Neufahrn:Plötzlich ohne Bleibe

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Zu Felizitas Schmitz von der Obdachlosenberatung in Neufahrn kommen auch Familien mit gesichertem Einkommen. (Foto: Marco Einfeldt)

In den Notunterkünften der Gemeinde landen auch Familien mit gesichertem Einkommen. Der Wohnungsmarkt ist überhitzt.

Von Birgit Grundner, Neufahrn

Die Geschichten, die dahinterstecken, kann man nur erahnen. Aber schon die Zahl macht nachdenklich: In den Neufahrner Notunterkünften waren vergangenes Jahr auch 16 Kinder untergebracht. Denn Familien tun sich bei der Suche nach bezahlbaren Wohnungen oder auch nur einem Pensionszimmer besonders schwer, selbst wenn sie ein gesichertes Einkommen haben. "Akute oder drohende Wohnungslosigkeit reicht mittlerweile bis in die Mitte der Gesellschaft", sagen die Felizitas Schmitz und Peter Ketzer-Yilmaz von der Obdachlosenberatung der Gemeinde.

Zu ihnen kommen Menschen, die wegen Mietschulden oder einer Eigenbedarfskündigung aus ganz normalen Wohnungen ausziehen müssen, ebenso wie Bewohner - oft mit Migrationshintergrund - aus Boardinghäusern und Arbeiterunterkünften. Vergangenes Jahr wurde dort zum Beispiel eine hochschwangere Frau "vor die Tür gesetzt", wie Schmitz erzählt. Kinder würden in solchen "Wohnformen" meist nicht geduldet. Aber auch ein vorübergehender finanzieller Engpass könne zum kurzfristigen Rauswurf führen. Oft würden die Zimmer auch vom Arbeitgeber angemietet und den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt, berichtet die Sozialpädagogin weiter. Verlieren die Leute den Job, stehen sie erst einmal auf der Straße.

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:"Der Wohnungsmarkt wird immer enger"

Felizitas Schmitz kümmert sich insbesondere um Familien, die ihre Wohnung verloren haben. Weil immer mehr Menschen aus Osteuropa kommen, fällt die Verständigung oft sehr schwer.

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Sozialpädagogen bieten Unterstützung bei der scheinbar aussichtslosen Wohnungssuche

Felizitas Schmitz und Peter Ketzer-Yilmaz arbeiten mit den Bewohnern in den Notunterkünften am Fürholzer Weg und am Bahnhof nach und nach To-do-Listen ab: Sie prüfen den Anspruch auf finanzielle Hilfen, klären die Krankenversicherung und vermitteln bei Bedarf eine Schuldnerberatung. Immer wieder müssen die beiden Sozialpädagogen auch Plätze in Therapieeinrichtungen organisieren, weil die Wohnungslosen etwa an einer psychischen oder einer Suchterkrankung leiden. Und sie unterstützen die Suche nach einer neuen Wohnung, auch wenn das manchmal angesichts des überhitzten Wohnungsmarktes fast aussichtslos scheint.

Neben der Betreuung der Menschen in den Notunterkünften gehört es auch zu den Aufgaben der Sozialpädagogen, es nach Möglichkeit erst gar nicht zur Obdachlosigkeit kommen zu lassen. Oft lässt sich der drohende Verlust der Wohnung durch Verhandlungen mit Jobcenter, Vermietern und Schuldnerberatungsstellen noch abwenden. 48 Familien und Alleinstehende haben vergangenes Jahr die Beratung genutzt. Die intensive Präventionsarbeit zeigt Erfolge: Waren 2016 noch 66 Menschen in Notunterkünften untergebracht, so sind es vergangenes Jahr 47 gewesen. Zu denen, die besonders lang in den Containern blieben, gehörten Bewohner aus osteuropäischen Ländern. Sie tun sich auf dem Wohnungsmarkt äußerst schwer, vor allem wenn sie auch Kinder haben. Gerade für diese sei es eine "sehr schwierige Situation", sagt Schmitz. Die Betroffenen selbst sähen das aber oft gar nicht so: "Die Situation in der Notunterkunft wird in Kauf genommen, da der Standard in den Heimatländern oft noch niedriger ist."

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30 Personen konnten 2019 ihre Notunterkunft wieder verlassen

30 Personen - darunter acht Kinder - konnten 2019 ihre Notunterkunft wieder verlassen. Sechs von ihnen zogen in kommunal geförderte Wohnungen der Gemeinde ein. Neue Möglichkeiten bieten auch die gemeindeeigenen Einfachstunterkünfte. Wer wie umziehen darf, wird über das "Soziale Förderwohnkonzept" geregelt, zu dem auch Mieterqualifizierungsschulungen gehören. Der Umzug in eine Sozialwohnung ist nur selten eine Option: Seit sieben Jahren arbeite sie in der Obdachlosenberatung, erzählt Felizitas Schmitz, aber 2019 habe sie zum ersten Mal eine Sozialwohnung vermitteln können.

Konnte die Wohnungslosigkeit beendet oder vermieden werden, bieten die Sozialpädagogen eine Nachsorge an. 48 Haushalte haben das 2019 genutzt. Damit will man Krisen abwenden und einen erneuten Wohnungsverlust vermeiden, das ist in allen Fällen gelungen.

© SZ vom 21.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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