Städtepartnerschaften:"Die jungen Leute müssen raus in die Welt!"

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In Freising erinnert der Arpajon-Garten an die Partnerschaft mit der Geburtsstadt des Heiligen Korbinian. (Foto: Marco Einfeldt)

Braucht man Städtepartnerschaften heute noch, um die europäische Idee aufrechtzuerhalten? Und engagiert sich auch die Jugend für den Austausch? Nachfragen bei Gemeinden im Landkreis Freising ergeben ein gemischtes Bild.

Von Anna-Lena Schachtner, Freising

Wer sich kennt, bekriegt sich nicht: In dieser Hoffnung gründeten nach dem Zweiten Weltkrieg viele deutsche Gemeinden, auch im Landkreis Freising, offizielle Freundschaften mit Städten in ganz Europa. Mittlerweile ist die Welt jedoch globalisiert; Urlaubsreisen in entfernte Länder sind nichts Besonderes mehr. Städtepartnerschaften haben daher ein zunehmend angestaubtes Image angenommen.

Braucht man sie überhaupt noch, um die europäische Idee aufrechtzuerhalten? Engagieren sich noch junge Menschen für den Austausch zwischen Städten oder sind die Partnerschaften vom Aussterben bedroht? Nachfragen bei Gemeinden im Landkreis Freising zeigen ein gemischtes Bild.

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So berichtet etwa Sebastian Thaler, Erster Bürgermeister von Eching: Zwar würden regelmäßig Fahrten in die Partnergemeinden Trezzano sul Naviglio in Italien und Majs in Ungarn organisiert - das Durchschnittsalter sei dabei aber "60 plus". "Früher war das eine tolle Sache, mit dem Reisebus nach Mailand oder Ungarn zu fahren - heute lockt man damit die Leute nicht mehr hinter dem Ofen hervor." Andreas Schmid vom Partnerschaftsverein in Freising beobachtet, dass sich Jugendliche generell immer weniger für ehrenamtliches Engagement interessieren - das betrifft auch den Austausch mit Partnerstädten.

Eine Gedenktafel für die Partnerschaft Kranzbergs mit Dun-sur-Meuse, links Bürgermeister Hermann Hammerl, rechts Alfons Berger, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins (Foto: Gemeinde Kranzberg)

Ähnliches schildert Alfons Berger vom Partnerschaftsverein in Kranzberg. Dort pflegt man schon seit 1971 eine offizielle Freundschaft mit Dun-sur-Meuse in Frankreich, das ein Schauplatz der Kämpfe im Ersten Weltkrieg war. Zurzeit ist der Partnerschaftsverein dabei, die Kontakte mit den französischen Freunden nach der Pandemie wieder aufleben zu lassen. Berger hofft, dass bei der nächsten Fahrt nach Dun-sur-Meuse auch junge Bürger und Bürgerinnen dabei sein werden. Kooperationen mit Schulen durchzuführen, sei jedoch schwierig, da in der Partnerstadt schon vor Jahren das Collège mangels Schülern aufgelöst wurde.

Dass wie in alten Zeiten 40 Leute oder mehr bei Besuchen nach Frankreich mitfahren, sei heutzutage nicht mehr der Fall. Zudem habe sich die Rolle der Partnerschaften verändert: Während es in der ersten Phase um eine Aussöhnung zwischen den einstigen Erzfeinden gegangen sei, stehe dies mittlerweile nicht mehr im Vordergrund. "Leute, die 1975 oder später geboren sind, haben ein ganz anderes Europaverständnis als zum Beispiel ich", stellt Alfons Berger fest.

Alfons Berger sagt, es sei auch heute noch wichtig, dass die "kleinen Leute" - nicht nur Staatsoberhäupter - persönliche Kontakte im Ausland knüpfen. Er selbst sei als Jugendlicher bei einer Familie in Frankreich gewesen und stehe mit dieser noch immer im Austausch.

