Umwelt:Die Wasserqualität der Isar steigt

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  • Die allermeisten oberbayerischen Flüsse sind nicht in einem ökologisch guten Zustand.
  • Wegen der vielen Wehre gelangen Fische nicht oder nur schlecht in ihre Laichgebiete.
  • In der Isar siedeln sich nun jedoch langsam wieder eigentlich heimische Fische wie Huchen und Nase an.

Von Thomas Anlauf, München

Der König der Isar liegt reglos im Fluss. Er ist ein dunkler Schatten, weiter drüben ein weiterer: Huchen. "Es ist ein Spektakel, das nur selten und in keiner anderen Millionenstadt der Welt zu sehen ist", sagt Frank Meißner von den Isarfischern. Mitten in München kämpfen seit einigen Tagen mehr als ein Meter lange und etwa 20 Kilogramm schwere Fische um die Gunst der Weibchen.

Zehn Laichgruben haben diese schon in das lockere Kiesbett zwischen Flauchersteg und Biergarten gegraben. Auch die kleinen Nasen, zwischen 25 und 50 Zentimeter kurze Karpfenfische, laichen in diesen Tagen erstmals seit vielen Jahren wieder am Flaucher. Was geschieht da, ein Naturwunder?

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Nicht ganz. Tatsächlich wäre die Nase, der einstige Steckerlfisch der Oberbayern, beinahe völlig aus der Isar im Raum München verschwunden. Doch dank des Artenhilfsprogramms des Fischereiverbandes Oberbayern konnten bedrohte Fischarten wie der Huchen und die Nase davor bewahrt werden, dass sie im Raum München aussterben.

"Die Isar ist einer der ganz wenigen Flüsse, in denen sich der Huchen wieder natürlich fortpflanzt", sagt Tobias Ruff. Der 41-Jährige ist Gewässerökologe und arbeitet in der Fachberatung für Fischerei beim Bezirk Oberbayern. Der ÖDP-Politiker und Münchner Stadtrat untersucht hauptberuflich, wie gesund die oberbayerischen Flüsse sind. Und die Zahlen sind alarmierend. Mehr als 70 Prozent sind laut EG-Wasserrahmenrichtlinie nicht in einem ökologisch guten Zustand.

Im Bundesdurchschnitt weisen sogar mehr als 93 Prozent der Fließgewässer "keine gewässertypischen aquatischen Lebensgemeinschaften" auf, wie es in einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag heißt. Tobias Ruff weiß, weshalb die Flüsse so schlechte Noten erhalten. Wegen der vielen Wehre können Fische nicht oder nur schlecht in ihre Laichgebiete, zudem fehlt es an sogenannten Strukturen, also Baumstämmen oder Felsen in den Flüssen, wo sich die Tiere verbergen können.

Ruff und sein Kollege Andreas Haas stehen an einem Bach bei Hallbergmoos im Münchner Norden und lassen ein kleines grünes Boot zu Wasser. Es ist Teamarbeit, was die beiden inmitten des braun dahinfließenden Flüsschens leisten. Haas zieht das Boot, auf dem ein röhrender Generator verzurrt ist, flussaufwärts. Ruff rührt mit einem langen Elektro-Kescher in der Goldach.

Bei fast jedem Schwenk holt Ruff Fische aus dem Wasser: Barben, Bachforellen und Aitel hauptsächlich, die von dem unter Strom stehenden Kescher kurzfristig betäubt sind und aus ihren Verstecken in Ruffs Netz treiben: Vier Fische liegen gleichzeitig in dem Kescher, die gerade noch im Wasser unter einem toten Baum schwammen. "Solche Strukturen wie Baumstämme oder Felsen sind wichtig", sagt Ruff. Dort können sich die Fische vor Vögeln wie Kormoranen oder Gänsesägern verbergen. Trotzdem haben drei der betäubten Fische im Netz verheilte Wunden von Vogelschnäbeln auf den Rücken.

Verrottende Baumstämme oder stille Altwasserarme, die den Fischen Schutz bieten würden, fehlen völlig in der Isar des Münchner Umlands. Zwar wurde der Fluss ein stückweit renaturiert, was auch in der Fachwelt als großer Erfolg angesehen wird. Doch aus ökologischer Sicht sei das noch zu wenig, findet Tobias Ruff. "Es fehlt die Totholzstruktur", sagt er. Aus Sicherheitsgründen werden abgestorbene Bäume möglichst bald aus dem Fluss entfernt, um Badende nicht zu gefährden, vermutet Ruff.

