Bahnstrecke München - Mühldorf - Freilassing:Untaugliches Ausbaugesetz gestrichen

Lesezeit: 3 min

Es geht seit jeher nur langsam voran auf der Bahnstrecke München-Mühldorf. Hier nähert sich ein schon älteres Modell eines dieselgetriebenen Minizugs dem Bahnhof Dorfen. (Foto: Renate Schmidt)

Die Ausbaustrecke ABS38 ist durch das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz um Jahre zurückgeworfen worden. Statt das Verfahren zu beschleunigen, hat es wie ein Bremsklotz gewirkt. Der Bundestag hat das Gesetz aus dem Hause Scheuer nun vollständig aufgehoben.

Von Florian Tempel, Dorfen

Mit dem früheren Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) verbindet man vor allem das Autobahnmaut-Debakel, das den Bund 243 Millionen Euro gekostet hat. Zu dieser und anderen von ihm verantworteten Fehlleistungen kommt nun ein weiterer, amtlich bestätigter Murks hinzu. Das während seiner Zeit verabschiedete Gesetz mit dem überlangen Namen Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgVG), das als Beschleunigungsgesetz verkauft wurde, erwies sich als genau das Gegenteil davon - es wirkte wie ein Bremsklotz.

Der Ausbau der Strecke München - Mühldorf - Freilassing (ABS38) ist bereits um etwa fünf Jahre zurückgeworfen worden. Jetzt ist endgültig Schluss damit. Das untaugliche Gesetz aus dem Hause Scheuer ist vom Bundestag vollständig und restlos aufgehoben worden.

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Es wäre wünschenswert, darin sind sich wohl alle einig, wenn die Realisierung wichtiger Verkehrsprojekte schneller vorankäme, als das bislang oft der Fall ist. Erst am 20. Oktober hat sich der Bundestag zum wiederholten Mal an der Infrastrukturbeschleunigung per Gesetzgebung versucht und dafür ein ganzes Bündel an Gesetzesänderungen und anderen Maßnahmen beschlossen. Ein Punkt, der ganz geräuschlos und wohl auch etwas verschämt mitbehandelt wurde, war die Aufhebung des MgVG. Ungefähr in der Mitte der 64 Seiten umfassenden Beschlussvorlage für den Bundestag steht ein knapper und radikal einschneidender Satz: "Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz wird aufgehoben." Das war's.

Vor drei Jahren wurde das nun entsorgte Gesetz vom Bundesverkehrsministerium noch als aktiver Klimaschutz bezeichnet, da es die "Umsetzung von wichtigen umweltfreundlichen Verkehrsprojekten beschleunigen" werde. Die ABS38 wurde an Platz Nummer eins der Liste der deutschen Verkehrsprojekte gesetzt, die dank des Gesetzes so richtig mit Dampf realisiert werden sollten. Na klar, der Ausbau München - Mühldorf - Freilassing ist ja schließlich auch eines der wichtigsten Bahnprojekte in Bayern.

Der Beschleunigungseffekt sollte sich durch weniger Klagemöglichkeiten ergeben

Der vermeintliche Beschleunigungseffekt sollte sich auf eine besondere Weise einstellen: Nicht mehr eine Behörde, in diesem Fall das Eisenbahnbundesamt, hätte die Ausbauplanung genehmigen sollen, sondern der Bundestag sollte die Genehmigung mit einem sogenannten Maßnahmengesetz erlassen. Die erhoffte Beschleunigungswirkung sollte sich allein dadurch ergeben, dass dadurch die Klagemöglichkeiten von Betroffenen deutlich beschnitten und insbesondere Umweltverbandsklagen sogar vollständig unmöglich wären. Denn gegen ein Maßnahmengesetz kann man nicht wie gegen einen sonst üblichen Planfeststellungsbeschluss vor einem Verwaltungsgericht klagen. Die einzig mögliche Verteidigungsform wäre eine Verfassungsbeschwerde. Und Umweltverbände wären deshalb raus, weil das Bundesverfassungsgericht eine Klage von diesen wegen fehlender individueller Betroffenheit gar nicht erst zulassen würde.

Die EU-Kommission ist schnell auf diesen Gesetzgeber-Trick aufmerksam geworden. 2021 hat sie gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil die Aushebelung des Klagerechts gegen europäische Richtlinien verstoße. Diese Frage muss aber nicht mehr vom Europäischen Gerichtshof geklärt werden - was wohl einige Jahre gedauert und zu weiteren Verzögerungen geführt hätte. Mit der Aufhebung des MgVG hat sich die Sache erledigt.

Wie absurd das Gesetz im Fall der ABS38 war, für die es extra geschaffen wurde, machten vor allem die Reaktionen der Bahnplaner deutlich. Diese waren 2020 völlig überrumpelt, dass die ABS38 für den neuen Gesetzesweg ausgewählt worden war. Mehr noch: Es war nicht nur eine Überraschung, sondern den Bahnplanern wurde sofort klar, dass es eine fatale Fehlentscheidung war. Bis 2030 wollte man mit der ABS38 ursprünglich durch sein. Der frühere Gesamtprojektleiter Klaus-Peter Zellmer schmiss im Frühjahr 2022 entnervt hin. Mit einer Fertigstellung der gesamten Strecke rechnete Alexander Pawilk, der aktuelle Gesamtprojektleiter der ABS 38, wie er im Mai dieses Jahres sagte, "Mitte der 2030er Jahre". Das wären mindestens fünf Jahre später, als die einst angepeilte Zielmarke.

Die ABS38 wird als herkömmliches Planfeststellungsverfahren fortgesetzt

Pawlik bestätigte auch, dass man alles versucht habe, damit das ungeliebte MgVG nicht auf die Strecke München - Mühldorf - Freilassing angewendet wird. Fast zwei Jahre lang habe die Deutsche Bahn versucht, da irgendwie wieder rauszukommen. Doch solange Andreas Scheuer Verkehrsminister war, ging sowieso nichts. Er hätte ja nach der gefloppten Autobahnmaut noch ein weiteres Desaster zugeben müssen.

Als im März dieses Jahres Staatssekretär Michael Theurer (FDP), parlamentarischer Staatssekretär des aktuellen Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP), zu einem Besuch in die Region kam, sagte er, dass man auch nach dem Regierungswechsel in Berlin zunächst keinen Ausweg sah. Es war zwar klar, dass es durch das MgVG zu Verzögerungen gekommen war und womöglich noch kommen würde. Doch so leicht ging da nichts: "Es war nicht einfach möglich, diese Maßnahme, die im Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz genannt ist, wieder aus dem Verfahren herauszubekommen." Kurz gesagt: Gesetz ist Gesetz und die ABS38 stand da nun mal drin.

Wo aber kein Gesetz mehr ist, ist der Weg wieder frei. Die Genehmigung der ABS38 wird nun wieder vom Eisenbahnbundesamt gemacht. In der Erläuterungen zur Aufhebung des MgVG steht, dass der Bahnausbau im herkömmlichen Planfeststellungsverfahren fortgesetzt wird. Das heißt auch: es kann am Ende wieder geklagt werden, von direkt Betroffenen und von Umweltverbänden.

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