qualitativ und hygienisch einwandfrei sein. Die Menschen sollen sich auch gesünder ernähren und der Konsum soll nachhaltiger werden. Wie dies gelingen kann, hat ein internationales Wissenschaftler-Team im Auftrag der EU-Kommission in einem Bericht zusammengefasst.

Daran mitgewirkt hat die Weihenstephaner Professorin Jutta Roosen, 52, die an der TU München (TUM) den Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung inne hat. Eine Expertengruppe hat auf Grundlage des Reports dann Vorschläge entwickelt, worauf sich die Politik konzentrieren sollte.

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Die gesteckten Ziele zu erreichen, ist kein leichtes Unterfangen. Zwar wächst auch in Deutschland mit dem gesellschaftlichen Diskurs das Interesse an nachhaltigeren Produkten. Lebensmittelindustrie und Handel haben darauf mit neuen, freiwilligen Labeln reagiert, etwa zur Art der Tierhaltung, und dem Nutri Score. Die bunte Skala zur Nährwert-Kennzeichnung ziert inzwischen viele Verpackungen.

Siegel alleine reichen aber nicht aus, damit die Konsumenten ihre Ernährungsgewohnheiten umstellen, sagt Jutta Roosen. Mit ihrem Team hat sie für den Report anhand bestehender Studien überprüft, wie wirksam solche Label sind und wie sich fiskalische Maßnahmen, etwa die Senkung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse, auswirken.

Die Politik müsse "klare Leitlinien festlegen".

Es gehe nicht nur darum, die Verbraucher zu informieren und ihnen dann die Verantwortung zu überlassen. Die Politik müsse "klare Leitlinien festlegen". Eine Möglichkeit wäre etwa die Besteuerung nicht gesunder Produkte. "Man muss aber auch sehen, inwieweit Lebensmittel dann bezahlbar bleiben", sagt Jutta Roosen. Was hinzu kommt: Das ganze Umfeld müsse förderlich sein. "Lebensmittel werden im sozialen Kontext konsumiert." Wenn neue soziale Normen entstehen, werden alte Gewohnheiten teils angepasst. Gerade im "Außer-Haus-Verzehr", in Kantinen und bei der Schulverpflegung, sollten gesunde Lebensmittel gefördert werden.

Der EU-Report "Towards sustainable Food Consumption", so der offizielle Titel, soll der EU-Kommission zusätzliche Informationen liefern, um die Umsetzung der "Farm-to-Fork"-Strategie ("Vom Hof auf den Tisch") für faire und umweltfreundliche Lebensmittelsysteme voranzubringen. Sie steht im Mittelpunkt des "Green Deal", mit dem die EU-Mitgliedsstaaten bis 2050 klimaneutral werden wollen. Eine zentrale Empfehlung der Expertengruppe: Die verschiedenen Gesetzesinitiativen der EU sollten in eine Richtung gehen. "Damit man mit der einen Förderung nicht kaputt macht, was man mit der anderen Förderung wieder aufbaut", sagt Roosen.

Das klingt simpel, funktioniert bisher wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten innerhalb der Kommission nicht immer. Es sei notwendig, über das ganze Ernährungssystem zu sprechen, betont die Weihenstephaner Wissenschaftlerin, auch Umweltbedingungen und Fragen des Klimawandels müssten einbezogen werden.

Jutta Roosen leitet den Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung an der TU München in Weihenstephan. (Foto: Photogenika/TUM)

Bisher ist vor allem auf nationaler Ebene unterschiedlich viel passiert. Als positive Beispiele führt der Report Dänemark an: Die Politik habe Bio-Lebensmittel sehr umfassend gestärkt, schildert Roosen. Nicht nur die Landwirtschaft sei gefördert worden, auch der Einzelhandel sei aktiv geworden. Das zeige: Der Anteil von Bio-Produkten könne mit einem konzertierten Ansatz gesteigert werden. In Spanien wurde die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse gestrichen. Großbritannien hat die Werbung für zuckerhaltige Produkte eingeschränkt, in Südamerika wurden teils Warn-Label für hohen Zucker- oder Fettgehalt entwickelt.

Deutschland hat früh ein Bio-Siegel eingeführt, das breite Akzeptanz fand. Neue Kennzeichnungen und Werbe-Einschränkungen, etwa für zuckerhaltige Waren im Kinder-TV-Programm, werden auch auf EU-Ebene diskutiert. Letzteres sei sinnvoll, findet Roosen, "aber kein Allheilmittel", weil es inzwischen viele andere Kanäle gibt wie die sozialen Medien.

Ehrgeiziges Ziel in Bayern ist, den Öko-Landbau bis 2030 auf 30 Prozent zu steigern, EU-weit sollen es 25 Prozent sein. Derzeit liegt der Flächenanteil in Deutschland bei etwa acht Prozent. Das werde aber auch kritisch diskutiert, erklärt Jutta Roosen. "Wenn wir mehr Bio-Anbau haben wollen, brauchen wir mehr Fläche. Die kriegen wir aber nicht ohne Weiteres dazu." Deshalb werde auch darüber diskutiert, wie man die Landbewirtschaftung insgesamt nachhaltiger gestalten könne, etwa durch eine Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika.

Um ein Siegel bekannt zu machen, braucht es einen langen Atem

Nicht unterschätzen dürfe man, dass man "einen langen Atem braucht, um ein neues Siegel bekannt zu machen", gibt Roosen zu bedenken. Einheitliche Kennzeichnungen seien wichtig, um die Verbraucher nicht zu verwirren. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, ist nach ihren Worten auch der Ernährungssektor gefragt. Mit 25 bis 30 Prozent habe er einen wesentlichen Anteil an den klimawirksamen Gasen. Die stetige Diskussion darüber und dass die EU-Gesetzgebung in verschiedenen Bereichen des Lebensmittelsektors bereits überarbeitet wird, bezeichnet sie als "Schlüsselmoment".

Auch an anderen interessanten Projekten ist der TUM-Lehrstuhl für Marketing und Konsumforschung beteiligt. Derzeit laufe ein EU-Projekt zu fermentierten Lebensmitteln, schildert Roosen. Dabei gehe es darum, wie man durch Fermentierung Eiweiße aufschlüsseln und pflanzliche Alternativen zu Fleisch entwickeln kann. Der Fokus des Weihenstephaner Wissenschaftler-Teams liegt im Bereich der Verbraucherakzeptanz.

Bereits abgeschlossen ist ein großes Projekt unter anderem mit der Universität Bonn zum Thema Tierwohl, mit dem die Zahlungsbereitschaft zu verschiedenen Tierwohl-Siegeln ermittelt wurde. In einem virtuellen Supermarkt untersuchten die Forschenden, was der Lebensmitteleinzelhandel tun kann, um Tierwohlprodukte zu fördern. Eine Firma entwickelte dafür, wie Roosen erklärt, einen webbasierten Supermarkt, durch den man wie in einem Videospiel seinen Einkaufswagen schieben und die Produkte aus dem Regal nehmen und anschauen konnte. Ein Fazit: Wenn ein Geschäft ein Tierwohl-Regal hat, auf das der Verbraucher zusätzlich, etwa mit Pfeilen und Fußabdruck-Aufklebern am Boden, gezielt aufmerksam gemacht wird, kauft er mehr Tierwohl-Produkte ein. Und wenn mehr solche Waren angeboten werden, "landen sie auch schneller im Warenkorb."

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