Französische Partnergemeinden:Auf die Freundschaft

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Seit Jahrzehnten pflegen die Ebersberger enge Beziehungen mit ihren Partnern in Frankreich. Doch junge Menschen für die Städtefreundschaft zu begeistern, ist gar nicht so einfach. (Foto: Johannes Simon)

Am 22. Januar jährt sich die Unterzeichnung des Élysée-Vertrags zum 61. Mal. Dafür hat die SZ bei den Ebersberger Partnergemeinden in Frankreich nachgefragt: Wie erleben Yssingeaux, Allauch und Saint-Marcellin die binationalen Beziehungen?

Von Saladin Salem, Ebersberg

Mit acht Jahren macht sich die Tochter von Chantal Bertin auf den Weg nach Deutschland. Mehr als 700 Kilometer weit muss das Mädchen aus dem französischen Allauch, nordöstlich von Marseille, reisen. Denn es geht zum Schüleraustausch nach Vaterstetten - das war im Jahr 1990. Seitdem hat sich für Mutter Bertin einiges verändert. Seither komme sie jedes Jahr die Austauschpartnerin ihrer Tochter in Allauch besuchen.

Dass die damals neunjährige Vaterstettenerin heute bereits 42 Jahre alt ist, hält Bertin nicht davon ab, sie nach wie vor "notre petite Ute" - also "unsere kleine Ute" - zu nennen. Und mehr noch als das: Chantal Bertin ist inzwischen seit 23 Jahren Vorsitzende des französischen Partnerschaftskomitees der Stadt Allauch und kümmert sich um die Beziehungen in das oberbayrische Vaterstetten.

Chantal Bertin (Mitte) mit Freunden auf dem Bierfest von Allauch 2023. (Foto: Chantal Bertin/oh)

Allauch ist flächenmäßig etwa halb so groß wie Paris, zählt aber nur einen Bruchteil der Einwohner der Weltstadt. Gut 20 000 Menschen leben in dem von Hügeln durchzogenen Ort nahe dem Mittelmeer. Die Städtepartnerschaft mit Vaterstetten besteht seit 42 Jahren - und ist damit genauso alt wie "petite Ute". In dieser Zeit habe sie viele wertvolle Freunde in der deutschen Gemeinde gewonnen, erzählt die 67-jährige Bertin. Aber nicht nur sie: In den Jahren der Partnerschaft soll es gar fünf Hochzeiten zwischen Deutschen aus Vaterstetten und den "Allaudiens" gegeben haben. Sie fühle sich heute in Vaterstetten wie zu Hause. Etwa 50 Mal sei sie in ihrer Zeit als Komiteevorsitzende zu Besuch in ihrer Partnerstadt gewesen, auch um die kleine Ute zu sehen.

Neben ihren Freundschaften habe sie auch einiges an Traditionen mit nach Frankreich genommen, berichtet Bertin, beispielsweise Adventskränze, Glühwein und Apfelstrudel. Dass sie mit bayerischem Gebäck und Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt von Allauch zu finden sei, ist mittlerweile in der Stadt bekannt, sagt sie. Auch ein Bierfest werde jedes Jahr veranstaltet, zu dem in der Vergangenheit sogar schon die Musikkapellen aus Gelting oder Ammerthal spielten. Aber nicht nur die "Allaudiens" sind von ihren Beziehungen zum Landkreis Ebersberg geprägt. Gleiches gilt für die Bewohner von Yssingeaux und Saint-Marcellin, Partnergemeinden von Ebersberg und Grafing.

Die Partnerschaften symbolisieren "Freundschaft und Frieden"

Für Mathieu Germain ist 2024 ein ganz besonderes Jahr in seiner Heimat Saint-Marcellin im Südosten Frankreichs. Im Mai sollen dort 30 Jahre Städtepartnerschaft gefeiert werden, 2023 war das Jubiläum schon einmal in Grafing begangen worden. Der 26-Jährige ist nun seit mehr als drei Jahren im Komitee seiner Stadt engagiert. Von seinen ersten Besuchen in Grafing sind ihm vor allem die Trachten, das Aufstellen des Maibaums sowie traditionelle Lieder und Tänze in Erinnerung geblieben. "Wir hatten in Saint-Marcellin jahrelang einen Maibaum, der von Grafing gestiftet wurde", erzählt Germain. Dieser sei aber abgebaut worden, als er nicht mehr in Schuss war, erinnert er sich. "Wir planen, eines Tages einen neuen aufzustellen", versichert der Vorsitzende des Partnerschaftskomitees.

Mathieu Germain, Vorsitzender des Partnerschaftskomitees von Saint-Marcellin, 2023 zu Besuch in der Stadthalle Grafing. (Foto: Christophe Rascle/oh)

Die Grafinger selbst habe Germain als besonders herzlich wahrgenommen. Und die Bewohner von Saint-Marcellin hätten viele prägende Erinnerungen an ihre deutschen Partner. "Ich kenne persönlich mehrere Personen, die dauerhafte Freundschaften mit Grafingern pflegen", so Germain. Gerade junge Menschen könnten von Austauschprogrammen der beiden Städte profitieren, sagt er. Erst 2023 besuchte eine Delegation aus Saint-Marcellin die Partnerstadt. Auch viele junge Fußballer würden dank des Austauschs ihre ersten Aufenthalte im Ausland erleben. Das sei besonders für "Kinder aus Familien mit begrenzten Mitteln" wertvoll.

