Inflation:Wenn das Geld aus ist, aber der Monat noch nicht

Inflation: Durch die Inflation ist das Geld vor allem bei denjenigen, die ohnehin nicht viel haben, nun zu knapp.

Durch die Inflation ist das Geld vor allem bei denjenigen, die ohnehin nicht viel haben, nun zu knapp.

(Foto: Catherina Hess/SZ Photo)

Steigende Preise in beinahe allen Bereichen des Lebens - wie sollen Menschen mit wenig Geld da den Winter überstehen? Beratungsstellen im Landkreis Ebersberg über den Andrang der Ratlosen.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Vor wenigen Tagen meldete das Statistische Bundesamt für den jüngst vergangenen Oktober eine vorläufige Inflationsrate von 10,4 Prozent im Vergleich zum Oktober 2021. Demnach sind die Preise bei Nahrungsmitteln um 20,3 Prozent gestiegen, im Sektor Energie sogar um 43 Prozent. Ja, der Griff in den Geldbeutel muss in diesem Winter sehr viel tiefer ausfallen, als es den meisten vermutlich lieb ist. Was aber, wenn in solchen Tiefen des Geldbeutels nichts mehr zu greifen ist - wenn die steigenden Preise dazu führen, dass die finanziellen Mittel schon aufgebraucht sind, obwohl der Monat noch nicht vorüber ist? Wie sollen Menschen mit wenig Geld den bevorstehenden Winter überstehen? Noch melden die Beratungsstellen im Landkreis Ebersberg keine langen Schlangen von Ratsuchenden. Aber das liege nicht daran, dass die Menschen hierzulande zu reich sind, als dass sie die Inflationsrate kümmern würde - der Grund für den bislang ausbleibenden Andrang sei ganz woanders zu suchen.

Beim Sozialverband VdK, sowohl in der Geschäftsstelle für den Kreisverband als auch bei den einzelnen Aktivitäten der Ortsverbände sind die steigenden Lebenshaltungskosten ein Thema, das in den vergangenen Wochen immer wieder angesprochen wurde, wie Doris Rauscher sagt. "Die Menschen haben Sorge, dass es knapp werden könnte", so die Ebersberger VdK-Kreisvorstandsvorsitzende und SPD-Landtagsabgeordnete weiter. Könnte - das bedeutet auch, dass die finanziellen Möglichkeiten aktuell noch nicht knapp sind. Oder?

Der große Ansturm bleibt zwar bislang noch aus, aber die Anfragen werden bereits mehr

Wenn man sich weiter umhört, dann ist diese Schlussfolgerung ziemlich sicher falsch. "In den letzten Wochen gab es vermehrt Anfragen wegen steigender Preise", heißt es von Seiten des Zentralen Sozialdienstes (ZSD) aus dem Landratsamt. Der ZSD ist als Beratungsstelle zuständig für Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbslosigkeit beziehen sowie für alle, die eine finanzielle Erstberatung wünschen. Konkrete Zahlen, wie viele Anfragen es aktuell im Vergleich zu den Vorjahren gibt, erhebt das Landratsamt zwar nicht. Jedoch ist anhand der Schilderung konkreter Fälle durchaus zu erkennen, dass es zu diesen vor einem Jahr vermutlich gar nicht erst gekommen wäre.

So zum Beispiel die Frau, die sich wegen der Abschlagszahlung ihres neuen Stromanbieters an den ZSD wandte, wie das Landratsamt mitteilt. Demnach sollte sie 350 Euro zahlen. Ein stattlicher Preis, den der Stromanbieter durch steigende Energiepreise begründete - und der deshalb 2021 wohl gar nicht erst zustande gekommen wäre. Nachdem sich der ZSD einschaltete und das Gespräch mit dem Anbieter suchte, wurde die Abschlagshöhe immerhin auf 300 Euro gesenkt, denn zwischenzeitlich lebte in dem Haushalt nur noch die Frau, zum Zeitpunkt des Wechsels war es noch ein Zwei-Personen-Haushalt. Aber auch der neu verhandelte Preis war einer, den die Frau nicht bezahlen konnte, er ist beinahe so hoch wie ihr monatliches Einkommen. So reichte die Frau eine außerordentliche Kündigung beim Stromanbieter ein, mit Hilfe des ZSD sucht sie nun nach günstigeren Angeboten.

