Das Ende des Zweiten Weltkriegs:Todesmärsche im Freisinger Land

Gedenkfeier des VVN - Bund der Antifaschisten in Tüntenhausen

Auf dem Friedhof in Tüntenhausen liegen zwei Häftlinge begraben, die nach dem Krieg bei einem Todesmarsch ums Leben gekommen sind.

(Foto: Veronica Laber)

Der Hallbergmooser Karl-Heinz Zenker hat ein Buch über das Leid von KZ-Insassen kurz nach Kriegsende verfasst.

Von Peter Becker, Hallbergmoos

75 Jahre ist es her, dass sich der Zweite Weltkrieg seinem Ende zu neigte. Die Nationalsozialisten mussten ihre Niederlage erkennen. Um die Gräuel in den Konzentrationslagern zu vertuschen, schickten sie Tausende von deren Insassen auf Todesmärsche. Viele Häftlinge überlebten die Strapazen nicht. Der Hallbergmooser Heimatforscher Karl-Heinz Zenker hat sich in den vergangenen Jahren auf Spurensuche begeben. In seinem etwa 120 Seiten umfassenden Buch "Die Opfer der Todesmärsche im Landkreis Freising im Frühjahr/Sommer 1945" zeichnet er die Routen nach, welche die Häftlinge in Richtung Dachauer Konzentrationslager zu bewältigen hatten, schildert deren Leiden und beschreibt Einzelschicksale.

"Dieses Buch soll dazu beitragen, das Geschehene darzustellen und eine Erinnerungskultur ins Leben zu rufen", beschreibt Zenker sein Motiv, ein Buch über die Todesmärsche im Landkreis Freising zu schreiben. Mahnmale, Gedenktafeln oder Grabkreuze sollten zur Mahnung dienen, dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen. Als ersten Anfang dafür benennt Zenker den Grabstein auf dem Friedhof in Tüntenhausen. Dort liegen auf der Flucht erschossene Häftlinge zusammen mit SS-Soldaten in einem gemeinsamen Grab. Seit dem Jahr 2015 gibt es dort einen Gedenkstein mit den Namen der Getöteten. Diese hatte der Politologe Guido Hoyer bei Nachforschungen in Erfahrung gebracht. Von ihnen existierten bis dahin nur Nummern. Es gehörte zur Strategie der Nationalsozialisten, den Häftlingen ihre Namen zu nehmen. Bei den Opfern handelt es sich wie Hoyer in Erfahrung gebracht hatte, um den polnischen Landwirt Adolf Lodowski und den Russen Sergej Petrow. Seit dem Jahr 2016 gibt es in Hallbergmoos einen Gedenkstein nebst Infotafel.

Zenker arbeitete mit Berichten Geistlicher, Sterbebüchern und dem International Tracing System

Zenker hat für das Buch ein umfangreiches Quellenstudium betrieben. Da gab es zum einen Berichte, die örtliche Pfarrer auf Anweisung des Erzbischöflichen Ordinariats anlässlich des Einzugs der amerikanischen Soldaten verfasst hatten. Die Geistlichen erwähnten dabei auch die Todesmärsche durch ihre Gemeinden. Als weitere Quellen dienten ihm Sterbebucheintragungen der Städte und Gemeinden sowie Meldungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs, die sich im International Tracing System ( ITS) in Bad Arolsen befinden. Dort können Häftlingsschicksale recherchiert werden. Weitere Quellen waren die Unterlagen der französischen Umbettungsdelegation aus den Jahren 1955/58 sowie das Sammelblatt des Historischen Vereins Freising. Die Sterbebucheintragungen des Standesamtes Freising hat der Heimatforscher anhand der Unterlagen der KZ-Gedenkstätte Buchenwald verifiziert. Todesmärsche bewegten sich aus den Konzentrationslagern in Buchenwald, Herbruck und Flossenbürg durch den Landkreis Freising sowie des Straubinger Zuchthauses Richtung Dachau. Von Abens bis Unterzolling, es gibt im Landkreis Freising kaum eine Gemeinde oder eine Ortschaft, durch die sich nicht Marschkolonnen von Häftlingen bewegten. Begleitet wurden sie von Wachpersonal, das den erschoss, der den Strapazen nicht mehr gewachsen war.

Zenker geht in seinem Buch auf die Schicksale des niederländischen Rechtsanwalts Johann Backhuysen-Schuld sowie des französischen Bürgermeisters Albert Labro ein. Ersterer hatte sich am 2. Mai 1945 ins Erchinger Schloss gerettet. Drei Wochen später starb er im Hospital auf dem Freisinger Domberg an allgemeiner schwerer Erschöpfung und Kreislauflähmung. Labro war Bürgermeister der französichen Stadt Longwy gewesen. Er starb am 8. Mai 1945 in Hallbergmoos.

Die während der Märsche erschossenen Häftlinge wurden laut Zenker durch Bestattungstrupps mehr oder weniger notdürftig verscharrt. Nach Kriegsende veranlassten die Amerikaner oder die Landratsämter die Umbettung der Leichen auf Friedhöfe der Gemeinden. Andere Häftlinge fanden nach weiteren Umbettungsaktionen auf dem Dachauer Waldfriedhof oder in die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ihre letzte Ruhestätte.

Karl-Heinz Zenker: Die Opfer der Todesmärsche im Landkreis Freising im Frühjahr/Sommer 1945. Books on Demand, ISBN: 9 783750431515

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: