Vaterstetten:Millionen-Deal für Vaterstetten geplatzt

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Auf den Wiesen, die bisher landwirtschaftlich genutzt wurden, wird ein großes Gewerbegebiet entstehen. Am Donnerstag haben die Firmen erstmals einen Entwurf präsentiert, wie die Bebauung aussehen könnte. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Trotz BMW und Krauss-Maffei: Bei den Verhandlungen zum Grundstückstausch kann die Gemeinde nicht mithalten - und muss so auf viel Geld verzichten.

Von Korbinian Eisenberger, Vaterstetten

Es ist eine Nachricht, auf die sie in Vaterstetten einige Zeit hingearbeitet haben: Die Gemeinde wird Firmensitz von BMW und Krauss-Maffei, so hieß es am Mittwoch. Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass bei dem Geschäft nicht alles so gelaufen ist, wie es sich die Gemeinde Vaterstetten vorgestellt hat.

Zwar werden beide Unternehmen künftig einmal Gewerbesteuer an die Gemeinde zahlen. Ein zweites Bestreben hat sich hingegen erledigt: Beim Grundstückstausch mit dem Freistaat Bayern, der für die Umsiedlung beider Firmen nötig war, wird die Gemeinde anders als erhofft kein Geld verdienen. Im Umkehrschluss heißt das: Für Vaterstetten hat sich ein Millionen-Geschäft zerschlagen. Das wurde am Donnerstagvormittag auf einer Pressekonferenz im Vaterstettener Rathaus bekannt.

Vaterstettens Wirtschaftsförderer Georg Kast erklärte auf Nachfrage, dass die Gemeinde beim Verkauf des Areals für die Firmenansiedlung in Parsdorf nicht mehr beteiligt ist. "Die Gemeinde ist in dem Geschäft nicht mehr vertreten", sagte Kast. Es handle sich nun um einen Vertrag ausschließlich zwischen dem Freistaat Bayern und dem Investor "VGP", der hinter Krauss-Maffei und BMW steht.

Die Hintergründe, warum Vaterstetten beim Verkauf leer ausgeht

Zum Hintergrund: Damit Krauss-Maffei und BMW überhaupt nach Parsdorf umsiedeln können, brauchte es einen Grundstückstausch mit mehreren Beteiligten, darunter war bisher auch die Gemeinde. Das Areal, auf dem nun gebaut wird, befand sich im Eigentum des Freistaats. Der gemeinsamen Entwicklungsgesellschaft der Gemeinde und dem Investor VGP gehörte hingegen eine Fläche bei Neufarn, die für diese Gewerbeansiedlung ungeeignet wäre. Deswegen wurde getauscht.

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Der Haushaltsausschuss des Landtags genehmigt den notwendigen Flächentausch und macht damit den Weg frei für ein Gewerbegebiet. Außer Steuereinnahmen bringt das der Gemeinde etwa 3000 Arbeitsplätze.

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Warum also geht Vaterstetten beim Verkauf leer aus? Grund ist, dass der Deal einen Haken hatte: Die Grundstücke sind nicht gleich viel wert, weswegen Gemeinde und Investor noch Geld drauflegen mussten, insgesamt 60 Millionen Euro, so wurde spekuliert, davon ein Drittel zulasten der Gemeinde. Nun ist klar: Wie hoch die Forderung des Freistaat Bayerns für den Mehrwert ihres Grundstücks auch immer gewesen ist: Für Vaterstetten war das zu teuer. Wie am Donnerstag aus gut informierten Kreisen zu erfahren war, konnte sich die Gemeinde die Summe nicht leisten. Also übernahm der Investor sämtliche Kosten und Kompetenzen. Um wie viel Geld es ging, darüber bewahrten alle Beteiligten Stillschweigen.

Für die Gemeindekasse Vaterstettens hätte es finanziell lukrativer ausgehen können und sollen, anders als in vorangegangenen Projekten. Diesmal wolle man "selber die Hand drauf halten", hatten Wirtschaftsförderer Kast und die Bürgermeister kolportiert. Ziel wäre gewesen, eine Teilinvestition selbst zu stemmen und so Bereiche jenes Grundstücks zu besitzen, auf dem nun zwei europäische Schwergewichte ihre Unternehmen ausbauen wollen. Sprich: Sie hätten das als Ackerland erworbene Grundstück nun als Bauland an die Firmen weiterverkaufen können. Weil Bauland teuer ist, hätte die Gemeinde deutlich mehr Geld verlangen können als den Einkaufspreis, womöglich gar eine zweistellige Millionensumme mehr, wie zu erfahren ist. Diese Chance hat die finanziell angespannte Gemeinde Vaterstetten verpasst.

2000 neue Arbeitsplätze dürften auch den Verkehr beeinflussen

Der Haushaltsausschuss im Landtag hatte dem Deal am Mittwoch zugestimmt, und so werden bald 67,4 Hektar landwirtschaftlicher Fläche für ein Gewerbegebiet zur Verfügung gestellt - eine Fläche so groß wie 95 Fußballfelder. BMW will dort bereits im Sommer 2020 sein Logistikzentrum neu eröffnen, das bisher in München in der Heidemannstraße untergebracht ist. Der Konzern sprach von 200 Mitarbeitern, die dann den Standort wechseln. Bei Krauss-Maffei wechseln 1800 Mitarbeiter den Standort, die derzeit in München Allach beschäftigt sind. Deren Umzug soll in drei Etappen geschehen: 2022, 2024 und 2026, "so der grobe Plan", wie eine Konzernsprecherin in Vaterstetten mitteilte.

Für den Standort Parsdorf heißt das neben der erwartbaren steigenden Gewerbesteuer: Mehr Arbeitsplätze, aber auch mehr Verkehr. Die Grünen in Vaterstetten reagierten am Donnerstag mit einer entsprechenden Erklärung. "Durch die Ansiedlung der zwei Großbetriebe mit über 2000 Beschäftigten wird sich die Situation weiter verschärfen", heißt es darin.

Die S-Bahn-Linie 2 (die zur Haltestelle Grub fährt) sei bereits jetzt "ständig an oder über ihrer Belastungsgrenze". Vaterstettens Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) erklärte, dass die 1700 Mitarbeiter von Krauss-Maffei, also die große Mehrheit, differenziert zu betrachten seien, weil deren jeweils siebenstündige Schichten um 6 und um 14 Uhr beginnen - also entgegen der üblichen Arbeitszeiten.

Bei BMW fallen hingegen weniger die 200 Beschäftigten ins Gewicht als die Transportfahrzeuge. Ein Firmensprecher teilte am Donnerstag mit, dass man dort mit 25 bis 50 Kleinlastern und 25 Sattelschleppern rechnen müsse, die täglich in Parsdorf ein- und ausfahren werden. Vaterstettens Wirtschaftsförderer ergänzte, dass hier ein "Puffer nach oben" von bis zu 350 Fahrzeugen sei.

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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