Haus Harmonie, das gelbe Gebäude, auf das an der einen Seite einmal Flamingos gemalt waren und auf der anderen rote Pfeile zur Nummer 14 "und mehr..." deuteten, war kürzlich noch da. Im November hatten dann Bauarbeiter den letzten Schutt von dem Bordell an der Levelingstraße beseitigt. Das Gelände ist Teil eines größeren Immobilienprojekts, das diese Ecke von Berg am Laim endgültig vom Schmuddel-Image erlösen will. Dabei trifft die Aufwertung des Gebiets hin zum angesagten Bürostandort auch ein etabliertes Münchner Kaffeeunternehmen: Der Rösterei "Emilo" steht die Zwangsräumung bevor. Das Unternehmen hat angekündigt, den Betrieb einzustellen.
Im Herbst 2020 ist eine Objektgesellschaft mit Sitz in Grünwald gegründet worden, die heute "Neuplan Levelingstrasse GmbH & Co. KG" heißt. Sie gehört in das Firmengeflecht des Immobilien-Investors Neuplan GmbH, der sich auf die Entwicklung von Büroimmobilien spezialisiert hat. Nur ein paar Meter weiter, an der Neumarkter Straße 75, hat Neuplan einen Bürokomplex gebaut, der die neue Konzernzentrale von Bogner werden wird. Das Modeunternehmen hatte 2021 sein Firmengelände für 55 Millionen Euro an den österreichischen Investor UBM verkauft.
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Der rasante Wandel im lange von der Immobilienwirtschaft stiefmütterlich betrachteten Münchner Osten geschieht nicht zufällig. Ende Oktober ist auf dem ehemaligen Temmler-Areal die "Macherei" eröffnet worden. Das neue Quartier mit Büros, Gastronomie und Hotel ist mit dem Werksviertel am Ostbahnhof eines der Bauvorhaben, die auch die Stadtpolitik gerne herzeigt. "Das neue Quartier funktioniert kraftvoll kreativ nach innen und strahlt wertvoll impulsiv nach außen", sagte etwa Stadtbaurätin Elisabeth Merk bei der Eröffnungsfeier der Macherei.
Erst Pharmafirma, dann Kaffeerösterei
Die Investoren wissen sich in guter Gesellschaft. Wie Handelsregisterdaten belegen, ist an der Neuplan GmbH auch die Münchner Investmentfirma Competo Capital beteiligt. Sie betreut nach eigenen Angaben ein Investitionskapital von knapp vier Milliarden Euro. Anfang 2021 hat die Objektgesellschaft der Neuplan-Gruppe jedenfalls den früheren Firmensitz der Togal-Werk AG - ein Pharmaunternehmen - an der Levelingstraße 18 gekauft. Neben Grundstück und Gebäude aus den Siebzigerjahren bekam die Gesellschaft auch die Mieterin, die in der alten Halle seit acht Jahren Kaffee röstet.
"Wir sind 2012 an der Belfortstraße und auf dem Pfannigelände gestartet", sagt Emanuel Clemm, Gründer und Geschäftsführer von Emilo. Weil das Unternehmen wächst, zieht die Firma 2014 nach Berg am Laim. "Im Togal-Werk haben wir einen wunderbaren Ort gefunden", sagt Clemm. Dennoch habe es 364 Tage gedauert, bis er alle Genehmigungen für das Rösten zusammengehabt habe.
Wegen der Eigenleistungen, die Emilo in den Umbau des Gebäudes steckte, sei mit Togal ein Zehnjahres-Mietvertrag geschlossen worden. 2024 wäre dieser offiziell ausgelaufen, doch dann verkaufte Togal das Areal. Erst an einen Investor, der die Immobilie nur kurz im Bestand hielt, danach ging es an die Neuplan Levelingstrasse GmbH & Co. KG. Und dann sei es mit dem Ärger losgegangen, so beschreibt es Kaffeeröster Clemm, der mittlerweile einen Rechtsstreit mit seiner Vermieterin führt.
