Traditionsunternehmen:Beratung statt Bestellung

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Anna Weber und Matthias Böhmler. (Foto: Robert Haas)

Wie das Familienunternehmen Böhmler gegen die Möbel-Giganten bestehen will und warum man die Innenstadt nicht verlässt, erklären die jungen Geschäftsführer Anna Weber und Matthias Böhmler.

Von Sabine Buchwald

Gedrängt wurde Matthias Böhmler nie. Ziemlich schnell habe er zugestimmt, sagt er, als sein Vater Stephan ihn fragte, ob er in den Betrieb einsteigen wolle. Jetzt ist der 37-Jährige einer der neuen Chefs des großen Einrichtungshauses im Tal. Seit November teilt er sich mit seinem Onkel Thomas Böhmler und Anna Weber, Tochter des früheren Geschäftsführers, die Geschäftsleitung. Aber sein Name steht für den Fortbestand des Münchner Familienbetriebs. Matthias Böhmler ist die fünfte Generation. Es geht also weiter mit dem Geschäft, dass schon bald seinen 150. Geburtstag feiern wird.

Matthias Böhmler bittet zusammen mit Weber in das Besprechungszimmer im vierten Stock des Hauses, in die Abteilung Innenausbau. Man gelangt dorthin zunächst über die monumentale Steintreppe, die vom Eingangsbereich in den ersten Stock führt, und von da weiter mit einem Aufzug. Auf dem Tisch in dem fensterlosen Raum, ein Stück der Firma Sedus, stehen Gläser und Wasserflaschen. Hier, mitten in der Münchner Innenstadt, gleich hinter dem Alten Rathaus, treffen Böhmler und Weber sonst Bauherren und Architekten.

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Warum gibt es die Firma hier immer noch, wo die Münchner Immobilienpreise doch so gigantisch hoch sind? Böhmlers Antwort schießt aus ihm raus: "Weil's Spaß macht. Das hat etwas mit Passion zu tun." Und Weber sagt: "Es ist ein Geschenk, hier zu arbeiten." Die Nähe zum Viktualienmarkt. Dass Matthias in die Fußstapfen seiner Vorfahren gestiegen sei, beruhige die Belegschaft. Auch Anna Weber, 32, ist familiär mit Böhmler verwachsen. Ihr Vater Wolfgang Hofmann war mehr als 15 Jahre Geschäftsführer. Wie er ist Weber für die Themen Büro- und Objektplanung in dem Einrichtungshaus zuständig, das seit 1882 seinen Sitz hier hat.

Johann Georg Böhmler kaufte 1894 Gebäude an dieser Stelle. Die von ihm bereits 1875 gegründete Firma war zu dieser Zeit schon spezialisiert auf Möbel, auch auf Teppiche und Vorhangstoffe, und durfte sich Königlich Bayerischer Hoflieferant nennen. Man mochte es heimelig dunkel und voluminös in dieser Zeit, die noch kein Understatement kannte. Zur Eröffnung des neu gebauten Hauses soll Prinzregent Luitpold von Bayern gekommen sein.

Anfangs wohnte die Familie auch im Haus, da war es noch bis unters Dach im 5. Stock voll mit Ausstellungsstücken und Textilien. Von den 10 000 Quadratmetern Verkaufsfläche seien heute noch etwa 3000 übrig, sagt Matthias Böhmler. "Der Markt hat sich verändert." Der Fokus liegt mittlerweile auf Premium-Möbeln und Design-Klassikern, wertvollen Teppichen, kunstvollen Statement-Pieces etwa von Jan Kath oder aus dem Iran und Nepal, und dazu eingehende Beratung. "Dafür sind 10 000 Quadratmeter in der Innenstadt nicht mehr sinnvoll."

Böhmler war als Kind nicht oft im Geschäft

Fühlt sich Matthias Böhmler verpflichtet, die Familientradition am Leben zu halten? Wurde er darauf vorbereitet? "Gar nicht", sagt er. Er sei als Kind nicht oft im Geschäft gewesen. Und doch erinnert er sich an Momente, wo er als kleiner Junge auf den Teppichstapeln hüpfen durfte. Ein Privileg des Eigentümer-Sohns. Ansonsten habe der Vater seinen Berufsweg nicht beeinflussen wollen. Für Stephan Böhmler war der Weg als Erstgeborener seiner Familie hingegen vorgezeichnet. Als er seinen Sohn vor gut sieben Jahren fragte, hat er ihn nach dessen Ja erstmal ein halbes Jahr zappeln lassen. "Er hat mir alles Negative aufgezählt, klar gemacht, dass ich dann fest an München gebunden bin", sagt Matthias Böhmler. Dann habe er ihn auf Firmenreisen geschickt und schließlich erstmal in die IT-Abteilung der Firma gesteckt, nach dem Credo: "Die Jugend kann das." Matthias Böhmler lacht. Er hatte vorher BWL in Augsburg studiert, war sechs Monate in Südafrika gewesen und als Berufsanfänger zwei Jahre bei einem kleinen Start-up. Lief schon irgendwie mit der IT, sagt Matthias Böhmler. Seitdem er einen Fachmann für diesen Bereich eingestellt hat, funktioniere es aber besser.

