Schrecken der Vergangenheit:Erinnerung an die Todesmärsche

Alte Schule Volkmannsdorf

Kinder und Jugendliche haben im alten Volkmannsdorfer Schulhaus die Schritte der Häftlinge hören können, die auf ihrem Weg zum Dachauer Konzentrationslager durch die Gemeinde Wang zogen.

(Foto: Lukas Barth)

Heimatforscher organisieren in Volksmannsdorf eine Gedenkveranstaltung, denn dort zogen 1945 Elendsgestalten aus Konzentrationslagern und dem Straubinger Gefängnis auf dem Weg nach Dachau durch

Von Peter Becker, Wang

Ein kleine Gruppe Gleichgesinnter aus der Gemeinde Wang hält am Freitag, 28. April, in der Pfarrkirche Sankt Laurentius in Volkmannsdorf eine Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an die Todesmärsche durch den Landkreis Freising am Ende des Zweiten Weltkriegs ab. Beginn ist um 19 Uhr. Dabei wird insbesondere an sieben Häftlinge erinnert, die bei Volkmannsdorf ermordet wurden. Die Initiatoren, darunter der Wanger Heimatforscher Josef Schlecht, wollen der vielen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenken sowie ein Zeichen für den Frieden und gegen Hass, Krieg und Vertreibung setzen.

Schlecht selbst hat sich mit der Geschichte von Todesmärschen aus den Konzentrationslagern in Hersbruck und Flossenbürg durch die Gemeinde Wang beschäftigt. Ziel der Kolonnen war das Dachauer Konzentrationslager. Dazu kam ein Häftlingsmarsch von der Justizvollzugsanstalt Straubing. Absicht war, den Alliierten keine Gefangenen in die Hände fallen zu lassen. Schlecht stützt sich dabei auf einen Aufsatz des Hallbergmooser Heimatforschers Heinz Zenker, den dieser in einer Ausgabe des Magazins Fink veröffentlicht hat. Diesen ergänzte er mit Informationen und Zeitzeugenberichten aus den Ortschaften Volkmannsdorf, Isareck, Thalbach, Wang und Zieglberg. Schlecht zitiert Quirin Zacherl, den damaligen Pfarrer von Volkmannsdorf. Dieser berichtet, dass am 29. April, kurz vor Abschluss des Waffenstillstands, bis zu 4000 Gefangene aus dem Straubinger Gefängnis durch die Gemeinde zogen.

Die Begleitmannschaft erschoss angeblich sieben Sträflinge, weil sie so erschöpft waren, dass sie nicht mehr schnell genug marschieren konnten. Laut Schlecht liegt diese Stelle an der heutigen Staatsstraße 2054 zwischen Volkmannsdorf und Isareck. Die Mörder verscharrten die Leichen etwas abseits im sogenannten Hundsgraben. Dieser, östlich des Schlosses Isareck gelegen, diente vor Jahrhunderten als Zufahrt zum Isarübergang.

Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten Dorfbewohner auf Geheiß der Amerikaner die Toten umbetten und im Friedhof der Kirche Sankt Laurentius begraben. Laut Schlecht lag ihre mit einem Grabkreuz versehene Ruhestätte auf der Nordostseite des Friedhofs. "Das Grab in Volkmannsdorf war mit Abstand das Würdigste, das in den Akten der Stiftung KZ-Gedenkstätten in München zu finden war", schreibt Schlecht in der Ankündigung zu der Gedenkveranstaltung. Ein französisches Umbettungskommando hat die sterblichen Überreste nach Angaben des Wanger Heimatforschers am 19. Mai 1958 exhumiert. Sie haben in der Gendenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg ihr letzte Ruhestätte gefunden.

Der Häftlingszug kam an der Volkmannsdorfer Volksschule vorbei. Zeitzeugen erinnern sich laut Schlecht noch heute an die schleifenden, schlurfenden Geräusche der vorbeiziehenden Elendsgestalten. Dem Zug voraus gingen SS-Soldaten in ihren schwarzen Uniformen, begleitet war er von Wachsoldaten. Der erste Teil des Zuges sei in einem besonders erbärmlichen Zustand gewesen.

Gegenüber der Schule und des Pfarrhofs befanden sich nach Angaben von Schlecht ein Kolonialwarengeschäft und die Bäckerei Brunner. Zwei Häftlinge flohen unerkannt. Sie kamen bei der Familie Brunner unter, die sie versteckte und ihre Häftlings- gegen unauffällige Zivilkleidung austauschte. Der damals zehnjährige Jakob Brunner erinnert sich daran, dass er versucht hatte, die hungernden und dürstenden Häftlinge mit Wasser zu versorgen. Dies verhinderten die Begleitmannschaften mit ihren Karabinern. Ein damals Dreijähriger weiß noch, dass Gefangene aus einem Brunnen trinken wollten. Auch das verhinderten die Wachmannschaften, die ob ihrer Hartherzigkeit von den Dorfbewohnern beschimpft wurden. Auch sollen sie auf das Begleitpersonal eingeschlagen haben.

Der Häftlingsmarsch zog dann über Zieglberg weiter nach Moosburg. Franziska Schlecht wohnte in dem Dorf in einem Haus auf dem Gelände der Firma Kohn. Sie habe immer wieder versucht, den Gefangenen Wasser, Brot oder Kartoffeln zuzustecken, berichtet Josef Schlecht. Dabei sei sie immer wieder mit den Worten "pass auf, die nehmen dich sonst mit nach Dachau", ins Haus zurückgerissen worden.

Auf dem Weg nach Moosburg übernachtete ein Elendszug rechts der Staatsstraße 2085 in der Nähe der Wittibsmühle. Zeitzeugen berichteten von schrecklichen Geräuschen, Jammern und Schreien, das sie dort wahrgenommen hatten.

Josef Schlecht ist es ein persönliches Anliegen, "mit solchen Dokumentationen an die Schrecken der Vergangenheit zu erinnern und diese in der Jugend wachzuhalten". Er sieht es als Verpflichtung der Gesellschaft an, diese Erinnerungskultur zu pflegen und der Opfer von Terror, Krieg und Gewalt in würdiger Weise zu gedenken. "Krieg kennt nur Verlierer", mahnt Schlecht. Die ökumenische Gedenkfeier halten Otto Pauer von der katholischen und Martina Weise von der evangelischen Kirche.

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