Familienunternehmen:Schöner bimmeln

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"Kleine Welten auf großer Fahrt": Stephanie Müllerschön war mal Journalistin und designt jetzt Fahrradklingeln. (Foto: Stephan Rumpf)

Masskrug, Teddy, Totenkopf: Die Fahrradklingeln von Stephanie Müllerschön machen schon Töne, vor allem aber sind sie witzige Begleiter.

Von Sonja Niesmann

An roten Ampeln wird Stephanie Müllerschön oft angesprochen auf die Klingel an ihrem Radl. Aus Grashalmen spitzt da ein Teddybär heraus. Oder ein Totenkopf. Oder ein Hamburger. Oder ein VW-Bulli mit Surfbrett auf dem Dach. In der "Bayern"-Edition, gerne zur Wiesn-Zeit am Lenker montiert, ist das Gras-Grün durch ein weiß-blaues Rautenmuster ersetzt, darauf drapiert ein Masskrug, 1,6 Zentimeter klein, mit untadeliger Schaumkrone, und mit Breze. Oder ein Lebkuchenherz.

Müllerschön schauradelt durch die Stadt mit ihren eigenen Kreationen. Wie sie das eigentlich nennt, was sie da fabriziert, will man wissen. Die 49-Jährige stutzt. "Hmh, da hab' ich noch nie drüber nachgedacht. Ja, wie?" Kurzes Schweigen. "Wir haben eigentlich keinen Namen dafür." Dann feuert sie los: "Kleine Welt auf großer Fahrt? Kleine Welt auf Klingel?" Und schickt fast entschuldigend hinterher: "Ich hab' zu lange Schlagzeilen machen müssen."

Ehe sie mit ihrem Unternehmen "Duderino", ja, nun, kleine Welten auf Klingeln setzte, war die 49-Jährige TV-Journalistin, bei SAT1 Bayern, später bei Kabel 1. Studiert hat sie Wirtschafts-und Sozialgeografie, wollte aber immer schon in den Journalismus, hat auch viele verschiedene Praktika gemacht. Als ihr Sohn auf die Welt kam, arbeitete sie als freie Journalistin weiter - bis so ein Moment kam, der eine Weiche im Leben stellen sollte. Die junge Mutter ärgerte sich, dass es "außer Müllsäcken" nichts gab, um den Kindersitz auf dem Rad vor Regen zu schützen. "Mach doch selbst, du kannst doch nähen", riet ihr Mann. Also nähte Stephanie Müllerschön aus buntem Wachstuch eine Sitzhülle. Und wurde auf Spielplätzen von anderen Müttern ständig darauf angesprochen - "machst mir auch so was?"

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Angefangen hat sie ihr neues Business im Schlafzimmer, "die Stoffrollen unterm Bett gelagert", später fand sie eine kleine Werkstatt in der Herzogstraße in Schwabing. Zum Regenschutz für den Kindersitz kamen Sattelschutz und Lenkertaschen, Müllerschön war ganz gut im Geschäft. Bis die Kindersitz-Hüllen plötzlich weniger gefragt gewesen seien, vielleicht weil Lastenräder, gerade bei jungen Familien, immer beliebter geworden seien, erzählt sie. Ostern 2018, sie weiß es noch genau, saßen sie und ihr Mann Pascal, genannt Lele, am Küchentisch und grübelten, ob und wie es weiter gehen könnte mit Duderino. Ihr Mann assoziierte einfach mal: Ostern - Hase - Gras. Und dann dieser Gedankensprung, den man erstmal schaffen muss: Klingel. "Mach das doch, Osterhase auf Fahrradklingel!", schlug er vor. Er hat einen speziellen Humor, der Herr Müllerschön, oder? "Ja, den liebe ich auch sehr", sagt seine Frau. "Aber ich nehm' ja immer alles ernst."

