Flüchtlingsunterkunft Markt Schwaben:Verein kritisiert "Panikmache"

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"Refugees Welcome": Der Aufkleber am Eingangstor des Firmengebäudes, das einmal Flüchtlingsunterkunft werden soll, spiegelt nicht die Einstellung der meisten Anwohner wider. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Flüchtlingshilfsorganisation "Seite an Seite" spricht sich ausdrücklich für die Unterkunft in einem früheren Firmengebäude aus - und wirbt für ein "für ein offenes, buntes und vielfältiges Markt Schwaben".

Von Barbara Mooser, Markt Schwaben

Die Vorbehalte gegen eine neue Flüchtlingsunterkunft Am Ziegelstadel in Markt Schwaben sind groß, das zeigt allein die Tatsache, dass innerhalb kurzer Zeit die notwendigen Unterschriften für ein Bürgerbegehren gegen das Projekt gesammelt wurden. Bis zu 120 geflüchtete Menschen in einem "Familienwohngebiet" unterzubringen, das hält so mancher Nachbar für eine Zumutung. Ebenso wird die Sorge geäußert, dass die Gegend rund um den Markt Schwabener Bahnhof durch die Schutzsuchenden noch mehr zum "Brennpunkt" werden könnte als es ohnehin schon der Fall sei.

Nun meldet sich der Flüchtlingshilfsorganisation "Seite an Seite" zu Wort - mit deutlicher Kritik an dem, was momentan in Markt Schwaben passiert. "Mit großem Missfallen betrachten wir die Falschinformationen und das Schüren von Ängsten sowie Panikmache wie es die Bürgerinitiative sowohl auf ihrer Homepage als auch beim Sammeln der Unterschriften geäußert hat", so "Seite an Seite" in einer Pressemitteilung. "Wir sind für ein offenes, buntes und vielfältiges Markt Schwaben. Die Vergangenheit beweist, dass das Zusammenleben der 80 Nationen sehr friedlich und gut funktioniert", unterstreicht er.

Unter anderem wendet sich der Verein gegen die Behauptung einiger Unterschriftensammler, dass im Laufe des siebenjährigen Anmietungszeitraums für die Unterkunft aufgrund der Fluktuation an die 1200 Asylbewerber nach Markt Schwaben kommen könnten. Dies sei "falsch und irreführend", unterstreicht der Verein, seinen Erfahrungen zufolge ist der Wechsel in den Asylunterkünften aufgrund der langen Verfahren, des meist folgenden Klagewegs und der mangelnden Alternativen auf dem Wohnungsmarkt selbst für Menschen mit Bleiberecht wesentlich geringer.

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Zudem verwahrt sich der Verein gegen die Kritik der Bürgerinitiative daran, dass "überwiegend männliche Asylbegehrende untergebracht werden". Zum einen sei momentan noch gar nicht klar, wer dort tatsächlich wohnen werden, zum anderen würden männliche Asylsuchende "durch das gezielte Framing der Bürgerinitiative diffamiert und vorverurteilt". Ebenso sei "in keiner Weise plausibel dargelegt, inwiefern die geplante Unterkunft Auswirkungen auf die Situation um den Markt Schwabener Bahnhof haben sollte". Vielmehr handle es sich um eine scharfmachende Hypothese, für die es dem Anschein nach keine stichhaltige Anhaltspunkte gebe.

Dass der Marktgemeinderat vor gut drei Wochen auf Antrag der Fraktionen von CSU/FDP und FW eine Entscheidung gegen die Unterkunft Am Ziegelstadel gefasst hat, "halten wir für ein fatales Signal und bewerten diesen aufgrund seines spalterischen Charakters als politisch unverantwortlich".

Der Verein will, dass die Menschen freundlich willkommen geheißen werden

Der Verein befürwortet laut seiner Pressemitteilung den Standort ausdrücklich - im Gegensatz etwa zur Unterbringung in einem Containerdorf oder einer Turnhalle. Einen Kritikpunkt kann "Seite an Seite" allerdings zum Teil nachvollziehen: den einer gewissen Konzeptlosigkeit bei der geplanten Unterkunft. Hier plädiere man für eine konstruktive Zusammenarbeit aller Akteure. Integration könne gut funktionieren, "wenn die Menschen freundlich willkommen geheißen und unterstützt werden". Man wünsche sich "ein harmonisches und einander zugewandtes Zusammenleben mit Geflüchteten und rufen alle Bürger in Markt Schwaben dazu auf dabei mitzuwirken".

Ohnehin sieht es derzeit eher nicht danach aus, als sei die Unterkunft in dem früheren Firmengebäude noch zu verhindern. Denn der Mietvertrag ist unterschrieben, die Vorbereitungen für den Einzug der Geflüchteten im zweiten Quartal laufen bereits. Dass die Gemeinde hier noch eine Veränderungssperre erlassen kann, um die Weichen für eine andere Nutzung zu stellen, schließen die staatlichen Juristen im Landratsamt vor dem Hintergrund von rechtlichen Sonderregeln für Asylbewerberunterkünfte aus. Auch ein Gemeindetagssprecher teilt die Einschätzung. Das Begehren sei vermutlich unzulässig, sagte er der SZ Ebersberg, da eine "reine Verhinderungsplanung" in der ständigen Rechtsprechung nicht möglich sei. Könne der Gemeinderat nicht verhindern, dass Flüchtlinge in die Unterkunft einziehen, könne auch ein Bürgerbegehren daran nicht mehr viel ändern.

Dennoch wird in der Gemeinde derzeit geprüft, wann der Bürgerentscheid stattfinden könnte, unter anderem wäre eine Abstimmung gleichzeitig mit der Europawahl denkbar - dann also, wenn voraussichtlich bereits Geflüchtete in dem früheren Firmenbau wohnen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurden die Aussagen einem der Sprecher des Vereins "Seite an Seite" zugeordnet. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Stellungnahme des ganzen Vereins.

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