Kranzberg:Vier seltene Lämmer auf einmal

Lesezeit: 3 min

Marion Mendel mit ihren Schafen. Mutterschaf Whisky hat am Ostersonntag Vierlinge zur Welt gebracht. (Foto: Marco Einfeldt)

Marion Mendel züchtet alpine Steinschafe und leistet damit einen Beitrag zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten Rasse. Ein kleiner Bock, der gerade bei einer Vierlingsgeburt zur Welt gekommen ist, könnte dabei auch helfen.

Von Kerstin Vogel, Kranzberg

Peter ist wohl ein Gewinner. Bis jetzt hat er in seinem wenige Tage alten Leben jedenfalls nur Schwein gehabt, wenn man das unter Schafen so sagen darf. Das lackschwarze Lamm ist am Ostersonntag zur Welt gekommen, gerade als in Kranzberg die Glocken zur Ostermesse läuteten.

Lämmer an Ostern, das ist an sich alles andere als ungewöhnlich, aber Peter ist einer von vieren; und alle haben überlebt, staksen noch ein bisschen unbeholfen auf ihrer Weide in Berg bei Kranzberg herum, aber sie sind fit - und das ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Vierlingsgeburten bei Schafen sind selten und gehen oft nicht gut aus, sagt Züchterin Marion Mendel: "Das braucht eigentlich kein Mensch."

Anfangs herrscht große Sorge um das Mutterschaf

Auch diese Geburt war nicht einfach. Dass es wohl mindestens drei Lämmer sein würden, hatte Marion Mendel schon geahnt. Zu dick war Mutterschaf Whisky, als dass eine normale Zwillingsgeburt anstehen konnte - und dann hatte das Tier bei früheren Lammungen auch schon stets für eine große Nachkommenschaft gesorgt.

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Immerhin 18 Lämmern hat sie bei sechs Geburten schon das Leben geschenkt - aber dieses Mal stand es zwischenzeitlich Spitz auf Knopf für das Muttertier: "Ich hatte wirklich Angst, sie geht mir ein, die war völlig fertig", schildert Marion Mendel die kritischen Stunden - auch wegen Peter, der so groß wie ein normales Zwillingslamm auch noch rückwärts, mit den Beinen voran, auf die Welt kommen wollte.

Für das Mutterschaf war die Geburt eine echte Strapaze - auch wenn Whisky schon einige Lammungen hinter sich hat. (Foto: Marco Einfeldt)

Für die Züchterin ist die trotz allem geglückte Geburt auch deshalb ein Geschenk, weil es nicht irgendwelche Schafe sind, die sie da hält. Peter und seine Geschwister zählen zu den alpinen Steinschafen, eine alte Nutztierrasse, die schon fast ausgestorben war, bis sich 1985 eine Handvoll Züchter ihrer annahm, um aus wenigen Exemplaren im Berchtesgadener Land, in Salzburg und Nauders in Tirol die Population wieder aufzubauen.

Eine davon ist Marion Mendel in Kranzberg. Ihr Mann Christian ist ebenfalls Schafzüchter, weiße Bergschafe, doch die alpinen Steinschafe in Berg sind Hobby und Leidenschaft der 56-Jährigen.

Die alpinen Steinschafe in Berg sind Hobby und Leidenschaft der 56-Jährigen. (Foto: Marco Einfeldt)

Insgesamt vier Böcke und 17 Mutterschafe hatte man damals, vor nun fast 40 Jahren, noch retten können, die Tiroler Schafhalter hatten kein Interesse und wollten die Tiere allesamt schlachten. Gerade noch rechtzeitig bekam die Gesellschaft zur Erhaltung gefährdeter Haustierrassen das mit, so dass es heute in Bayern wieder 60 Züchter gibt, plus zehn weitere in anderen Bundesländern. Unterstützt werden die Bemühungen um den Erhalt der alten Schafrasse unter anderem von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft.

Züchterin Marion Mendel kann viele Vorzüge der alpinen Steinschafe aufzählen. Als Lämmer sind sie zudem auch noch ziemlich süß. (Foto: Marco Einfeldt)

Im Herdbuch sind mittlerweile 1400 weibliche Tiere eingetragen, immer noch zu wenige, um eine Population sicher erhalten zu können, wie Marion Mendel bedauert - und sie gerät fast ein bisschen ins Schwärmen, wenn sie die Vorzüge dieser Schafrasse aufzählt. Genügsam seien die Tiere, handlich von der Größe, robust und sehr fruchtbar, mit einer hohen Milchleistung, sehr gute Fleischlieferanten und eben auch sehr zutraulich.

Fünf Mutterschafe hat sie derzeit, drei Jungschafe und zehn Lämmer - und ja, auch bei ihr dienen die Tiere zum Teil der Fleischerzeugung. Dass das der Weg zu einer zukunftsfähigen Tierhaltung und Ernährung ist, davon ist die 56-Jährige überzeugt: "Ein artgerechtes, schönes Leben und ein humanes Sterben, sofern sterben überhaupt human sein kann", sagt sie nachdenklich.

Die Böcke dienen in erster Linie der Fleischgewinnung

"Tierkinder" würden bei ihr niemals geschlachtet, zehn oder elf Monate dürfen auch die Böcke, die in erster Linie der Fleischgewinnung dienen, bei ihr werden. Fleisch von einem drei Monate alten Lamm, das man im Supermarkt kaufen könne, das könne eigentlich nur aus Neuseeland stammen, sagt Mendel, ebenso wie das, was in den hiesigen Gaststätten serviert werde: "Die zahlen ja unsere Preise gar nicht."

Wenn bei Schafen Vierlinge zur Welt kommen, die alle überleben, muss ziemlich sicher mindestens eines mit der Flasche ernährt werden. Marion Mendel hat schon Übung mit dieser Aufgabe. (Foto: Marco Einfeldt)

Peter ist im Übrigen möglicherweise nicht die hellste Kerze auf der Torte. Obwohl der Größte der vier Brüder, schaffte er es nach der Geburt nicht, sich gleich mal mit einem ordentlichen Schluck Muttermilch bei Mama Whisky zu bedienen. Das aber ist wichtig, weil das Kolostrum, die erste Milch nach der Geburt, wirklich nur in den ersten sechs Stunden noch die notwendige Menge an Abwehrstoffen enthält, wie Marion Mendel erklärt: "Aber der hat das einfach nicht geschnallt." Also hat sie etwas von der Muttermilch abgepumpt und dem frischgeborenen Lamm über eine Flasche verabreicht.

Und weil bei Vierlingen klar ist, dass sowieso zugefüttert werden muss, hat die Züchterin es auch gleich dabei belassen und Peter zum Flaschenkind auserkoren - offenbar nicht zu seinem Schaden.

Der kleine Bock Peter, Schönling der Familie, wird vielleicht einmal zur Zucht eingesetzt werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Mit glänzendem, sanft gelocktem schwarzen Fell ist er nach wie vor der größte und eindeutig der Schönling der Familie. Und weil er auch - das ist schon jetzt erkennbar - Hörner entwickeln wird, wie sich das für einen Kerl gehört, hat Marion Mendel die Hoffnung, dass Peter einmal als Zuchtbock angekört werden und damit seinen Beitrag zum Erhalt des alpinen Steinschafs leisten könnte. Ein kleiner Gewinner eben - und ein Gewinn auch für die alte Haustierrasse.

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