Neuplan kündigt den Mietvertrag zwei Jahre vor Ablaufdatum
Denn Neuplan hat Emilo unter Berufung auf einen Schriftformfehler zwei Jahre vor dem Ablaufdatum den Mietvertrag gekündigt und im Zuge der rechtlichen Auseinandersetzung Räumungsklage eingereicht. Zwar liegt der Fall mittlerweile am Oberlandesgericht. Da Emilo allerdings in erster Instanz unterlegen ist, hat sich dennoch für Mitte Januar eine Gerichtsvollzieherin angekündigt. Außer Emilo nimmt das Angebot an, bis Ende März die Levelingstraße zu verlassen.
Gründer Clemm fühlt sich unter Druck, weil in allen Gesprächen von einem Auszug Mitte 2023 die Rede gewesen sei. "Ich bin fast vom Stuhl gefallen, als mir der Vollstreckungsbescheid zugestellt wurde", sagt er. Er hat sich daher entschlossen, seinen Betrieb - das heißt die Rösterei, aber auch die Läden im Glockenbachviertel und Westend - aufzugeben. "Da ist eine Dynamik reingekommen, die es mir nicht mehr möglich macht, meinen Verpflichtungen nachzukommen", sagt er. Er sei verantwortlich für die 30 Mitarbeiter, aber auch den Kunden gegenüber und wolle das Geschäft ordentlich abwickeln.
Investor Neuplan hingegen plant auf dem Areal und weiteren angrenzenden Grundstücken nach eigenen Angaben ein "modernes, ökologisch nachhaltiges und funktionales" sechsgeschossiges Bürogebäude mit 26 000 Quadratmetern Mietfläche. Dabei sei man mit der Stadt München in engem Austausch und habe bereits einen positiven Bauvorbescheid, eine Vorstufe zur Baugenehmigung, erhalten. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung bestätigt, dass 2021 für die Levelingstraße 10-18 der Neubau eines gewerblich genutzten Gebäudes mit Tiefgarage beantragt worden sei. "Inzwischen liegt ein Bauantrag vor, der sich derzeit noch in Prüfung befindet", sagt eine Sprecherin.
"Im Zuge dieser Projektentwicklung ist Neuplan auf sämtliche Bestandsmieter der Altgebäude zugegangen, um in einem offenen konstruktiven Dialog über eine vorzeitige Beendigung der gewerblichen Mietverhältnisse und damit einhergehenden Konditionen zu sprechen", heißt es in einer Mitteilung. Emilo-Geschäftsführer Clemm habe sich einem sinnvollen Austausch verschlossen und eine angebotene Ersatzfläche ausgeschlagen, steht dort außerdem. Und auch, dass ihm eine sechsstellige Abfindungssumme angeboten worden sei. "Wir sind nach wie vor verhandlungsbereit und wundern uns über diese Eskalation", sagt ein Sprecher von Neuplan. Neuplan sehe auch keinen direkten Zusammenhang zwischen der Geschäftsaufgabe und dem Mietstreit.
"Eine Rösterei kann man nicht einfach ausräumen wie einen Schreibtisch"
"Einen Produktionsbetrieb wie eine Rösterei kann man nicht einfach ausräumen wie einen Schreibtisch. Das ist rein technisch gar nicht möglich", sagt Emanuel Clemm. Allein, um die großen Maschinen abzubauen, müsse er eine Spezialfirma beauftragen, die hätten lange Vorlaufzeiten. "Wir suchen schon seit dem Zeitpunkt der Kündigung händeringend nach einem Alternativstandort", sagt Clemm.
Die angebotene Summe reiche vielleicht für die Mietdifferenz, aber das löse das grundsätzliche Problem am Gewerbemietmarkt nicht. "Ich bin gebürtiger Münchner, mein Unternehmen engagiert sich hier: Da will man in der Stadt etwas tun und aufbauen, und dann kommt ein Immobilienhai und zerstört einem die komplette Existenz."