Armut im Landkreis:Mehr und doch weniger

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Die allgemeinen Preissteigerungen im Land wirken sich auch auf die Mieten im Landkreis aus. Deshalb sollen Bürger, die Sozialleistungen beziehen, von nun an entlastet werden. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Der Landkreis Ebersberg zahlt Beziehern von Sozialleistungen ab Januar mehr Geld für die Miete. Dennoch bedeuten die neuen Obergrenzen eine Kürzung.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Landkreisbürger, die Sozialleistungen beziehen, können von Januar an mit mehr Geld für die Miete rechnen. Der zuständige Ausschuss des Kreistages hat nun beschlossen, die Obergrenzen neu festzulegen und an die gestiegenen Preise anzupassen. Gleichzeitig wurde aber auch eine Kürzung der Bezüge beschlossen: Die neuen Maximalmieten orientieren sich an den günstigsten 25 Prozent der verfügbaren Wohnungen, früher wurde immer das untere Drittel zur Berechnung herangezogen.

Zwei große Neuerungen gibt es für Bezieher von Hartz IV und Grundsicherung im Landkreis vom kommenden Jahr an. Zum einen werden die Mietobergrenzen anders berechnet als in den Vorjahren. Bislang waren dafür die sogenannten Bruttokaltmieten Berechnungsgrundlage. Diese setzen sich aus der Miete plus Nebenkosten minus Heizkosten zusammen. Eine Kalkulation, die laut Benedikt Hoigt, Geschäftsführer des Ebersberger Jobcenters, sehr unübersichtlich und auch nicht marktüblich sei. So würden bei Wohnungsangeboten überwiegend die Nettokaltmieten ausgepreist, also die reinen Mieten ohne Nebenkosten.

Die Höhe des Zuschusses variiert je nach Art des Gebäudes

Deshalb habe man sich zu der neuen Kalkulation entschlossen. Dies sei auch im Sinne der Leistungsbezieher. Durch die Änderung könnten diese nun genau sehen, bis zu welcher Höhe das Amt die Mieten übernimmt. Für die Nebenkosten gibt es eigene Tabellen, je nach Art des Gebäudes - etwa Baujahr, Heizungstyp, Dämmung und ähnlichem - liegt der Zuschuss vom Amt in einem Bereich zwischen 30 bis 130 Euro im Monat für einen Ein-Personen-Haushalt und 50 bis 200 Euro für einen Fünf-Personen-Haushalt.

Für diese Neuberechnung gab es keine Kritik aus dem Gremium. Eine andere Neuerung bei den Obergrenzen wurde da schon kontroverser diskutiert: Die Frage, ab wann eine Miete als "angemessen" zu betrachten sei. Hier schlug die Verwaltung vor, künftig deutlich weniger Wohnungen einzubeziehen. Statt das untere Drittel bei den Mietpreisen soll ab Januar das günstigste Viertel die Grenze sein.

Um diese zu ermitteln hatte die Firma Empirica insgesamt 2954 Mietangebote im Landkreis untersucht und je nach Wohnungsgrößen und Preis-Regionen in insgesamt 20 Einzelkategorien eingeteilt (s. Anhang). Die Preis-Regionen sind im wesentlichen dieselben, wie in den Vorjahren, mit der Ausnahme, dass die früher mit Poing zusammengefasste Hochpreisgemeinde Vaterstetten nun eine eigene Region ist. Poing wurde der Region Nord zugeschlagen, die zuvor aus Anzing, Forstinning, Markt Schwaben und Pliening bestanden hatte. Insgesamt und unter Berücksichtigung der Umstellung von Brutto- auf Nettomieten bedeutet das in allen Regionen und für alle Wohnungsgrößen eine Steigerung.

Nur knapp drei Prozent der Landkreisbewohner bekommen ihre Mieten vom Amt erstattet

Die indes deutlich höher ausgefallen wäre, hätte man die Berechnungsgrundlagen der Vorjahre benutzt. Warum man die Grenzen gesenkt hatte, erklärte Hoigt unter anderem damit, dass nur etwa drei Prozent der Landkreisbewohner überhaupt Mietkosten vom Amt erstattet bekommen - da sollte auch ein Viertel der verfügbaren Mietwohnungen ausreichen. Zudem man auch den Zustand der hiesigen Wohnungen habe untersuchen lassen, mit dem Ergebnis, dass auch die günstigen im Allgemeinen von guter Qualität seien.

Allerdings gibt es auch ganz handfeste finanzielle Gründe. So würden die von der Verwaltung vorgeschlagenen neuen Obergrenzen den Landkreis rund 50 000 Euro pro Jahr mehr kosten, bei der alten Berechnungsgrundlage seien es schon 90 000 Euro. Und dies in einer ohnehin angespannten Haushaltssituation, so Hoigt, zudem sei nicht unwahrscheinlich, dass aufgrund der Wirtschaftslage die Zahl der Anspruchsberechtigten in den kommenden Jahren steigen könnte.

Die Mehrheit im Ausschuss folgte dieser Argumentation, Sonja Ziegltrum-Teubner (CSU) und Ulrich Proske (SPD-Fraktion) gaben außerdem zu bedenken, dass zu hohe Obergrenzen für Leistungsempfänger den Druck auf den angespannten Wohnungsmarkt noch erhöhen könnten. Gegenrede und Gegenstimmen kamen von Ottilie Eberl, Reinhard Oellerer (beide Grüne) sowie Marlene Ottinger (Linke). Vor allem angesichts der Inflation solle man die Mieten bis zu einem Drittel des Durchschnitts bezahlen.

Mietobergrenzen ab Januar 2023

Vergleichsregion Nord (Anzing, Forstinning, Markt Schwaben, Pliening, Poing):

Ein-Personen-Haushalt 750 (630)

Zwei-Personen-Haushalt 850 (780)

Drei-Personen-Haushalt 880 (900)

Vier-Personen-Haushalt 1040 (1010)

Fünf-Personen-Haushalt 1240 (1220)

Region Vaterstetten:

Ein-Personen-Haushalt 740 (670)

Zwei-Personen-Haushalt 840 (890)

Drei-Personen-Haushalt 950 (990)

Vier-Personen-Haushalt 1100 (1200)

Fünf-Personen-Haushalt 1350 (1350)

Region Mitte (Ebersberg, Grafing, Kirchseeon, Zorneding):

Ein-Personen-Haushalt 590 (610)

Zwei-Personen-Haushalt 750 (770)

Drei-Personen-Haushalt 850 (850)

Vier-Personen-Haushalt 980 (960)

Fünf-Personen-Haushalt 1100 (1170)

Übriger Landkreis (VG Aßling, VG Glonn, Hohenlinden, Steinhöring):

Ein-Personen-Haushalt 550 (580)

Zwei-Personen-Haushalt 650 (720)

Drei-Personen-Haushalt 770 (800)

Vier-Personen-Haushalt 860 (910)

Fünf-Personen-Haushalt 1000 (1070)

In Euro pro Monat. In Klammern die seit Juli 2019 geltenden Obergrenzen, damals Bruttokaltmiete (Nebenkosten ohne Heizung), jetzt Nettokaltmiete (ohne alle Nebenkosten). Sämtliche Nebenkosten werden ab Januar 2023 gesondert abgerechnet. Vaterstetten ist ab Januar 2023 eine eigene Vergleichsregion, Poing wird der Region Nord zugeschlagen.

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