Mitten im Landkreis:Alltagslyrik statt Amtsdeutsch

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Rainer Maria Rilke, einer der einflussreichsten deutschsprachigen Lyriker im 20. Jahrhundert, in einer zeitgenössischen Aufnahme. (Foto: DPA)

Wenn sich was reimt, tut es nur halb so weh.

Kolumne von Alexander Kappen

Eine Politikerrede folgte der anderen. Und da dachte sich Philipp Fincke, wenngleich er als FDP-Bürgermeisterkandidat selbst zur Riege der Politiker zählt, dass die gut 400 Besucher des "Festes für Menschlichkeit und Toleranz" am Moosburger Viehmarktplatz nun genügend politische Reden gehört hatten. Natürlich ließ auch er es sich am Dienstagabend nicht nehmen, das Wort gegen rechte Hetze, Intoleranz, Hass und Gewalt zu ergreifen - nur halt nicht in einem banalen Redebeitrag. Fincke, offenbar eine Art Rilke der Kommunalpolitik, verpackte seine Botschaft in ein Gedicht.

Eine charmante Idee, die in anderen, von sperrigem Amts- und Behördendeutsch geprägten Bereichen unseres Alltags bestimmt nachahmenswert wäre. Man muss sich dabei ja nicht zwingend auf dem Level international anerkannter Top-Lyriker bewegen. Oft reicht es, sich auf verständlichem, bürgernahen Narrhalla-Niveau einzupendeln: Es sollte sich irgendwie reimen (Reim dich oder ich fress' dich!), der Zuhörer beziehungsweise Leser muss verstehen, was man ihm vermitteln möchte - und mit etwas Glück kommt das Ganze vielleicht auch noch annähernd locker und ungezwungen daher, so dass der Adressat sich selbst beim Überbringen nicht ganz so erfreulicher Nachrichten nicht gleich auf den Schlipps getreten fühlt. So wird etwa ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung im Straßenverkehr zur leicht verdaulichen Frühstückslektüre:

Sie wurden geblitzt, drum war's so hell

Sorry, aber Sie waren einfach zu schnell

Deshalb, lieber Herr Kappen

Müssen Sie jetzt 80 Euro berappen

Auch die jährliche Abfallentsorgungsgebühr erscheint so gleich in einem viel freundlicheren Licht:

Bei Regenwetter und bei Sonne

Die Müllabfuhr leert immer die Tonne

Sie kommt trotz Eis und Schneeflocken

Macht für's letzte Jahr 120 Ocken

Und auch die jährliche Versicherungsrechnung macht endlich wieder Spaß:

Das neue Jahr steht vor der Tür

Hier kommt Ihre Versicherungsgebühr

Die ist jetzt höher, so wie immer

Dafür zahlen wir viele Sachen nimmer

Das klingt schräg, nicht schön, nicht gut

Muss aber sein, weil's sich sonst nicht reimen tut.

Narrhalla-Marsch!

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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