Kommunalwahl im Landkreis Freising:Andere Zeiten im Freisinger Kreistag

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Wer wird neuer Chef des Kreistags? Am Sonntag entscheiden die Landkreisbürger in einer Stichwahl. (Foto: Marco Einfeldt)

Dem Kreistag, der am 15. März gewählt wird, werden prägende Politiker wie Christian Magerl und Dieter Thalhammer nicht mehr angehören. Das Gremium wird mit der AfD umgehen und möglicherweise auch sparen müssen.

Von Peter Becker, Freising

Den richtigen Zeitpunkt für den Abschied zu finden, seinen Ämtern zu entsagen, das fällt oft schwer. Dieter Thalhammer (SPD) und Christian Magerl (Grüne), dominierende Figuren der Landkreispolitik in den vergangenen Jahrzehnten, halten diesen Augenblick für sich jetzt für gekommen. Beide ziehen sich sukzessive aus der Politik zurück, werden im nächsten Kreistag nicht mehr dabei sein. Thalhammer gehörte ihm seit 1976, Magerl seit 1990 an. Und noch eine gravierende Änderung steht dem am 15. März zu wählenden neuen Kreistag bevor: Mit der AfD wird aller Voraussicht nach eine neue Partei in das Gremium einziehen.

Thalhammer und Magerl führten verschiedene Wege in den Kreistag. Der spätere Freisinger Oberbürgermeister war 1976 noch Verwaltungsangestellter bei der Gemeinde Eching, als er als dritter Nachrücker der Sozialdemokraten auch Kreisrat wurde. Magerl startete fulminant. Als Landratskandidat der Grünen im März 1990 holte er für seine Partei knapp 30 Prozent bei den Kommunalwahlen. "Ein gigantisches Ergebnis", erinnert sich Magerl. Zumindest gemessen an den damaligen Verhältnissen: Im Kreistag erreichten die Grünen erstmals Fraktionsstärke.

Beide Kreisräte verfolgten das Wirken von vier Landräten mit: Ludwig Schrittenloher (CSU), Manfred Pointner, Michael Schwaiger (beide Freie Wähler) und Josef Hauner (CSU). Ersteren schätzten beide sehr. "Er war sehr souverän", beschreibt ihn Thalhammer. Und er habe immer die Meinung anderer Leute gelten lassen. "Ein feiner und fairer Landrat", lobt auch Magerl Schrittenloher rückblickend. Anfang der 90er-Jahre waren die Grünen noch eine junge Partei, deren Existenz nicht von allen Etablierten, insbesondere nicht von der CSU, geschätzt wurde. "Er hat uns immer fair behandelt", erinnert sich Magerl. Ganz im Gegensatz zu anderen Landkreisen. Von Parteikollegen hatte er gehört, dass diese in den jeweiligen Kreistagsgremien oft "gehunzt" worden seien.

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Der Kreistag sei "bunter" geworden, sagt Christian Magerl

Als positiv empfindet es Magerl, dass der Kreistag "bunter" geworden ist. Früher sei die CSU dominierend gewesen. Mittlerweile sei das Spektrum erweitert. ÖDP, Freisinger Mitte (FSM) und Freisinger Linke seien dazu gekommen. "Alles ist viel offener geworden", sagt Magerl. Thalhammer stellt für sich fest, dass er mit den verschiedenen Fraktionen im Kreistag immer gut zurecht gekommen ist. Nur mit populistischen Aussagen habe er sich schwer getan. Er selbst habe keine Probleme mit den Grünen im Kreistag gehabt. Insbesondere mit Magerl habe es sich gut arbeiten lassen. "Er ist kein Extremer", urteilt Thalhammer. Was den Flughafen im Erdinger Moos anbelangt, herrschte im Kreistag Einigkeit. Vermeiden ließ er sich nicht mehr, doch die Mehrheit im Kreistag lehnt einen weiteren Ausbau ab.

"Mit niemand hat es Streit gegeben", zieht Thalhammer für sich eine Bilanz. Auch nicht mit den Rechtsauslegern von den Republikanern, die kurzzeitig Plätze im Kreistag okkupiert hatten. "Die zwei Republikaner sind nicht aufgefallen", sagt Thalhammer. "Die saßen meist schweigsam da", pflichtet Magerl seinem SPD-Kollegen bei. Letztendlich hätten sich die Republikaner zügig in ihre Einzelteile zerlegt.

Wie umgehen mit der AfD, die wohl erstmals in den Kreistag einzieht?

In den neuen Kreistag, der sich im Mai konstituieren wird, dürfte erneut eine Partei aus dem rechten Spektrum einziehen. Wie viele Sitze die AfD für sich gewinnen kann, da gehen die Meinungen auseinander. CSU-Kreisvorsitzender Florian Herrmann sagte jüngst bei einer Pressekonferenz, er rechne insgeheim mit sieben AfD-Kreisräten. Die hätten dann Fraktionsstatus. Seine Rechnung gründet auf den Ergebnissen der Landtagswahl 2018. Thalhammer hält das für zu hoch gegriffen. Er sieht im Landkreis nicht das Protestpotenzial dafür. "Uns geht es gut, wir können uns nicht beschweren", begründet er das. Krasse "Auswüchse" wie in anderen Bundesländern oder Städten gebe es im Landkreis Freising nicht.

