Lichtverschmutzung :Die Nacht ist viel zu hell geworden

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Ein Stadtrundgang durch die Freisinger Innenstadt ist im Advent besonders stimmungsvoll. (Foto: Marco Einfeldt)

Grelle Straßenlaternen rauben auch in Freising den Menschen den Schlaf, Insekten umschwirren die Leuchtquellen so lange, bis sie vor Erschöpfung sterben. Die "Paten der Nacht" wissen, wie man das verhindern kann.

Von Charline Schreiber, Freising

So richtig dunkel ist es in einer Stadt ja nie. Bei einem Spaziergang durch die Freisinger Innenstadt zum Beispiel passieren Fußgänger immer wieder große Lichtkegel, Schaufenster werfen ihre Lichtwellen auf die Straße, Reklameschilder blinken an Türen, Säulen und Tafeln. Ein Blick nach oben lässt erkennen: Die Lichtverschmutzung der Städte verschluckt die Sterne am Himmel manchmal fast ganz.

Fehlplanung sorgt für besonders schädliche Lichtmeere bei Nacht

Lichtverschmutzung, so nennt man eine Überzahl künstlicher Lichtquellen, welche die Nacht fast zum Tag machen. Oft kommt es durch Fehlplanung zu besonders schädlichen Lichtermeeren, wie kürzlich in einer Wohnanlage der Freisinger Holzgartenstraße. In Neubausiedlung mit 21 Wohnhäusern fluteten nachts weiß-leuchtende Laternen den gesamten Wohnkomplex aus. "Das sah aus wie im Gefängnis", berichtet Hauseigentümer Christoph Liel. Die Bewohner kamen im Garten nicht zur Ruhe, sobald es dämmerte, blendete die grelle Außenbeleuchtung auch jeden, der zu nah ans Fenster oder auf die Straße trat.

Liel informierte sich und gab daraufhin ein Lichtgutachten in Auftrag. Der Gutachter, Elektroingenieur Rudi Seibt, ist Aktivist bei der Initiative "Paten der Nacht". Die Initiative setzt sich gegen die Lichtverschmutzung ein und versucht durch Aufklärung, Menschen für das Thema zu sensibilisieren. Rudi Seibt kritisiert, dass das Licht als Erlebniswelt gesehen werde, als "urbaner Schick". Denn alles, was besonders hell leuchte, wecke positive Assoziationen. Besonders darum, weil die Erzeugung von Licht in den vergangenen Jahrzehnten immer effizienter und günstiger geworden sei, werde es unersättlich genutzt, sagt Seibt.

Die Beleuchtung reduzieren, nicht abschaffen

Lichtquellen wie LEDs zum Beispiel, könnten bis zu 80 Prozent Strom einsparen. Für den Elektroingenieur ist die Lichtverschmutzung in Großstädten aber ein gravierendes Problem, dem sowohl von Seiten der Politik als auch der Bevölkerung zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde. "Es geht nicht darum die Beleuchtung abzuschaffen, sondern darum, sie drastisch zu reduzieren", betont er.

Straßenlaternen sind ein wahrer Insekten-Magnet. Zumindest, solange man sie nicht auf LED umrüstet. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Kaltes Licht mit einem hohen Blauanteil, so wie auch in der Freisinger Wohnanlage an Holzgartenstraße, beeinträchtige Flora und Fauna stark, erzählt Seibt. Besonders Insekten, die Leuchtmittel mit dieser Farbtemperatur für das Licht des Mondes halten, schwirrten lange um das Licht herum - solange, bis sie vor Erschöpfung sterben würden. An den Straßenlaternen Deutschlands sollen laut der Initiative "Paten der Nacht" alleine in einem Sommer 100 Milliarden Insekten verenden.

Dimmer und Blenden einzubauen sowie Leuchtmittel auszutauschen hilft

Aber auch der Mensch werde von Lichtfarben beeinflusst. Denn durch den höheren Blauanteil im Licht werde Melatonin unterdrückt, sagt Seibt, ein Hormon das unter anderem den menschlichen Biorhythmus steuert und den Schlaf-Wach-Zyklus reguliert. Für die viel zu hellen Leuchten in der Reihenhaussiedlung der Holzgartenstraße konnte Seibt Abhilfe-Vorschläge machen, um die Illumination zu verringern. Dazu zählte der Einbau von Dimmern, Blenden und das Austauschen von Leuchtmitteln.