Die Partnerschaft sei daher sehr bedeutend und symbolisiere "Freundschaft und Frieden". Schließlich sei Saint-Marcellin im Zweiten Weltkrieg ein wichtiger Standort für die französische Widerstandsbewegung gewesen. 1944 wurde der Ort von den Deutschen bombardiert. Auch das gehört zur Vorgeschichte der deutsch-französischen Freundschaft. "Leider muss man sagen, dass die Covid-Zeit die Städtepartnerschaften und die Bereitschaft der Menschen, sich in Vereinen zu engagieren, gebremst hat", sagt Germain über die heutige Situation des Partnerschaftskomitees.

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Ähnlich empfindet das Dominique Liogier, die Vorsitzende des Komitees von Yssingeaux. Bald 27 Jahre ist die Partnerschaft mit der Stadt Ebersberg schon alt. Trotzdem habe es die deutsche Sprache zunehmend schwerer, berichtet sie: "In Yssingeaux, wie in vielen anderen Städten in Frankreich, zieht Deutsch nicht mehr wirklich Jugendliche an. Die Sprache wirkt kompliziert und weniger nützlich als Spanisch oder Italienisch." Die Sprache sei eben auch die größte Hürde, wenn es darum gehe, junge Menschen für die Partnerschaft zu begeistern, sowohl in Ebersberg als auch in Yssingeaux. Auch die örtlichen Sportvereine für einen Austausch zu begeistern, erweise sich als schwierig.

Deutsch-französische Freundschaft im Jahr 1997: Der ehemalige Bürgermeister von Yssingeaux, Jacques Barrot, unterzeichnet den Vertrag über die Partnerschaft seiner Stadt mit Ebersberg. (Foto: privat)

Dennoch freue man sich auf den Besuch in Ebersberg in diesem Juli, erzählt die 63-Jährige. Dabei sollen auch neue Anreize geschaffen werden, sich dem Partnerschaftskomitee anzuschließen, besonders junge Menschen brauche es. Sie selbst war als 16-Jährige zum ersten Mal in Bayern, damals reiste sie nach Regensburg. Seit 1998 kommt Liogier regelmäßig mit ihrer Familie nach Ebersberg und pflegt "extrem starke freundschaftliche Bande" zu ihrer Gastfamilie, wie sie sagt. "Zu Beginn sprachen unsere Kinder nicht die Sprache des jeweils anderen, aber eine Verbindung hat sich trotzdem zügig aufgebaut." Die Gastfreundschaft der Ebersberger schätze sie sehr, besonders, dass sie in Ebersberg auf Französisch empfangen würden.

"Viele geben sich Mühe, unsere Sprache zu sprechen", erzählt die Vorsitzende. "Andersherum wäre das viel schwieriger". Sie selbst habe damals Deutsch gelernt und sich dabei ganz gut geschlagen. Nun hofft sie, dass die junge Generation weiterhin die Partnerschaft am Leben erhält. Dafür seien auch die Schüleraustausche gedacht. Seit drei Jahren würden zudem Jugendliche einer Oberschule in Yssingeaux dank des Erasmus-Programms für Praktika nach Ebersberg reisen. "Das kann auch dabei helfen, neue Familien und junge Menschen zu gewinnen."

Der Ebersberger Bürgermeister Ulrich Proske, der Bürgermeister von Yssingeaux Pierre Liogier, Dominique Liogier, und die Vorsitzende des deutschen Partnerschaftskomitees, Edeltraud Scheckel, 2023 in Yssingeaux. (Foto: Partnerschaftskomitee von Yssingeaux)

Für Chantal Bertin in Allauch soll es nun das letzte Jahr als Vorsitzende ihres Partnerschaftskomitees sein. Es sei an der Zeit, den Stab weiterzureichen, sagt sie. Die Entscheidung sei gut überlegt: "Die Jahre vergehen zu schnell, und ich habe sie mit dieser schönen Städtepartnerschaft gut verbracht." Die Freundschaft mit Vaterstetten sei ein gutes Zeichen von "Dynamik und Konstanz" für die Stadt. So gehe Allauch im Départment Bouches-du-Rhône mit gutem Beispiel voran. Dennoch werde es in Zukunft wohl schwieriger, neue Gastfamilien zu finden, befürchtet Bertin - auch sie sagt: Immer weniger Franzosen wollten Deutsch als Fremdsprache lernen.

Für 2024 macht sie sich allerdings keine Sorgen um die Beziehungen nach Vaterstetten. Es stehen mehrere Austauschprogramme im Handball und Fußball auf dem Plan, auch die Deutschschüler in Allauch wünschen sich noch einen Aufenthalt in der Partnergemeinde. Für die Zukunft der Partnerschaft sei es wichtig, den sportlichen Austausch zu fördern, Deutschunterricht und Auslandsaufenthalte fortzuführen, den jungen Menschen Lust auf neue Erfahrungen und Freundschaften zu machen. Dabei müsse man wohl beharrlich bleiben und weiter werben, sagt Bertin. Für sie steht fest: "Die Städtepartnerschaft ist eine schöne Geschichte von Liebe oder Freundschaft, die wir gerne mit unseren Herzen geschrieben haben."

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