Wo steigt das schönste Faschingsfest? Einfache Antwort: in der Erinnerung. Denn auf eines können sich die Münchner einigen: Früher war die Ballsaison hier natürlich wilder, oder glamouröser. An die legendären Künstlerfeste der "Allotria" im Lenbachhaus oder die Bälle der Schwabinger Bohème (1914 allein gab es 533 Maskenbälle und 145 Schwarz-Weiß-Bälle in der Stadt) dürften sich die wenigsten erinnern. Aber die Lieblingssause, das war für die einen die Knutscherei in den Katakomben des Biedersteiner Wohnheims, für die anderen ein Funkensprühen auf einem Funkball im BR, für wieder andere war es eine Gala, auf der noch Hugo Strasser selig persönlich in die Klarinette blies. Für den Monaco Franze ging freilich nichts über den Engtanz mit der Lilly beim Fasching im "Donnersberger Hof", aber selbst der war ja in der entsprechenden Folge ("Der Herr der sieben Meere") schon Geschichte.
Ja ist denn jetzt schon Kehraus? Mitnichten. Die Münchner werden wieder narrischer, daran glaubt zumindest einer: Thomas Linsmayer, Intendant des Deutschen Theaters, dem "Traditions-Ballsaal der Münchner". Auf dem Faschingsumzug und bei den Bällen im eigenen Haus hat er 2023 gespürt, dass die Leute wieder feiern wollen, elegant und ausgelassen. Also hat Linsmayer für 2024 gleich zwei neue Bälle erfunden, er setzt darauf: "Ich glaube an die Zukunft des Faschings!"
Deutsches Theater
Ein Faschingsfest, das dem Monaco Franze oder dem Charly aus den Münchner Geschichten gefallen hätte - die selbstgesteckte Messlatte ist hoch für die neue Kostümfeier im Deutschen Theater. Für den 089 Kult benötigt es also Münchner Originale, und so wird hier am Rosenmontag die Spider Murphy Gang ihre Hits abfeuern, die ja selbst in Wiesnzelten funktionieren. Für noch mehr Gaudi kommen Los Poppos, die schon im Atomic Café bejubelte Soul-Kasperl-Theatertruppe, der Isarindianer Willy Michl, der kabarettistische Stadtrat Roland Hefter samt Band und der Comedian Moses Wolff.
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Ebenfalls neu ist Pasión de Baile, der Salsa-Ball am 21. Januar. Da trifft es sich prima, dass für die Show "Pasión de Buena Vista" (22.-24. Januar) ohnehin kubanische Künstler der Tanzformation El Grupo de Bailar und der Buena Vista Band im Theater gastieren. Die werden in dieses Fest der lateinamerikanischen Lebensfreude mit Workshops und einem bunten Rahmenprogramm gleich eingebunden.
Seiner Bestimmung nach soll der Fasching die herrschenden Verhältnisse auf den Kopf stellen. Und so sitzen im Deutschen-Theater-Ballsaal (einige) Zuschauer vor ihren Menüs mit bestem Ausblick auf der Bühne, und Künstler spielen auf dem Parkett - oder tanzen ebendort inmitten der Gäste wie einst schon Romy Schneider, Alain Delon oder Mario Adorf. Für jeden Musik-Geschmack und jede Garderobe (ob in Abendkleid oder Korps-Uniform beim "Gaudeamus"-Akademikerball oder im Pettycoat beim "Rock That Swing") ist etwas dabei bei den zwölf Bällen auf insgesamt vier Ebenen im "Palast des Lächelns" an der Schwanthalerstraße. Es geht los mit dem Oide Wiesn Bürgerball in Tracht oder altem Gewand, ausgerichtet mit Goaßlschnalzern, Brauchtum und Blasmusik am 19. Januar vom Oktoberfest-Festring.