Trotzdem versucht die Stadt, den tierischen Isarbewohnern das Leben leichter zu machen. Am Mittwoch begann ein Baggerfahrer damit, große Steine in die Kleine Isar zu kippen. Damit soll einerseits das Ufer vor Erosion gesichert werden, andererseits können Fische in den Hohlräumen der Wasserbausteine Schutz finden.

Mitarbeiter des Baureferats entfernen außerdem derzeit Robinien und asiatischen Staudenknöterich von der Museumsinsel, weil sie als "gebietsfremde Arten" gelten und einheimischen Pflanzen den Lebensraum nehmen. Die Aktion des Baureferats wird von einer Biologin geleitet, "um die ökologisch sachgerechte Abwicklung zu gewährleisten", heißt es aus der Behörde. So wird auch darauf geachtet, dass das seit Jahren auf der Museumsinsel lebende Biberpaar nicht gestört wird.

Umweltwissenschaftler wie Tobias Ruff wünschen sich trotzdem noch mehr Natur auch in der innerstädtischen Isar, wenngleich der Gebirgsfluss "ein unglaubliches Potenzial zur Selbstreinigung" habe. So habe sich die Population der Mühlkoppe, ein kleiner, urtümlich aussehender Fisch mit Segelflossen und Froschkopf, in den vergangenen Jahren wieder deutlich vergrößert, weil die Isar sauberer geworden ist.

Bei einer Fischzählung in Bad Tölz war er nach Äsche und Bachforelle die dritthäufigste Fischart, die dort gefunden wurde. Die zwölf Zentimeter langen Fischlein lieben sauberes Wasser besonders und sind deshalb gute Indikatoren für den Zustand eines Flusses. Dass die Isar in München rein ist wie seit Jahrzehnten nicht, liegt auch an den modernen Kläranlagen flussaufwärts. Alles klar mit der Isar also?

Trotz aller Bemühungen von Kommunen, Freistaat und Umweltschützern hakt es noch. Denn laut Zustandsbericht, den Ruff und seine Kollegen für die zwei Flussabschnitte zwischen Wolfratshausen und Corneliuswehr sowie nördlich davon bis Oberföhring erstellt haben, ist zwar zu erwarten, dass die Isar in diesen Bereichen bis zum Jahr 2021 in einem guten ökologischen Zustand ist oder zumindest ein gutes Potenzial in den kanalisierten Abschnitten hat, doch den von der EU vorgeschriebenen guten chemischen Zustand wird sie bis dahin wohl nicht erreichen.

Denn die Isar ist wie viele anderen Flüsse mit Quecksilberverbindungen belastet, die laut Ruff vor allem von den Emissionen aus Kohlekraftwerken stammen. Schlechte Noten gibt es aus ökologischer Sicht natürlich auch dafür, dass die Isar in einigen Abschnitten noch immer kanalisiert ist, sodass man nicht von einem naturnahen Fluss sprechen kann. Auch die Durchgängigkeit für Fische ist noch längst nicht optimal.

Die Marienklause etwa ist laut Ruff lediglich für "schwimmstarke Fische" zu bewältigen. Die Fischtreppe am Flaucher liegt ausgerechnet dort, wo am liebsten Kinder planschen. In diesem Bereich gibt es nun konkrete Überlegungen, auf der anderen Seite des Flusses eine Aufstiegshilfe für Fische zu bauen, wo keine Badenden sind. Im Münchner Norden ist laut Ruff ebenfalls noch einiges am Fluss zu machen, bis die Isar von Moosburg bis nach München für Fische durchgehend passierbar ist.

Im Vergleich zu dem kleinen Moorflüsschen Goldach, wo Ruff zwar in kurzer Zeit Dutzende Fische, aber nur wenige Arten in seinem Kescher findet, gilt die Isar "als schon sehr artenreich, allein wegen des großen Einzugsbereichs". In München treffen Alpenfische auf solche, die eigentlich eher im Donauraum beheimatet sind. Dass sich immer mehr Fische in der Großstadt wohlfühlen, liegt aber auch an den Münchnern.

Am Flaucher haben die Isarfischer nun die Laichgruben der Huchen mit Absperrbändern gesichert, damit Badende an den warmen Frühlingstagen nicht aus Versehen die Kinderstube der Raubfische zertreten. "Wir sind wirklich sehr erleichtert", sagt der Vorsitzende der Isarfischer Willi Ruff, "dass die Münchner die Maßnahme einsehen und respektieren. Es ist nur für kurze Zeit, aber immens wichtig für das ökologische Gleichgewicht der Isar."

© SZ vom 23.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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