Die untere Domberggasse in Freising bei Nacht. Hier wird mit dem Licht sparsam umgegangen. (Foto: Johannes Simon)

Heute ist die Beleuchtung in der Siedlung angepasst, auch durch die Umsetzung der Vorschläge durch das Lichtplanungsbüros 3lpi aus München, erzählt Hauseigentümer Christoph Liel. Das Lichtplanungsbüro wurde auch für die Beleuchtung in der Neugestaltung der Freisinger Innenstadt beauftragt. Geschäftsführer Florian Zach erklärt, dass für die Stadt Freising weit vor Beginn dieser Realisierungsmaßnahmen eine Bestands- und Bedarfsanalyse gemacht worden sei. Dafür sei geprüft worden, wie die nächtliche Lichtsprache sei, wie sich die Nachtsilhouette Freisings abbilde, welche Stadtzugänge beleuchtet werden müssten. "Wir arbeiten nach dem Prinzip, so viel Licht wie nötig und so wenig wie möglich in der Stadt zu verwenden", sagt Zach.

Gebäude müssen laut Richtlinien nachts so erscheinen wie am Tag

Der "Masterplan Licht", ein Katalog von Lichtelementen, sei 2017 fertiggestellt worden, verrät Michael Schulze, bei der Stadt Freising zuständig für die Koordination des Innenstadtumbaus. Das Planungsbüro mache der Stadt dabei Umsetzungsvorschläge. Für Fassadenbeleuchtungen beispielsweise, gebe es Richtlinien, die vorschreiben, dass Gebäude nachts so erscheinen müssen wie am Tag. Zach unterstützt diesen Gedanken nicht. "Eine Bestrahlung muss nicht unbedingt flächig sein, man darf von Gebäuden auch ein Nachtbild zeichnen".

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Oft komme es bei Fassadenbeleuchtungen dazu, dass das Licht an der Gebäudewand vorbei in den Nachthimmel strahle. Dieses Streulicht gelte es unbedingt zu vermeiden. Auch deswegen seien Kugelleuchten obsolet, Leuchtstelen sollten ausschließlich nach unten ausgerichtet sein. Wichtig sei es auch, diese Lampen zu später Stunde abzuschalten, nur so können Lichtemissionen weiter reduziert werden, so Zach.

"Mit Kommunikation kann da vieles erreicht werden"

Die Obere und Untere Hauptstraße und der Marienplatz stehen in der Hierarchie der Beleuchtungsstärke sehr weit oben, während Nebengassen sich eher unten eingliedern, verrät der Lichtplaner. Das habe auch mit der Sicherheit von Fußgängern zu tun. Zum Schutz der Natur werde in Freising in der neuen Beleuchtung warm-weißes Licht verwendet, eine Farbtemperatur, für die Insekten weniger sensibel sind. Ebenso wichtig wie eine genaue Lichtplanung, sei aber auch die Kommunikation mit Ladenbesitzern, die nachts mit Mischlicht die Straßen erhellen würden, erzählt der Geschäftsführer des Lichtplanungsbüros: "Mit Kommunikation kann da vieles erreicht werden. Sie ist ein wichtiges Mittel, um Lichtverschmutzung zu vermeiden". Oft zeigten sich die Betreiber der Geschäfte verständnisvoll, außerdem sei die Stadt Freising viel im Dialog mit den Bürgern.

Wichtig ist auch die Kommunikation mit Ladenbesitzern, die nachts mit Mischlicht die Straßen erhellen. (Foto: Johannes Simon)

Seit Mitte des Jahres enthält das Bundesnaturschutzgesetz den neuen Paragrafen 41a. Aus den knapp hundert Wörtern geht hervor, dass Beleuchtungen so realisiert werden müssen, dass diese keine vermeidbaren Auswirkungen auf das Ökosystem haben. Grenzwerte für Lichtemissionen sollen dazu beitragen und bestehende Beleuchtungen nach Maßgabe einer Rechtsverordnung um- oder nachgerüstet werden. Michael Schulze versichert, dass Beleuchtungen in Freising, die diesen Anforderungen nicht entsprechen, angepasst werden.

Jetzt zur Weihnachtszeit, sind Lichtemissionen durch geschmückte Häuserfassaden besonders präsent. Auf der Webseite www.paten-der-nacht.de geben die Aktivisten Empfehlungen für eine umweltfreundliche Weihnachtsbeleuchtung.

© SZ vom 06.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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