Der offizielle Start in den Münchner Fasching ist Die große Narrhalla-Soiree am Samstag, 20. Januar. Hier tanzen das Prinzenpaar der größten Münchner Faschingsgesellschaft und das Fahnengarderegiment, was weniger höfisch ist, als es klingt. Ein Höhepunkt: die Verleihung des Karl-Valentin-Ordens, diesmal an das Kabarettduo Heißmann & Rassau. Opernfreunde werden beim Ball der Sterne (26. Januar) von den Münchner Symphonikern und ihren Solisten mit einem bunten Konzertprogramm verwöhnt; hier kann man zu Walzerklängen vom großen Orchester oder dem Swing des Hugo Strasser Orchesters übers Parkett schweben.
Das Gelernte aus den Foxtrott-, Cha-Cha-Cha-, Rumba- und Salsa-Stunden im heiteren Ernstfall erproben, das kann man beim Ball der Münchner Tanzschulen (27. Januar) - und wie die Profis die kompliziertesten Schrittfolgen schwebend leicht erscheinen lassen, darüber kann man am 3. Februar beim Ball der Nationen, einem der ältesten Einladungsturniere der Welt, nur staunen (oder es in den Wettkampfpausen nachzumachen versuchen).
Eine Welt für sich ist das große Szene-Treffen Rock That Swing - Höhepunkte sind die beiden Bälle dazu im Deutschen Theater (10. und 11. Februar). Ein Muss für alle, die vom "Babylon Berlin"- oder "Ku'damm 56"-Fieber angesteckt sind. Viel zum Kucken gibt es beim "Lindy Hop Cup", dem "Balboa & Shag Battle" und der "Vintage Dance Show der Champions" - wer noch nicht so weit ist, kann es in Schnupperkursen Boogie-Woogie, Lindy Hop, Rockabilly Jive und Shag lernen.
Bei seinem eigenen Ball total kann das Deutsche Theater dann auch ein wenig Werbung für seine Hauptaufgabe jenseits der Ballsaison machen: mit einem Auszug aus dem kommenden Musical "Die Zauberflöte". Und die Partner vom GOP-Varieté zeigen um Mitternacht Ausschnitte aus dem aktuellen Akrobatik-Programm "Wilderness" (9. Februar).
Ballsaison im Deutschen Theater, Schwanthalerstraße 13, www.deutsches-theater.de
Bayerischer Hof
Am meisten funkelt München in der Ballsaison im Bayerischen Hof: Beim Deutschen Filmball gibt es tatsächlich ein wenig Hollywood-Glamour. Nach drei abgesagten Galas kommen am 20. Januar 2024 endlich wieder tausend Persönlichkeiten aus Film, Medien, Politik und Gesellschaft zusammen, um sich in Smoking und kostbaren Abendkleidern im Blitzlichtgewitter zu sonnen, sich abzubusseln und bis in die Morgenstunden zu tanzen - weitgehend unter sich, hinein kommt man nur mit persönlicher Einladung. Aber immer versammeln sich hunderte Schaulustige am roten Teppich, um den Stars nah zu sein.
Die Publikumsbälle geben dann auch jedermann (der es sich leisten kann) das Gefühl, einem exklusiven Zirkel anzugehören. Da ist es eine Frage des persönlichen Geschmacks, ob man sich beim MSC Ball lieber den Münchner Corps zuordnet (26.1.) oder beim 57. Metzgerball dem fleischverarbeitenden Handwerk. Mitglied der Innung muss man bei diesem klassischen Schwarz-Weiß-Ball nicht sein, und statt Schürze trägt man hier auch Anzug oder Abendrobe (27.1.).
Alles Walzer! Dem Wiener Opernball kommt man auf Münchner Parkett wohl beim Magnolienball am nächsten (3.2.). Die Benefizgala des Deutsch-Amerikanischen Frauenclub München hält sogar die Tradition des gesellschaftlichen Debütierens hoch: Zehn junge Damen mit Krönchen am Arm ihrer Tanzherren eröffnen den Ball mit der "Fledermaus-Quadrille" von Johann Strauss.
