Umwelt:TU-Forscher lösen Rätsel um tote Forellen in der Isar

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Das Rätsel um das mysteriöse Bachforellensterben in der Isar ist gelöst. (Foto: Robert Haas)
  • Ein Forscherteam der Technischen Universität (TU) München hat das Virus entdeckt, das das Bachforellensterben in der Isar ausgelöst hat.
  • Zehn Jahre haben sie benötigt, um der Ursache für das jährliche Fischsterben auf den Grund zu kommen.
  • In einem nächsten Schritt will das Forscherteam untersuchen, weshalb das Forellen-Virus nur in bestimmten Abschnitten einiger Flüsse wie der Isar auftritt.

Von Thomas Anlauf, München

Jahrelang standen Forscher und Fischer vor einem Rätsel. Jedes Jahr im Spätsommer sterben massenhaft Bachforellen in der Isar mitten in München, aber auch an bestimmten Abschnitten anderer Voralpenflüsse wie der Iller, der Mangfall und der Ammer.

Innerhalb weniger Tage verenden im August und September neun von zehn Fischen in der Isar, und bislang wusste niemand, weshalb. Doch nun hat ein interdisziplinäres Forscherteam der Technischen Universität (TU) München unter dem Zoologen Ralph Kühn mit modernsten Analyse-Methoden herausgefunden, dass ein bislang unbekanntes Virus das Bachforellensterben auslöst.

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Zehn Jahre lang haben Kühn vom Lehrstuhl für Zoologie der TU in Freising-Weihenstephan und sein Team nach der Ursache des jährlichen Fischdramas geforscht. "Die größte Herausforderung lag darin, einen Krankheitserreger zu identifizieren, den niemand kannte", sagt der Biologe. "Wir wussten daher nicht, wonach wir suchen mussten." Es sei zunächst nicht einmal klar gewesen, ob ein Bakterium, ein Virus, ein Parasit oder Umweltgifte die Bachforellen dahinraffen.

Zunächst vermuteten Wissenschaftler, dass die höheren Wassertemperaturen im Spätsommer und der niedrigere Sauerstoffgehalt in den Flüssen in Kombination mit Umweltgiften die tödliche Krankheit auslösen könnten, die ausschließlich Bachforellen trifft. An zwei Versuchsstationen an der Iller - eine im Oberlauf des Flusses nahe Oberstdorf und eine flussabwärts bei Kempten - untersuchten die Forscher, wie die Krankheit verläuft. Nahe dem Iller-Ursprung waren die Fische nicht erkrankt, doch bei Kempten verenden jeden Sommer Bachforellen. Von Mai bis September beobachteten die Wissenschaftler die Bachforellen in mit Flusswasser gespeisten Aquarien und entnahmen täglich Gewebeproben, die in einem Labor der TU in München analysiert wurden.

Die Krankheit verläuft immer in drei Phasen: Zunächst wirken die Fische noch gesund, dann sind Veränderungen von Leber und Nieren zu erkennen, in der Endphase der Krankheit färbt sich die Haut der sonst goldgelben Bachforellen dunkel und die Tiere sterben kurz darauf. "Proliverative Darkening Syndrom" (PDS) nennen die Forscher das Krankheitsbild der dunkler werdenden Fische. Kühn und sein Team vermuteten bei dem Krankheitsverlauf schon bald, "dass es sich bei PDS um eine Viruserkrankung handelt", sagt Kühn.

Die Forschung geht weiter

Mit Hilfe moderner molekulargenetischer Verfahren und bei der Suche in einem riesigen genetischen Datenberg entdeckten die Forscher schließlich, dass es sich bei dem Erreger um ein sogenanntes Piscine Reo-Virus handelt - ein ähnlicher Erreger wurden erst vor Kurzem bei Lachsen im Nordatlantik vor Norwegen sowie im Pazifik vor Kanada und Südamerika entdeckt, die zur gleichen Familie wie die Forellen gehören. Warum bei den Lachsen ein neuartiges Virus auftritt, wird derzeit erforscht, die Haltungsbedingungen der Salmoniden in Aquakulturen "können einen Einfluss haben", sagt Kühn.

Stress und schlechte Umweltbedingungen haben seiner Ansicht nach bei Fischen durchaus Einfluss auf das Immunsystem. Speziell bei den Bachforellen müsse der Zusammenhang von PDS und Umweltbedingungen noch erforscht werden. Völlig offen ist derzeit auch noch, weshalb das Forellen-Virus nicht flächendeckend, sondern nur in bestimmten Abschnitten einiger Flüsse wie der Isar auftritt.

Das will das Münchner Forscherteam nun in einem nächsten Schritt untersuchen, auch die Frage, inwieweit der globale Handel mit Fischen die Ausbreitung des Virus' begünstigt und wie die Verbreitungswege des Erregers sind. Auch wenn nun das Geheimnis des Bachforellensterbens gelüftet ist, gibt es bislang noch keine Vorstellung, ob oder wie die Krankheit bekämpft werden kann.

Die Münchner Isarfischer müssen deshalb auch weiterhin viel Zeit und Geld aufwenden und nach jedem Massensterben der Bachforellen selbst aufgezogene Jungfische in der Isar aussetzen. Sonst wäre die Bachforelle dort schon längst ausgestorben.

© SZ vom 29.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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