Die Themen in den Beratungen an sich hätten sich laut ZSD nicht wesentlich verändert. So sei beispielsweise auch der Anstieg der Heizkosten für die Menschen, die hauptsächlich die Klientel der Beratungsstelle ausmacht, kein großes Problem, da Nebenkostenabrechnungen beim zuständigen Amt eingereicht werden können. Allerdings hätte sich die Situation der Menschen durch die Inflation "massiv verschärft". "Es kommt zu Problemen, mit dem Regelsatz bis zum Monatsende auszukommen, zusätzliche Anschaffungen für den Haushalt, wie ein Staubsauger oder eine Waschmaschine, sind oft erst durch eine Unterstützung über Spenden möglich, da die Betroffenen keine Rücklagen mehr bilden können."

Inflation: Seit 2017 ist Doris Rauscher Kreisvorsitzende des VdK im Landkreis Ebersberg.

Seit 2017 ist Doris Rauscher Kreisvorsitzende des VdK im Landkreis Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine punktuelle spendenbasierte Unterstützung gibt es beispielsweise beim VdK für Vereinsmitglieder. "Wenn die staatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, dann können wir da auch mal einspringen", sagt Doris Rauscher. Übrigens ein Angebot, das laut VdK-Kreisgeschäftsführer Marin Stimac durchaus bekannter werden dürfte. "Unsere Kapazitäten für Beihilfen werden leider noch nicht so ausgeschöpft, wie sie ausgeschöpft werden könnte", sagt er.

Wahrscheinlich liegt es aber nicht nur an fehlender Bekanntheit der vielfältigen spendenbasierten Hilfsangebote. Denn Rauscher erzählt auch: "Eine Organisation wie die unsere um Hilfe zu bitten, das ist bei vielen immer noch sehr mit Scham behaftet - die Leute kommen, wenn überhaupt, dann erst, wenn gar nichts mehr geht."

Beratungsanfragen von Menschen, die bislang ohne Hilfe ausgekommen sind, werden wohl mehr werden

Finanziell schwierig wird es durch die steigenden Lebenshaltungskosten wohl auch für die Menschen, die mit ihrem Einkommen knapp über der Anspruchsgrenze für staatliche Hilfen liegen, wie der ZSD sagt. Eine Klientel also, die bislang zwar keinen großen finanziellen Spielraum zur Verfügung hatte, aber noch alleine zurechtkam. "Von dieser Seite erwarten wir zukünftig mehr Anfragen", so der ZSD.

Auch Doris Rauschers Blick auf die bevorstehenden Monate ist nicht von Optimismus geprägt. "Es zeichnet sich ab, dass es noch schlimmer kommen könnte, als es bislang der Fall ist." Hoffnung geben ihr die bereits beschlossenen Entlastungspakete des Bunds für Bürgerinnen und Bürger. Eine weitere Möglichkeit wäre für die SPD-Politikerin auch, dass auf Länderebene Unterstützungsmöglichkeiten geschaffen werden. Denn eines ist für sie klar: "Es kann nicht sein, dass am Ende alles an den Sozialverbänden oder anderen spendenbasierten Hilfen hängenbleibt."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusBrustkrebs
:"Frauen sollten in jedem Alter zum Frauenarzt gehen"

Unter allen Krebsarten ist Brustkrebs diejenige, von denen Frauen am häufigsten betroffen sind - jede Achte erkrankt im Laufe ihres Lebens daran. In Ebersberg kümmern sich unter anderem die Leiterin des Brustzentrums Helen Budiman und Psychoonkologin Cornelia Caspari um die Patientinnen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: