Obazde:Wie Käsereste zum Brotzeit-Klassiker wurden

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Nichts geht über eine gute bayerische Brotzeit, wenn man Probleme zu besprechen hat. Minister Florian Herrmann hat zu seinen traditionellen sommerlichen Blaulichtgesprächen am Montag zunächst die Polizeichefs des Landkreises eingeladen. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Obazde verdankt seine Popularität einer Freisinger Wirtin. Sie soll ihn "zum Schafkopfen und Tarocken" serviert haben. Das war vor ungefähr einem Jahrhundert. Warum er seitdem nicht mehr aus der bayerischen Küche wegzudenken ist.

Von Francesca Polistina, Freising

Die Geschichte der Kulinarik ist voll von glücklichen Zufällen. Die Laugenbreze, so besagt die Legende, war als süßes Gebäck gedacht, bis sie jemand aus Versehen mit Natronlauge statt mit Zuckerwasser glasierte. Die Weißwurst sollte eine normale Wurst werden, doch zur Hand hatte der Wirt in dem Moment nur die Schweinedärme. Also machte er aus der Not eine Tugend.

Und der Obazde, um beim Thema bayerischer Küche zu bleiben, entstand ausgerechnet aus Käseresten. Diese landeten nicht sofort im Müll, wie es heute vielleicht der Fall gewesen wäre, sondern wurden gemischt, gewürzt und natürlich weiter serviert.

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Über die Geschichte des Obazdn ist viel überliefert worden. Man weiß zum Beispiel, dass man irgendwann in der bayerischen Gastronomie - insbesondere im Süden des Freistaates, wo auch Weichkäse produziert wurde - begann, stark gereiften Camembert und Brie mit anderen Zutaten zu vermischen und zu verarbeiten, um sie weiterhin verzehren zu können. Wo die berühmte Käsemischung mit Paprikapulver und leicht pikantem Geschmack genau entstanden ist, ist wie oft in der Geschichte der Küche schwierig zu beweisen. Das Bräustüberl Weihenstephan in Freising reklamiert aber die Urheberschaft für sich. Denn zumindest seine Popularität hat der Obazde Katharina Eisenreich zu verdanken, von 1920 bis 1958 Wirtin des Freisinger Bräustüberls. Sie dürfte ihn "über die bayerischen Grenzen hinaus" bekannt gemacht haben, wie selbst im Register des Deutschen Patent- und Markenamtes (dpma) zu lesen ist.

Nach Quellenangaben soll die leidenschaftliche Wirtin bereits in den Zwanzigerjahren den hellorangen Käse serviert haben, also vor mehr oder weniger einem Jahrhundert, obwohl die genauen Zeitangaben nicht bekannt sind. Im dpma-Register steht, dass sie "ihren Frühschoppen- und Brotzeit-Gästen zum Schafkopfen und Tarocken" eine Portion Obazdn auf den Tisch stellte. Zusammen damit wurden auch die Brezen serviert, wie der heutige Wirt des Bräustüberls Weihenstephan, Thierry Willems, sagt. Die Gäste waren offenbar so begeistert, dass sie nicht nur in das Stüberl zurückkamen, sondern von dem leckeren Käse weitererzählten. Seitdem ist der Obazde aus den bayerischen Brauhäusern nicht mehr wegzudenken.

Thierry Willems, Pächter vom Bräustüberl Weihenstephan in Freising, warnt vor sinkenden Umsätzen. (Foto: Marco Einfeldt)

Das 1891 errichtete Bräustüberl Weihenstephan, hoch auf dem "Nährberg" in Freising, ist nicht mehr die kleine Gaststätte der Zwanzigerjahre. Mit der Entwicklung der Staatsbrauerei Weihenstephan zum Zentrum der Brautechnologie wuchs seine Bekanntheit, 1931 wurde der Biergarten angebaut, in den Achtzigerjahren wurde es erweitert und renoviert. In den Räumen der Traditionsgaststätte hört man neben dem Deutschen auch Englisch und andere Fremdsprachen. Die Traditionen werden aber gut gepflegt.

So erinnert ein Schild gleich nach dem Eingang in die Gaststätte an die Ursprünge des Käses, "die Heimat des Obazdn" steht darauf großgeschrieben. Wirt Thierry Willems sagt, der Obazde gehört natürlich immer noch zu den meistbestellten Gerichten im Stüberl. Er bietet ihn auch in Variationen an, etwa mit Bärlauch im Frühling oder sogar Basilikum im Sommer. Da verliert der Obazde seine typische hellorange Farbe und wird grün. Am gefragtesten sei aber das normale Rezept. Obwohl man vielleicht sagen sollte: das Rezept nach den Vorgaben.

Eine breiige Masse heißt auf Bayrisch "Batz

Seit Juni 2015 sind die Namen "Obazda" und "Obatzter" gemäß einer EU-Verordnung als geografische Angabe geschützt. Der Käse darf nur in Bayern hergestellt werden (obwohl die Zutaten nicht aus Bayern stammen müssen) und muss bestimmte Zutaten enthalten: ein Anteil an Camembert und/oder Brie von 40 Prozent und zusätzlich wahlweise Romadur, Limburger oder Frischkäse. Der Gesamtanteil an Käse muss am Ende mindestens die Hälfte des Produktes betragen. Weitere verpflichtende Zutaten sind Butter, Paprikapulver oder Paprikaextrakt und Salz.

Manche Zutaten wie Camembert, Brie, Frischkäse, Butter und Paprikapulver sind verpflichtend. Die anderen wie Zwiebel und Kümmel sind fakultativ. (Foto: Marco Einfeldt)

Als erstes, sagt der Wirt, soll der Käse zu einer Masse verarbeitet werden, worauf der Name selbst hindeutet. Batz beschreibt auf Bayrisch eine breiige Masse, das Wort "Obazda" beschreibt das Herstellungsverfahren, nämlich das Zerdrücken und Mischen von Zutaten zur Herstellung einer cremigen Masse. Willems Rezept sieht so aus: Auf ein Kilo Brie oder Camembert kommen 150 Gramm Frischkäse Natur, 70 Gramm Butter, 15 Gramm Paprikagewürz und 120 Gramm weiße Zwiebeln, die klein geschnitten und am besten gut gewaschen sein sollen, um den Zwiebelsaft und dadurch den "aggressiven" Geschmack zu reduzieren.

Um das Ganze streichfähiger zu machen, eignen sich 10 Zentiliter Vitus Weizenbock oder Weißbier. Eine Prise Salz und Pfeffer, eine Prise gemahlener Kümmel und eine Prise frischer Kümmel vervollständigen das Ganze. Für die Bärlauch-Version soll hingegen das Paprikagewürz durch 80 Gramm gehackten Bärlauch und 60 Gramm gehackte Petersilie ersetzt werden. "Als Garnitur eignen sich unter anderen ein Salatbouquet, Schnittlauch, Salzstangen und rote Zwiebeln, die milder sind als die weißen", sagt Thierry Willems. Ein kräftiges Bauernbrot oder ein Roggenmischbrot passen dazu et voilà: Ein Klassiker der bayerischen Küche ist serviert.

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