Mitten in Ebersberg:Mit Schnuller wär das nicht passiert

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Symbolfoto. (Foto: Christian Endt)

Die Schutzmaske macht den Alltag zur neuen Herausforderung - etwa beim Einkauf mit Kleinkind an der Fleischtheke.

Kolumne von Franziska Langhammer

Um den Kleinen den Schnuller zu entwöhnen, lässt man sich heutzutage so einiges einfallen. Effektiv, aber nervenaufreibend gestaltet sich etwa der kalte Entzug: Der Diezi ist einfach weg. Verschwindibus. Besonders geduldige Eltern gestalten schon mal liebevoll Fotobücher, in denen Papa und Mama den "Diddi" schnullern und diesen dann, auf dem nächsten Bild, lächelnd in den Abfalleimer werfen. Auch vielerlei pädagogisch aufbereitete Bilderbücher zur Nuckel-Entwöhnung finden sich in so manch literarischem Kanon bildungs- und zahnbewusster Familien.

In "Ein Bär von der Schnullerfee" wird dem zu entschnullernden Kind besonders drastisch vor Augen geführt, was für Nebenwirkungen das Sauggerät hat: Ständig Sabber am Kinn, im Morgenkreis im Kindergarten wird man nicht verstanden und sogar ausgelacht. Die Frau an der Wursttheke, die dem Mädchen ein Stückchen Wurst schenken will, kann das Kind wegen des Diezis im Mund nicht richtig hören - und reicht ihm statt einem wohlschmeckenden Scheibchen Gelbwurst ein Stück verhasster Blutwurst. Bäh. Wenn nicht der Schnulli wäre, würde das Kind jetzt spucken.

Nun steht man selbst an der Wursttheke und muss so einige Nachfragen über sich ergehen lassen. "Zwei oder drei Paar Wiener? Oder haben Sie Lyoner gesagt?" Der Schritt nach vorn, näher hin zur Fleischfachverkäuferin oder ihren Kollegen, ist nicht erlaubt. Ein weiß-rot-gestreiftes Absperrband weist darauf hin. Auch erhöhte Lautstärke hilft nicht viel gegen das unkonturierte Genuschel, das man von sich gibt. Schuld ist der Mundschutz, in den derzeit jeder Käufer mit Betreten des Supermarkts schlüpft. "Ich hab am Anfang a ghäkeltes Teil aufghabt. Mei, hab ich da gschwitzt", ruft eine Verkäuferin. "Und versteh duad ma gar nix", brüllt ihre Kollegin hinzu.

Langsam wird die Luft unter dem Mundschutz stickig. Ein flüchtiger, ja, sehnsüchtiger Blick zum einjährigen Sohn im Einkaufswagen, der fröhlich an seinem Schnuller saugt und problemlos durch die Nase atmen kann. Nachdem endlich die zwei Paar Wiener bestellt sind, wird kurzerhand auf den Sonntagsbraten verzichtet, denn es scheint unmöglich, das Wort "Schweineschulter" durch das Stückchen Stoff zu drücken. Außerdem ist eh weniger Fleischkonsum angeraten. Zuhause, befreit vom Mundschutz, entpackt man die Einkäufe und legt verdutzt drei Paar Debreziner in den Kühlschrank. Hm, naja, auch gut. Aber klar ist auch: Mit Schnuller wär das nicht passiert.

© SZ vom 05.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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