Anna Weber kennt das Haus auch schon aus ihrer Kindheit. Anfangs nahm der Vater sie mit, später hat sie in den Ferien hier gejobbt. Auf Teppichen ist sie nie herumgehopst. Seit 2009 gehört sie fest zum Unternehmen, hat in einer dualen Ausbildung ihren Handelsfachwirt gemacht. "Ich bin hier nie weggekommen", sagt sie. "Zum Glück für mich", erwidert Matthias Böhmler. Seit vergangenem November arbeiten sie nun eng zusammen.

Sie setzen auf verlässliche Handwerker, nicht auf den Online-Handel

Um den Möbelgiganten auf der grünen Wiese standzuhalten, setzt das Einrichtungshaus auf seine Tradition, Vertrauen, Beratung und einen Pool von verlässlichen Handwerkern. Auf Online-Handel hingegen nicht. Ein 40 000-Euro-Sofa "unbesessen" per Klick zu ordern, das kann Matthias Böhmler sich kaum vorstellen. "Wir haben eine andere Zielgruppe als XXL Lutz, Segmüller und Co.", sagt er. Es gehe in seinem Haus durchaus um Erlebnis, aber nicht im Sinne von Bespaßung, sondern um das Kauferlebnis. Welcher Stoff passt zu welchem Holz, wo wird was und aus welchem Material gefertigt, das könnten die Berater bis ins Detail erklären. "Wir wollen den Kunden zu dem beraten, was ihn am Ende glücklich macht", sagt Weber. "Unser liebster Kunde ist der, der eine alte Villa kauft und sie herrichten will, wir können im Privatbereich den Innenarchitekten ersetzen", sagt Matthias Böhmler. Ein Hauptgeschäft aber ist das Einrichten von Bürohäusern, das Verlegen von Parkett zum Beispiel, die Sparte von Geschäftsführer Thomas Böhmler. Böhmler Büro und Objekt macht laut seinem Neffen etwa acht bis zehn Millionen Euro Umsatz im Jahr, die Inneneinrichtung 13 bis 15 Millionen Euro, im Fußboden-Segment waren es 2022 gar 55 Millionen. Von den insgesamt 250 Mitarbeitern arbeiten 170 in der Sparte.

Rein wirtschaftlich betrachtet, könnte es für Böhmler interessant sein, den Gebäudekomplex, der zwischen Tal und der Ledererstraße liegt, zu veräußern. Die dazwischen liegende Passage, die mit ihren riesigen Fensterfronten wie ein Design-Showroom wirkt, ist dazugemietet von der Brauerei Schneider. Auch der Böhmler-Satellit Poliform am Anfang der Ledererstraße steckt nicht in der eigenen Immobilie. Doch Matthias Böhmler ist sich sicher: "Das Unternehmen würde außerhalb der Stadt nicht funktionieren. Wir würden unsere DNA verlieren." Expandiert hat Böhmler nach Nürnberg, Stuttgart, Frankfurt als Spezialist für Bodenbeläge.

Seit Anfang Januar ist das Stammhaus von Dienstag bis Samstag geöffnet. "Green Monday" steht an der Eingangstür, soll heißen: montags geschlossen. Aus Energiespargründen, als fester Ausgleich für den verkaufsoffenen Samstag. Die Kundenfrequenz sei besser als früher, sagt Matthias Böhmler. Eine wesentliche Änderung seit seiner Ägide. Früher wären solche Gedanken nicht denkbar gewesen. Aber es gab auch mal mehr Mitarbeiter und drei Geschäftsführer aus der Familie. In der Generation von Matthias Böhmler sind es 21 Personen, er ist der älteste. Seinen Posten mache ihm derzeit aber niemand streitig, sagt er.

Welcher Stoff passt zu welchem Holz? (Foto: Robert Haas)
"Wir können den Innenarchitekten ersetzen", sagt Matthias Weber. (Foto: Robert Haas/Robert Haas)

Auch wenn sich die Verkaufsflächen seit 1875 verkleinert haben, sie wirken immer noch sehr großzügig, besonders wenn man vom oft wuseligen, touristenvollen Tal durch die Tür kommt, vorbei an der "Bar 11" am Eingang. Ausladende Sofas füllen die Ecken, oder Tische, an denen Großfamilien tafeln könnten. Solche Stücke passen immer seltener in den knappen Münchner Wohnraum. Die Stücke sollen anlocken, seien selbstredend meist auch in kleinerem Format zu haben, erklärt Anna Weber. Wie sind die Trends? In Büros mehr Kommunikationsflächen, Rückzugsorte und mehr Farbe, sagt sie. Zuhause gebe es eine große Vermischung von Indoor- und Outdoormöbeln, ergänzt Matthias Böhmler. Die neuen Textilien können nass werden, der Balkon oder die Terrasse werde zum zusätzlichen Zimmer. Fürchtet er das Haus IKEA in der Innenstadt. "Nein", sagt Matthias Böhmler. "Aber fragen sie mich in fünf Jahren nochmal."

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Handel
:Das älteste Einrichtungshaus von München

Schon seit mehr als einem Jahrhundert verkauft Familie Böhmler Möbel. Den Betrieb haben immer Männer geführt - das ändert sich auch nicht in der nächsten Generation.

Von Pia Ratzesberger

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