Das 1,6-Millionen-Projekt:Ein Stück Moosburger Stadtgeschichte wiederbeleben

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"Leichen oder einen Goldschatz" habe man bei den archäologischen Grabungen in seinem Haus nicht entdeckt, sagt Johannes Becher. Dafür hat er in einer Mülltonne in dem Gebäude alte Zeitungen aus den 1980er Jahren gefunden. (Foto: Marco Einfeldt)

Johannes Becher will noch im Frühjahr mit der Sanierung des alten Hudler-Hauses beginnen. 2024 will er dort einziehen. Der Zeitplan ist sportlich, das finanzielle Risiko hoch.

Von Alexander Kappen, Moosburg

Noch sieht das alte Haus an der Leinbergerstraße 2 in Moosburg so aus, wie es in den vergangenen Jahren immer ausgesehen hat. Das baufällige Gebäude wird mit einem Gerüst und Planen abgesichert, es ist alles andere als eine Zierde für die Stadt. Doch das wird sich ändern. "Meiner Bank habe ich gesagt, dass ich am 1. Januar 2024 in das Haus einziehe - und dabei bleibe ich", sagt Johannes Becher. Der Grünen-Stadtrat hat das mindestens 500 Jahre alte Gebäude, das auch als "Haus am Gries" oder "Hudler-Haus" bekannt ist, gekauft und will es sanieren. Noch ist die Baugenehmigung nicht da, aber er sei zuversichtlich, Ende April mit den Arbeiten anfangen zu können, sagt Becher.

Das baufällige Gebäude wird mit einem Gerüst und Planen abgesichert, es ist alles andere als eine Zierde für die Stadt. (Foto: Marco Einfeldt)

Beim Ortstermin am Montagnachmittag merkt man, warum sich der 33-Jährige dieses aufwendige Unterfangen, das mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden ist, aufbürdet. Er brennt für die Sache, will helfen, ein Stück Stadtgeschichte zu bewahren. Und als ob er mit der Sanierung, der ganzen Planung, den Zuschussanträgen und was sonst noch alles so dran hängt, nicht schon genug zu tun hätte, forscht Becher nebenbei weiterhin über die Menschen nach, die einst in dem Gebäude gewohnt haben. So erzählt er mit Begeisterung vom Nachtwächter Seidl, der im 19. Jahrhundert in dem Haus gelebt hat und es mit seinen beruflichen Pflichten offenbar nicht immer ganz so genau genommen hat.

So finden sich im Stadtarchiv Akten, in denen Beschwerden gegen den Nachtwächter vorgebracht werden, weil er nach Dienstbeginn um 22 Uhr noch im Wirtshaus gesessen sein soll. Ein anderes Mal soll ihm ein Großbrand auf mehreren Höfen im benachbarten Mauern entgangen sein, bei dem die Moosburger hätten zu Hilfe eilen können - wenn es der Nacht- und Turmwächter Seidl denn bemerkt oder ernst genommen hätte.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Johannes Becher erforscht auch die Geschichte des Hauses und seiner Bewohner im Stadtarchiv.

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(Foto: Marco Einfeldt)

1,6 Millionen Euro wird die Sanierung des über 500 Jahre alten Hauses im Stadtzentrum wohl kosten.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Die Bausubstanz ist schlecht, auch die Elektrik ist nicht mehr auf dem neuesten Stand.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Schätze habe man bei den archäologische Grabungen im Erdgeschoß leider nicht gefunden, sagt Johannes Becher.

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(Foto: Marco Einfeldt)

Es gibt noch viel zu tun. Dabei will Johannes Becher schon Anfang 2024 dort einziehen.

Becher ist, wenn man es so formulieren will, das genaue Gegenteil: Er nimmt das ehrgeizige 1,6-Millionen-Euro-Projekt, das er da begonnen hat, sehr ernst und setzt es zielstrebig Schritt für Schritt um. Nachdem der Stadtrat im Juni seine Zusage für einen Zuschuss über 200 000 Euro gegeben hat - weitere 400 000 Euro sollen vom Landesamt für Denkmalpflege und von der Regierung von Oberbayern fließen -, machte sich Becher ans Werk.

Im August wurde eine Notsicherung am Dach angebracht, Bleche sorgen nun dafür, dass es nicht mehr bis ins Erdgeschoss durchregnet, so wie es die vergangenen 25 Jahre der Fall war. Im Oktober fand ein Ortstermin mit dem Landesamt für Denkmalpflege statt, "um den Bauantrag zu verfeinern", wie Becher sagt. Der Antrag wurde im November eingereicht.

Eine Genehmigung liegt zwar noch nicht vor, weil der Denkmalschutz mit seiner Stellungnahme ein wenig länger gebraucht habe, so Becher. Aber am Montag habe er vom Landratsamt die Auskunft bekommen, dass die Stellungnahme da und offenbar im Sinne der Vereinbarungen vom Oktober ausgefallen ist.

Auch das Landesamt für Denkmalschutz redet mit. (Foto: Marco Einfeldt)

Im Januar nahm das archäologische Büro Anzenberger & Leicht seine Arbeit im Haus auf, um dort an vier Stellen Grabungen vorzunehmen. Eine weitere soll im Garten folgen, sobald der wild gewachsene Kirschbaum, der im Weg steht, entfernt ist. Bisher haben die Archäologen, die laut Becher "reibungslos und zügig" gearbeitet haben, keine spektakulären Funde gemacht und "weder Leichen noch einen Goldschatz entdeckt". Als Interessierter an der Moosburger Geschichte sei das einerseits schade, weil besondere Funde immer spannend seien. Als Bauherr sei das aber gut, weil sich die Arbeiten nicht verzögerten.

Im verwilderten Garten wollen sich die Archäologen noch genauer umschauen. Aber erst muss ein Kirschbaum weg. (Foto: Marco Einfeldt)

Weil das Haus nach hinten abrutscht und Risse hat, sollen 29 Löcher gebohrt und das Gebäude mit einer Mikropfahlgründung stabilisiert werden. Ansonsten stehe das Jahr 2022 im Zeichen der Außenhülle, so Becher. Neben der Fassadensanierung soll auch der Dachstuhl ertüchtigt werden, mit Originalbalken, wo immer es möglich ist. Auf der kompletten Südseite des Daches, die kaum einsehbar ist, soll eine ziegelrote Photovoltaikanlage installiert werden. Das sei etwas ganz Neues am Markt und koste entsprechend mehr, so Becher: "Aber das will ich unbedingt machen, um die Ästhetik eines Denkmals und die Energiewende in Einklang zu bringen."

Weil das Gebäude nach hinten abrutscht, soll es stabilisiert werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Als nächster Schritt stehen jetzt die Ausschreibungen auf dem Programm, die aufgrund der öffentlichen Zuschüsse notwendig sind. Am Montag war eine Elektrofirma im Haus, um bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses zu helfen. Becher hofft, noch im Februar die ersten Gewerke ausschreiben zu können. Er würde sich freuen, "wenn sich fachkompetente Firmen aus der Region mit Angeboten beteiligen, mit denen ich meinen Kostenrahmen einhalten kann - Firmen, die bei einem Projekt mitmachen wollen, das nicht 08/15 ist, können sich also gerne melden".

© SZ vom 08.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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