Magerl hofft, dass es die AfD nicht auf sieben Kreisräten bringen wird. Immerhin wäre das ein Zehntel der Mitglieder des Kreistags. Diese Partei habe - den ganzen Landkreis betrachtet - keine breite Basis. Er vergleicht das mit der Situation der Grünen vor 30 Jahren, die zwar damals in der Stadt Freising ihre Unterstützer hatten, denen aber der Rückhalt auf dem Land fehlte. Gerade in jüngster Zeit sind neue Ortsverbände der Grünen auch in ländlichen Gemeinde förmlich wie Pilze aus dem Boden geschossen. Gut möglich, dass die Grünen in den nächsten Kreistag mehr als die aktuell 13 Räte entsenden werden. Ein weiteres Beispiel ist für Magerl die FSM. Die habe in Freising eine gute Basis, aber nicht im Hinterland.

Wie nun mit der AfD umgehen? "Die AfD ist eine zugelassene Partei", stellt Thalhammer fest. Deshalb müsse man sie korrekt behandeln, den Kontakt aber nicht unbedingt suchen. Insofern sieht Thalhammer keine Probleme. "Eine schwierige Geschichte", findet Magerl, schließlich seien deren Vertreter demokratisch gewählt. Von einer Zusammenarbeit rät er ab, das verbiete sich von selbst. Magerl empfiehlt dem neuen Landrat und seinem Mitarbeiterstab, sich auf die konstituierende Sitzung des Kreistag im Mai besonders gründlich vorzubereiten. Magerl geht davon aus, dass sich die AfD wie andernorts auf höherer Ebene bemühen werde, das demokratische System zu sabotieren.

Für den Landkreis stehen Millionenausgaben an

Was die Finanzen angeht, hat der Landkreis in der vergangenen Dekade aus dem Vollen schöpfen können. Die Einnahmen sprudelten. Thalhammer allerdings fürchtet, dass die fetten Jahre aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung spätestens 2022 vorbei sei könnten. Der Landkreis muss aber in naher Zukunft den Ausbau des Berufsschulzentrums an der Wippenhauser Straße, die Überplanung des Klinikumgeländes nebst Wohnungen für die Angestellten sowie einer Kindertagesstätte und der Etablierung einer zweiten Außenstelle des Landratsamts auf dem Gelände der ehemaligen General-von-Stein-Kaserne stemmen. Dazu kommen Wünsche im öffentlichen Nahverkehr, wie etwa Expressbusse. Das alles kostet viele Millionen. Thalhammer sieht deshalb den neuen Landrat gefordert, plausibel zu machen, was sich der Kreis leisten kann und was nicht. Gegebenenfalls müsse die Kreisumlage wieder steigen. "Mit einem kleinen Haushalt zu wirtschaften, ist schwieriger als mit einem großen", pflichtet Magerl bei.

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Thalhammer empfindet den Kreistag mit 70 Mitgliedern als zu groß. 40 wären seiner Meinung nach angemessen, sagt er angesichts der Tatsache, dass manche Räte sich die ganzen sechs Jahre über kaum einbrächten. Magerl wiederum ist der Ansicht, dass durch diese Zahl die Regionen des Landkreises gut vertreten sind.

Nicht nur für Thalhammer und Magerl stehen die Zeichen auf Abschied. Etliche altgediente Kreisräte treten am 15. März nicht mehr zur Wiederwahl an. Sie wollen Jüngeren Platz machen. Bei der CSU handelt es sich um Paul Bauer (Gammelsdorf), Mariele Klose, Rosa Westermaier (beide Au) und Ernestine Rottmair (Kranzberg). Angelika Werner-Ripperger (Moosburg) und Barbara Prügl verzichten bei den Grünen. Letztere konzentriert sich auf ihren Wahlkampf um das Bürgermeisteramt in Au. Die aktuellen Kreisräte der Freien Wähler, Freisinger Mitte, ÖDP, FDP und Freisinger Mitte stehen allesamt wieder auf dem Stimmzettel für die Kreistagswahl.

Die Freisinger SZ hat in einer Serie zur Kommunalwahl in den vergangenen Wochen Analysen der politischen Situation aus allen 24 Kommunen des Landkreises zusammengetragen, die in den kommenden Tagen noch um Themen der Kreispolitik ergänzt wird. Online sind alle Folgen sowie weitere Berichte und Reportagen zur Kommunalwahl auf der Homepage der SZ: www.sueddeutsche.de/thema/Kommunalwahl_in_Freising nachzulesen.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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