Corona im Landkreis Freising:Gute Note für Krisenbewältigung

Lesezeit: 4 min

Ansteckungen kann man in einem Krankenhaus nicht vollständig verhindern, sagt Hygienebeauftragter Fiedler. Wohl aber gezielt minimieren. (Foto: Marco Einfeldt)

Christian Fiedler, Hygienebeauftragter im Klinikum Freising, stellt dem Landkreis für sein Corona-Management gute Noten aus. Dass der Vorrat an Schutzkleidung plötzlich nur für zwei Wochen reicht, habe keiner ahnen können.

Von Nadja Tausche, Freising

Die Lage rund um das Coronavirus hat sich beruhigt, zumindest was die Zahl der Infizierten betrifft. Christian Fiedler, Leiter der Notaufnahme und Hygienebeauftragter im Klinikum Freising, erklärt, was passieren muss damit das so bleibt - und warum der Landkreis die Krise gut gemeistert hat, obwohl die Krankenhausmitarbeiter zwischenzeitlich Schutzkittel aus Mülltüten basteln mussten.

Herr Fiedler, das Klinikum hat vergangene Woche Massentests unter den Mitarbeitern durchgeführt. Wie lief das ab?

Wir haben an einem Tag über 600 Mitarbeiter getestet. Das kurzfristig auf die Beine zu stellen, war schon eine Herausforderung: Es sollte nicht zur Grüppchenbildung kommen und musste schnell gehen. Aber es ist gut gelaufen und die Akzeptanz war hoch, viele Mitarbeiter sind sogar gekommen, obwohl sie frei hatten.

Wie geht es damit weiter?

Wer ein positives Ergebnis hat, muss in Quarantäne - genauso wie die Mitarbeiter, mit denen die Person intensiven Kontakt hatte. Das betrifft allerdings nur eine einzige Person, die positiv getestet wurde und von deren Erkrankung wir nichts wussten. Die Patienten werden bei uns sowieso alle getestet. Uns ging es darum zu prüfen, wie die Durchseuchung im Krankenhaus ist. Wir wollten Leute finden, die völlig beschwerdefrei sind und trotzdem positiv. Das sind die, bei denen man Angst hat: Sie sind ansteckend ohne es zu merken.

Freisinger Köpfe
:Auch vor Corona viel zu tun

Christian Fiedler ist im Klinikum Freising Hygienebeauftragter

Auf der Onkologie-Station hat ein infizierter Mitarbeiter kürzlich Patienten und Kollegen angesteckt, obwohl er alle Schutzmaßnahmen beachtet hat. Wie kann das sein?

Er hat tatsächlich unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen gepflegt, also mit Maske, Handschuhen und Kittel. Aber man ist beim Pflegen sehr intensiv am Patienten, muss ihn hinsetzen, ihm die Zähne putzen, und das meist über mehrere Tage hinweg. Da besteht immer ein gewisses Risiko.

Kann man Ansteckungen im Klinikum dann überhaupt verhindern?

Komplett verhindern kann man sie nicht. Aber die Schutzmaßnahmen einzuhalten ist die Grundvoraussetzung: So wird eine Ansteckung deutlich unwahrscheinlicher.

Was halten Sie von den kostenlosen Corona-Tests für alle?

Sie helfen, um allgemeine statistische Aussagen zu treffen: Wie sieht es mit der Durchseuchung der Bevölkerung aus, was haben wir derzeit für ein Ansteckungspotenzial? Aber dass der Einzelne weiß, ob er negativ oder positiv ist, das bringt nichts.

Immerhin bleibt jemand mit positivem Ergebnis dann zu Hause, was er sonst vielleicht nicht gemacht hätte.

Ja, ein paar positive Fälle wird man herausfischen. Andererseits können viele Falschnegative dabei sein: Der Test ist trotz Infektion negativ, oder umgekehrt. Und man müsste die Tests eigentlich häufig durchführen. Die Maskenpflicht halte ich dagegen für sinnvoll: Die Gefahr einer Ansteckung ist so erheblich geringer. Wenn jemand im Bus hustet, ist das für jeden ansteckend, den es trifft. Wenn er eine Maske trägt, passiert das nicht. Eine Maske reduziert das Infektionsrisiko für einen selbst nicht wesentlich - nur, wenn alle eine tragen. Es ist ein Kampf gegen den Egoismus.