Vergleichsweise volksnah sind da die weiteren Feste im funkelnden Saal des Hotels: Pumuckl und der Faschingsprinz (28.1.), Monikas Zirkuskinder (4.2.) und Herrmanns Zirkuskinder (9.2.) für die ganze Familie, und Carneval in Rio, die brasilianische Kostümnacht der Narhalla (10.2.).
Bälle im Hotel Bayerischer Hof, Promenadeplatz, www.bayerischer-hof.de , Telefon 089/2120999
Weitere Bälle und Kostümfeste
Auf die prunkvollste Tradition der Münchner Ballgeschichte berufen sich die Gauklerbälle: Die Künstlergesellschaft Allotria wollte dereinst mit fantasievoll inszenierten Arkadienfesten die Antike zu neuem Leben erwecken, stets 2000 Gäste aus dem In- und Ausland kamen erst ins Nationaltheater, in die Residenz und ins Cuvilléstheater, von 1900 an dann ins Künstlerhaus am Lenbachplatz. An die "Pure Poesie" und die "geistreiche Unterhaltung" von einst will man heuer beim Gauklerball mit dem Motto "Back to the 80ies" anschließen. Passend dazu die Hits (aufgelegt oder live gespielt von Buck Roger and the Sidetrackers), ein "Modern Dance Medley" der Iwanson-Tanzschule, die Drinks, die Snacks und der Dresscode: Leggings, Stulpen, Stirnbänder, Tüllröcke, Turnschuhe und Schulterpolster.
Gauklerball, 3. Feb., Künstlerhaus, Lenbachpl. 8, Telefon 089/59918414, www.kuenstlerhaus-muc.de
Ein Faschingsball im Museum kann nur angestaubt sein? Im Bayerischen Nationalmuseum sicher nicht, hier steigen erfahrungsgemäß rauschende Feste. Im "Schatzhaus an der Eisbachwelle" ruft man heuer: "Narrenschiff ahoi!" Traumschiffkapitäne und Piratenbräute, Meerjungfrauen und Landratten tanzen zu Seemannsliedern von DJ Matz, bestaunen maritime Videokunst von Kalle Laar und entern Smutjes Kombüse.
Narrenschiff ahoi, Bayerisches Nationalmuseum, Fr., 9. Feb., Prinzregentenstr. 3, www.bayerisches-nationalmuseum.de
Dass es die Gäste bei den "Weissen Festen" bunt treiben, war schon so, als Münchner Kunststudenten für eine Semesterarbeit diese Feierei zum Motto "Antarktis" erfanden. Nach wilden Jahren von 1967 bis 2019 in der Max-Emanuel-Brauerei bleiben sich die Feste auch in der neuen "Eventlocation" der Isarpost treu: in reinweißen Kostümen (Beweis: sie müssen im Schwarzlicht leuchten) geht es zur Live-Musik (Hanse Schoirer, Los Sopranos) und DJs inmitten der akademisch erarbeiteten Deko achtmal zur Sache.
Weisse Feste, Isarpost, Termine: 26. und 27. Jan., 2., 3., 8., 9., 10. und 12. Feb., Sonnenstraße 24-26, www.weissefeste.de
Dass es das noch gibt: Die Filser Buam sind ein echter Männer-Stammtischklüngel, und das seit 57 Jahren, bei ihrem traditionsreichen Filserball werden nur Gäste (immer sind Promis dabei) in Tracht eingelassen. Aber, wer hätt's gedacht: Sie gehen mit der Zeit, gendern sogar im Titel ihres heurigen Jahresfestes: "Eiskönig.Innen - verfilstes Winter Wonderland". Könnte aber auch Satire sein, so wie stets ihre Travestie-Show zu Mitternacht.
Filserball, Fr., 2. Feb., Paulaner am Nockherberg, www.filser-buam.de