Wohnungsmarkt im Landkreis:Zwischen Empathie und Furcht

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Für Menschen mit Migrationshintergrund ist die Wohnungssuche quasi aussichtslos. (Foto: Ute Grabowsky/photothek.net via www.imago-images.de/imago images/photothek)

Die Hilfsbereitschaft gegenüber ukrainischen Geflüchteten ist groß. Gleichzeitig gibt es im Landkreis Ebersberg viele Menschen aus anderen Herkunftsländern, die schon seit Jahren auf der Suche nach einer eigenen Bleibe sind.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Eigentlich sollte an dieser Stelle die Geschichte eines afrikanischen oder syrischen oder afghanischen Geflüchteten stehen, der seit Jahren in einer staatlichen Unterkunft in Ebersberg untergebracht ist und verzweifelt nach einer eigenen Wohnung oder auch nur einem eigenen Zimmer sucht. An den verantwortlichen Stellen nachgefragt, heißt es: Oh ja, da haben wir einige Beispiele. Aber niemand will von seiner Situation erzählen - sei es aus Scham, sei es aus Angst, sei es aus anderen Gründen.

Die Zahlen aus dem Landratsamt zeigen, dass es für viele Menschen, die nach ihrer Flucht in Ebersberg gelandet sind, sehr schwierig ist, eine eigene Unterkunft zu finden: Im Jahr 2017 waren 902 Geflüchtete in öffentlichen Unterbringungen gemeldet, davon 332 auf der Suche nach einer Wohnung; alle anderen hatten noch nicht den Status im Asylverfahren erreicht, dass sie sich eine eigene Bleibe suchen durften. Stand Anfang Dezember waren im Landkreis 1022 Menschen in Gemeinschaftsunterkünften, Containern oder staatlich angemieteten Wohnungen untergebracht, davon suchen 169 Menschen eine eigene Wohnung.

Der Anzinger Kreis- und Gemeinderat Reinhard Oellerer hilft seit Jahren Flüchtlingen unter anderem bei der Wohnungssuche. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Reinhard Oellerer, Kreis- und Gemeinderat der Grünen aus Anzing, kann von der Schwierigkeit berichten, für Geflüchtete Wohnraum zu finden. Er selbst begleitet seit Jahren Menschen meist aus afrikanischen Ländern, die in Anzing Fuß fassen wollen, und hat dafür auch schon des Öfteren bei potenziellen Vermietern angerufen. "Sobald ich dann zum Beispiel gesagt habe, es handelt sich um einen Mann aus Eritrea, hieß es schnell: 'Ja, das überleg ich mir' - und wir haben nie wieder was gehört", so Oellerer. Manche Menschen lebten nun seit 2015 in einem Mehrbettzimmer in der Gemeinschaftsunterkunft, mit Spind und geteilter Küche - und mit wenig Aussicht auf eine eigene Wohnung oder ein eigenes Zimmer.

2015 wurden bewusst Ängste gegen die Geflüchteten geschürt

Glücklicherweise hätten einige Geflüchtete eine Unterkunft gefunden in zwei Gebäuden der Regierung von Oberbayern in der Parkstraße. In kleinen Zwei-Zimmerwohnungen von etwa 45 Quadratmetern seien nun kleine Familien und auch eine Wohngemeinschaft untergebracht. Auf dem freien Markt jedoch hätten es insbesondere Männer mit afrikanischen Wurzeln besonders schwer, eine Bleibe zu finden. Die Wohnungen sind rar gesät in der Region. Erfreulich natürlich, aber auch erstaunlich war es deshalb für Reinhard Oellerer, dass zahlreiche ukrainische Geflüchtete in wesentlich kürzerer Zeit mehr Glück hatten bei der Wohnungssuche. Mehr als 100 Mietverhältnisse zwischen Ukrainern und Ebersberger Vermietern wurden im Landkreis seit Beginn des Krieges geschlossen, diese Zahl war kürzlich im zuständigen Ausschuss des Kreistages zu erfahren.

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Die Vermutung des Flüchtlingshelfers, warum das so ist: das Mitgefühl, das man mit ukrainischen Geflüchteten hätte, der schreckliche Krieg, der sich in der europäischen Nachbarschaft abspielt, und auch, dass es überwiegend Frauen und Kinder waren und sind, die aus der Ukraine fliehen. "Bei früheren Fluchtbewegungen", sagt er, "gab es zwar anfangs Dutzende von Mitarbeitenden in der Initiative 'Offenes Anzing', aber es gab auch Ängste, und manchmal wurden diese bewusst geschürt. Einerseits war da viel Empathie, bei manch anderen Furcht vor Kontrollverlust und Überfremdung, auch glatte Ablehnung der neuen Mitbürger."

Der Grünen-Politiker befürchtet, dass es wegen eines Beschlusses des Landkreises von nun an noch schwieriger für Geflüchtete wird, eine Unterkunft in Ebersberg zu finden: Zwar zahle das Jobcenter nun mehr Geld für Wohnungen, gleichzeitig orientierten sich die neuen Mietobergrenzen an deutlich weniger real verfügbaren Wohnungen. "Vom Preis her kommt diese Neuerung den Mietern entgegen", so Oellerer, "das Angebot an Wohnungen jedoch wurde um acht Prozent gekürzt."

Die Helferkreise brauchen dringend neue Mitglieder

Dass es natürlich auch für Ukrainer schwierig werden könne auf Wohnungssuche im Landkreis, erzählt Grünen-Kreisrätin Ottilie Eberl. Als sie eine alleinstehende ukrainische Frau bei einer Besichtigung begleitete und der Vermieter erfuhr, dass das Jobcenter vorerst die Kosten übernehmen würde, winkte der Mann gleich ab. Er hatte bereits negative Erfahrungen gemacht mit Menschen, die von Sozialleistungen abhängig waren.

Die Regelung besagt nämlich, dass das Jobcenter die Miete nicht an den Vermieter direkt, sondern an die Hilfeempfänger überweist. Der Transfer an den Vermieter scheint nicht immer reibungslos zu klappen, nicht zuletzt wegen Kommunikationsschwierigkeiten. Außerdem dürfen Mieter den Mietvertrag erst unterschreiben, wenn das Jobcenter sein OK gegeben hat. "Das verzögert die Sache oft", berichtet Ottilie Eberl. Als Mitglied eines Helferkreises fungiere man hier oft als halber Bürge, müsse Vertrauen aufbauen - damit der Vermieter nicht gleich wieder abspringt. "Hier wäre es wichtig, dass die Helferkreise größer werden", so Eberl.

Ohne eigene Wohnung kann die Familie nicht nachkommen

Ein ganz anderes Problem für die Geflüchteten, die schon seit Jahren nach eigenen Wohnungen in Ebersberg suchen, spricht Caterina Maurizi von der Ausländerhilfe an. Viele anerkannte Geflüchtete brauchen unter anderem erst eine eigene Bleibe, bevor ihre Familienangehörigen nachziehen können. Diese seien oftmals in Nachbarstaaten des Herkunftslandes geflohen und warten verzweifelt darauf, nachreisen zu können. In 99 Prozent seien die Menschen, die bereits in Ebersberg wohnten, Männer, die derzeit in Obdachlosen- oder Asylunterkünften leben - mit wenig Perspektive auf eine Änderung ihrer Situation. "Es gibt Familien, die warten seit mindestens vier Jahren darauf, dass sie eine Wohnung im Landkreis finden", so Maurizi.

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