Städtepartnerschaften ermöglichen den Blick über den Tellerrand

Allerdings reisen heutzutage bereits viele junge Leute für längere Zeit ins Ausland, etwa im Rahmen des Studiums oder für ein Praktikum. Mit der Globalisierung kann man Urlaub in der ganzen Welt machen. Welchen Mehrwert können Städtepartnerschaften noch bieten? "Nicht jeder hat die Möglichkeit für ein Auslandsstudium oder eine berufliche Auslandstätigkeit", gibt Sebastian Thaler zu bedenken. Gerade für Menschen, die keinen Kontakt zu anderen Ländern hätten, könnten es Städtepartnerschaften ermöglichen, "über den Tellerrand zu gucken".

Zudem seien Besuche in Partnergemeinden ein geringerer Aufwand als etwa ein Auslandssemester, das meist ein halbes Jahr oder länger dauert, erklärt Andreas Schmid. Als Tourist zu verreisen sei außerdem etwas ganz anderes als der persönliche Kontakt mit den Menschen aus den Partnergemeinden - vor allem, wenn die Reisenden nicht im Hotel, sondern bei Einheimischen untergebracht werden. "Es entstehen Freundschaften - sogar Beziehungen und Ehen haben sich daraus entwickelt", erzählt Andreas Schmid.

Ein Besuch der Volkstanzgruppe aus Partnerstadt Innichen in Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Dass Städtepartnerschaften wertvolle Erfahrungen für junge Menschen bieten können, zeigen einige Beispiele im Landkreis: So waren erst vor einigen Monaten Schülerinnen und Schüler aus der österreichischen Partnergemeinde Waidhofen in Freising zu Gast. In der Vergangenheit wurden bereits mehrere Fußballturniere mit Jugendlichen aus allen Partnerstädten organisiert. Dies möchte Andreas Schmid im nächsten Jahr wiederholen. Außerdem seien zum diesjährigen Korbinian-Jubiläum viele Aktivitäten mit den Partnergemeinden geplant.

Auch in Marzling freute man sich in den vergangenen Jahren immer wieder über künstlerische und musikalische Projekte mit Kindern und Jugendlichen aus der italienischen Partnergemeinde San Zenone degli Ezzelini. Zwischen Hallbergmoos und dem befreundeten Predazzo in Italien würden die Kontakte ebenfalls immer intensiver, sagt Max Förg, Leiter des zuständigen Arbeitskreises. Zum Beispiel seien seit Gründung der Partnerschaft bereits etwa zehn junge Menschen aus Predazzo in Hallbergmoos gewesen, um ein Praktikum zu absolvieren und Deutsch zu lernen.

In Moosburg setzt man stark auf die Musik: So waren bei vergangenen Besuchen in Moosburg in Kärnten und im französischen Bry-sur-Marne junge Orchester aus Moosburg dabei. Für den diesjährigen Besuch der französischen Freunde möchte Partnerschaftsreferent Erwin Weber junge Musikerinnen und Musiker aus Bry-sur-Marne nach Moosburg bringen.

Auch Sport verbindet die Partnergemeinden

In Neufahrn arbeitet man mit Sportvereinen zusammen, um den Austausch mit dem italienischen Gardolo zu fördern. Vor wenigen Monaten waren etwa 20 Jugendliche für ein Schwimmturnier in Gardolo zu Gast und erst vergangenes Wochenende kam der dortige Fußballverein für ein Freundschaftsturnier nach Neufahrn. Auch junge Mitglieder vom Schützenverein und der Freiwilligen Feuerwehr seien oft an Aktivitäten mit der befreundeten Stadt beteiligt. "Es ist eine lebendige Partnerschaft", bilanziert der Vorsitzende des Partnerschaftsvereins, Hubert Hundscheid.

Insgesamt zeigt sich: Kommen keine jungen Leute nach, die Städtefreundschaften beleben, drohen die Kontakte irgendwann einzuschlafen. "Ich denke, man muss es einfach fühlen und erleben, dass man mit Menschen aus anderen Wirtschaftsräumen und Kulturen zusammenkommt", findet Andreas Schmid vom Freisinger Partnerschaftsverein. Oder um es mit den Worten von Alfons Berger aus Kranzberg zu sagen: "Die jungen Leute müssen raus in die Welt!"

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