Coronavirus
:So funktioniert Bayerns Jedermann-Test

Wer soll und darf sich auf das Coronavirus testen lassen? Wer nimmt die Probe und wer bezahlt? Fragen und Antworten auf die neue Corona-Strategie in Bayern.

Was wünschen Sie sich, um eine zweite Welle zu verhindern?

Die Menschen müssen weggehen von den eigenen Bedürfnissen. Die Einschränkungen belasten den Einzelnen zwar, aber die Gesamtheit der Bevölkerung hat auch Bedürfnisse. Man merkt ein gewisses Nachlassen der Aufmerksamkeit: Am Weiher zum Beispiel liegen die Menschen eng beieinander. Und vor allem in Innenräumen muss man aufpassen: Wenn 20 Leute in einem Pub sind, kann es zur Übertragung kommen, auch wenn man weit voneinander entfernt sitzt. Wir sind in einer Situation, die wir nur gemeinsam durch vernünftiges Handeln meistern können - und wir können schnell wieder viel kaputt machen.

Die Region Freising war im Bezug auf die Infiziertenzahlen einer der Corona-Hotspots. Wie hat der Landkreis die Krise Ihrer Meinung nach gemeistert?

Außerordentlich gut. Wir hatten das Glück, dass wir früh vorgewarnt waren. Wir sind in der Führungsgruppe Katastrophenschutz gut aufgestellt, und im Klinikum haben wir früh vorgesorgt: Zu Beginn der Pandemie hat uns das Gesundheitsamt angerufen und gesagt, es gebe einen positiven Fall. Am nächsten Tag kamen 18 weitere dazu. Wir haben dann sehr schnell eine Station mit 90 zusätzlichen Betten geschaffen: Als die Welle über uns hereingebrochen ist, war alles schon vorbereitet. Die Betten haben immer ausgereicht - wenn zum Teil auch nur gerade so. Was wirklich schlimm war: Wir hatten unseren Vorrat an Schutzausrüstung nach zwei Wochen aufgebraucht, er reicht sonst für ein halbes Jahr. Dann haben wir festgestellt, dass keine Firma mehr liefert. Das Landratsamt hat sich ins Zeug gelegt, hat bis nach China telefoniert - trotzdem war es sehr lange sehr knapp. Einmal haben wir Mülltüten aufgeschnitten, mit Löchern für Kopf und Arme, weil wir keine Schutzkittel mehr hatten. Und wir haben aus Laminierfolien Gesichtsschutz gebastelt - mit einem Hosengummi, um ihn vor das Gesicht zu hängen.

Hätte man das verhindern können, wenn man früher vorgesorgt hätte?

Jeder dachte, er hat genug Schutzmaterial und bestellt dann nach. Hätte man geahnt, welche Ausmaße das annimmt, man wäre auf viele Ideen gekommen - aber sicher nicht darauf, Schutzausrüstung zu kaufen. Das ist wie an der Tankstelle: Auch wenn der Ölpreis steigt, kommt niemand auf die Idee Benzin zu horten. Jetzt muss auch die Regierung ihre Hausarbeit machen: Wir sind bei diesen Produkten komplett von Indien und China abhängig, das Problem besteht weiterhin.

Viele, auch sie selbst, haben am Anfang vor Hysterie gewarnt. Hat man Corona unterschätzt?

Man hat unterschätzt, wie sich das Virus weltweit verbreitet und wie ansteckend es ist. Wir dachten, und das war der Fehler, wir kennen das Coronavirus durch die Sars-Pandemie 2002. Auch heute werden wir immer wieder überrascht: Eine Münchner Studie hat jetzt belegt, dass nur Testpersonen immun sind, die wirklich schwere Symptome hatten. Und selbst bei denen geht man davon aus, dass die Immunität bald wieder weg ist: Dass man nach einer Infektion für die Ewigkeit immun ist, stimmt wohl nicht. Das ist ein Beispiel dafür, dass man dachte man kennt Corona - so scheint es aber nicht zu sein.

© SZ vom 20.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Infektionsschutz
:Die Maske auf dem Prüfstand

Viele Forscher halten den Mund-Nasen-Schutz weiter für geboten. Dennoch gibt es Stimmen, die die Maskenpflicht abschaffen wollen - und andere, die wesentlich bessere Masken fordern.

Von Kathrin Zinkant

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: