Freizeit:Der "schönste Radweg Bayerns"

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Vor 125 Jahren, am 24. Dezember 1898, wurde die Bahnlinie Dorfen, Taufkirchen, Velden eröffnet. (Foto: Gemeindearchiv Taufkirchen)

Die Trasse, auf der früher das Veldener Bockerl fuhr, wurde vor 125 Jahren eröffnet. Nach der Stilllegung erlebte die Strecke als Freizeittour eine zweite Blüte und führt, von kleinen Hindernissen abgesehen, bis an Schwarze Meer.

Von Thomas Daller, Dorfen

Als "schönsten Radweg Bayerns" bezeichnete der damalige Dorfener Bürgermeister Josef Sterr den Radweg von Dorfen über Taufkirchen nach Velden bei dessen Eröffnung im Sommer 2000. In der Verlängerung führe er gar, laut Sterr, von kleinen Hindernissen abgesehen, bis nach Budapest und ans Schwarze Meer. 125 Jahre ist es mittlerweile her, dass diese Strecke als Bahntrasse in Betrieb ging. An Heiligabend 1898 fuhr dort der erste Zug.

Bis 1968 lief der Personenverkehr, der Güterverkehr wurde erst 1993 eingestellt. 1995 wurden die Gleise abgebaut, und ab der Jahrtausendwende wurde daraus die beliebteste Freizeitstrecke für Radlfahrer, Inlineskater und Spaziergänger.

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Um die Lokalbahn war jahrelang verbissen gestritten worden. Insbesondere den Erdingern passte es nicht in den Kram, dass die Bahn von Dorfen aus durch das Vilstal führen sollte. Sie liebäugelten damit, dass ihre Vicinalbahn von Markt Schwaben durch das Vilstal weiter gebaut werde, um hinüber ins Rottal und weiter nach Österreich zu gelangen. Den Taufkirchenern war das egal. Ihnen kam es darauf an, möglichst bald überhaupt einen Bahnanschluss zu erhalten, gleich, ob von Dorfen oder von Erding.

Bereits 1891 wurde in Taufkirchen ein "Eisenbahn-Comite" gegründet. Die zum Lokalbahnbau nötigen Kosten gedachte man auf für Altbayern typische Weise zusammenzubringen. Die Kosten für Projektierung und Grunderwerb sollten "mittels Bierpfennig all dessen Bier, das hier gebraut oder eingefahren oder verzapft wird" aufgebracht werden. Da Taufkirchen damals erst 540 Einwohner zählte, musste dafür wohl einiges getrunken werden.

Gleisbaurotte nannte man die Arbeitertrupps, die den Bahndamm aufschütteten und den Schienenstrang verlegten. (Foto: Joseph Schuster und andere)

Im Juni 1895 wurde mit dem Projekt begonnen, wobei mit dem Abschnitt von Velden nach Babing begonnen wurde. Die weitaus größten Kosten des Grunderwerbs hatten die Gemeinden zu tragen, so dass vom Staat lediglich 990 000 Mark für die 21 Kilometer lange Strecke aufgewendet werden mussten.

Das Verkehrsgebiet erstreckte sich auf 240 Quadratkilometer und umfasste in der Hauptsache das obere Vilstal. Industrie gab es nur in Form einer größeren Brauerei, einem Sägewerk und einer Ziegelei in Taufkirchen, sowie mehrerer Brauereien im Veldener Raum. Für den Güterverkehr kamen neben landwirtschaftlichen Produkten und der Abfuhr von Holz noch Kohlen und Baumaterialien in Betracht.

Im Dezember 1909 entgleiste der Zug infolge vereister und verschneiter Schienen am Ortsrand von Taufkirchen in Richtung Moosen. (Foto: Gemeindearchiv Taufkirchen)

Bereits nach wenigen Jahren kam es zum ersten und einzigen Unfall auf der Strecke: Im Dezember 1909 entgleiste der Zug infolge vereister und verschneiter Schienen am Ortsrand von Taufkirchen in Richtung Moosen. Eine Hinweistafel am Kellerberg erinnert noch heute an den Vorfall.

Der Güterverkehr entwickelte sich recht gut. Die Molkerei Taufkirchen versandte bis nach dem Zweiten Weltkrieg Milch nach München. Während des Krieges stieg das Frachtaufkommen durch kriegswichtige Güter weiter an. Nach Kriegsende erfuhr die Polstermöbelfabrik Himolla einen ständigen Aufschwung, sie verlud lange auf die Bahn.

Auch der Dorfener Bahnhof wurde durch die Nebenbahn aufgewertet. Es existierte eine Bahnsteigsperre mit Fahrkartenkontrolle, Toiletten, ein Kiosk, das Wasserhaus gegenüber dem Empfangsgebäude, Gepäckaufgabe, Güterabfertigung, Postbeförderung und ein Lokschuppen für die bahnhofseigene Kleinlok mit Ölflüssigkeitsgetriebe. Eine ähnliche Lok steht heute als Denkmal an der Buchbacher Straße.

Ein Ölbohrturm im Raum Velden zu Beginn der 1960er Jahre. (Foto: Joseph Schuster (OH))

Im Sommer 1957 gewann die Bahn zusätzlich an Bedeutung, als im Veldener Umland Öl gefunden wurde. Erste Bohrungen gab es bereits 1955, die Blütezeit des Betriebs war in den 1960er Jahren. Um das Öl leichter zu transportieren, entstand 1961 eine Erdölleitung über Schleichwies, die über mehrere Pumpstationen führte und schließlich in Velden ankam. Dort gelangte das Öl zum Bahnhof und machte sich auf die Reise nach Ampfing, wo eine Aufbereitungsanlage stand.

Ein Öltankwaggon am Veldener Bahnhof. Von dort aus wurde das Öl in Raffinerien gebracht. (Foto: Archiv Markt Velden)

1962 kam dann der "Heater Treater", eine Aufbereitungsanlage, direkt nach Velden. Das Öl, das sie reinigte, kam zuerst in Tanks und dann per Zug in große Raffinerien ins Ruhrgebiet. Im Laufe der Jahre wurde die Ölgewinnung jedoch zunehmend unattraktiver, weil es immer aufwendiger wurde, den Rohstoff aus der Erde zu bekommen. Pumpanlage für Pumpanlage verschwand die Förderung aus Velden und Umgebung.

Mit sogeannten Bundesbahnstraßenrollern wurden Güterwaggons vom Bahnhof durch die engen Straßen Taufkirchens zur Firma Himolla transportiert (Foto: Gemeindearchiv Taufkirchen)

Der Güterverkehr blieb vorerst zwar weiterhin rentabel, aber die zunehmende Motorisierung und die Einführung des Werksverkehrs der Firma Himolla ließen die Fahrgastzahlen zurückgehen. Zum Sommerfahrplan 1968 wurde der Personenverkehr eingestellt. Die letzten Dampflokomotiven fuhren bis 1971, sie wurden dann ersetzt durch Diesellokomotiven. Auch die Güterzüge bekamen die Konkurrenz der Straße schließlich zu spüren und wurden 1993 schließlich ganz eingestellt. Im Sommer 1995 wurde die Strecke abgebaut, womit die Eisenbahngeschichte nach 97 Jahren endgültig zu Ende ging.

Im Erdinger Landratsamt reagierte man erleichtert auf den Bescheid des Bonner Verkehrsministeriums, zumal auf der alten Bahntrasse ein Radweg gebaut werden sollte. Und die Bundesbahn war froh, dass sie eine unwirtschaftliche Strecke losgeworden war. Manche Bürger der Anrainergemeinden waren anfangs skeptisch und zweifelten am Sinn des Projekts: "Wer soll denn da mit dem Radl fahren?". Dass die Vision dennoch realisiert wurde, stellte sich aber als Glücksfall heraus. Im Nu tummelten sich auf der Strecke Tausende von Radfahrern und Inline-Skatern. Bald hatte es sich herumgesprochen, dass im Grenzland zwischen dem oberbayerischen Isental und dem niederbayerischen Vilstal eine touristische Attraktion geschaffen worden war. Das lockte dann auch Radfahrer an, die mit dem Zug nach Dorfen kamen.

Ein herrlicher Panoramablick ins Isental

Der Radweg mündet direkt in den Bahnhof ein. Kurz dahinter öffnet sich die prächtige Natur des Dorfener Hinterlandes. Der Weg führt den leichten Anstieg nach Eibach hinauf, wo sich ein herrlicher Panoramablick ins Isental bietet. In Taufkirchen springt das idyllische Wasserschloss ins Auge und der Brauereibiergarten und Eisdielen laden zum Verweilen ein. In Velden, direkt am Bahnhof, ist das nostalgische Waggon-Cafe ein beliebter Zielpunkt für Kaffee und Kuchen.

Man sollte es dabei aber nicht versäumen, noch einen Abstecher ins Veldener Zentrum zu machen, zu den berühmten Kunstwerken von Professor Georg Brenninger, die als Freilichtmuseum die Straßen säumen. Der Künstler hat sie seinem Heimatort vermacht, darunter auch den riesigen Apoll, der bei den Olympischen Sommerspielen 1972 vor dem Eingang zum Münchner Olympiastadion thronte.

Seit der Eröffnung im Juli 2000 hat sich der Ansturm nicht gelegt, im Gegenteil. Mit dem Boom der E-Bikes wird die Strecke noch häufiger frequentiert. Mehr Menschen hat die Bahn wohl in ihrer Blütezeit auch nicht auf der Strecke transportiert.

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