Also besorgte sie sich Klingel-Rohlinge, das Kunstgras, Figürchen und tüftelte herum. Mit ihren ersten Exemplaren ging sie 2019 auf zwei Messen, "und das war der Hammer!" Eine Welle von Bestellungen sei eingegangen - und sie fühlte sich völlig überrollt. Gewerbeanmeldung, Umsatzsteuer, Designschutz, Vorratsproduktion, Verhandlungen mit Kunden - sie musste sich erstmal einfuchsen in das alles. "Aber", sagt sie nachdenklich, "ich hab' viel gelernt, bin gestärkt da rausgegangen." Mittlerweile habe Duderino, überschlägt sie im Kopf, gut 10 000 Klingeln produziert, 100 bis 120 verschiedene Motive zur Auswahl. Verschickt werden die Klingeln mit Aufbauten (Preis: 19,90 Euro) bis nach Indien, Indonesien, Neuseeland und in die USA.

Und nach wie vor ist es ein Eine-Frau-Unternehmen, mit großer familiärer Unterstützung freilich.

Ehe es vom Küchentisch in die Werkstatt geht, muss man noch die Namenswahl erklären. Stephanie und Lele Müllerschön sind große Fans des Films "The Big Lebowski", die Hauptfigur nennt sich auch "Dude", "His Dudeness" oder "El Duderino". Als sie schwanger war, nannten beide das Baby im Bauch immer liebevoll den "Dude". Klar also, dass für das Unternehmen gar nichts anderes in Frage kam als der Name Duderino.

Männer fragen oft: Muss man den Rasen gießen? (Foto: Stephan Rumpf)
In Plastikboxen, mit Etiketten beschriftet, lagern: Fliegenpilz, Hunde, Panda/Koala, Rotkehlchen/Meise und Kühe. (Foto: Stephan Rumpf)
Klingel mit Masskrug, 1,6 Zentimeter groß, zum Verschicken verpackt. (Foto: Stephan Rumpf)

Die neue Werkstatt ist im Garten hinter dem Haus an der Neureutherstraße, in dem die Familie wohnt. Auf einem Tisch die Zutaten: die blitzenden Klingeln, die Figürchen von mittlerweile 25 Lieferanten, alles wetterfest, die Heißklebepistolen, mit denen das Arrangement appliziert wird: Erst das Gras, dann drumherum ein Stück Rupfenschnur - "den Gartenzaun" nennt das Lele Müllerschön. In einem Regal Plastikboxen, mit Etiketten beschriftet: Fliegenpilz. Hunde. Panda/Koala. Rotkehlchen/Meise. Bus blau. Lama groß. Nilpferde. Kühe ("gehen interessanterweise total gut bei den Amerikanern", sagt Müllerschön.) Zwerge. Strandkorb. Blumen. Kulinarisches.

Man hat den Eindruck, sie bosselt und wurschtelt da glücklich vor sich hin, in ihrer "Oase der Ruhe". Und dann kommt plötzlich ein neuer Auftrag - Klingeln in sehr großer Stückzahl. Und jetzt? "Antworte ich erst, das braucht aber seine Zeit." Und dann springt die ganze Familie. Mutter, Freundinnen, der mittlerweile 16-jährige Sohn, der Mann sowieso. Lele Müllerschön, beruflich in der Gastronomie tätig, hilft beim Verpacken, Vorbereiten und Ausliefern der Klingeln - und schneidet immer die kleinen Rasenstücke zu. Könnte sie nicht expandieren, Mitarbeiter einstellen, im Akkord produzieren? Stephanie Müllerschön, die Schwägerin der Modedesignerin Natascha Müllerschön, denkt wieder einen Moment nach und sagt dann: "Ach, mir taugt es so, wie es ist. Ich muss ja nicht reich werden." Sie genieße es, ihr eigener Chef zu sein, nach dem Job beim Fernsehen, "dem Zeitdruck, dem Druck, es allen recht machen zu müssen". Manchmal, sagt sie, schaue sie auf ihre berufliche Entwicklung und "ich steh' völlig neben mir".

Männer und Frauen reagieren übrigens sehr verschieden auf die Klingel-Deko, stellt Stephanie Müllerschön immer wieder fest. "Männer sagen oft: Muss man den gießen, den Rasen?" Haha. Frauen reagieren fast immer einfach entzückt. Die Klingeln seien eben, platzt es aus ihr heraus: "friedlich, niedlich, putzig." Wieder so eine Schlagzeile.

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