Coronavirus in Ebersberg:Impfschleichern auf der Spur

Lesezeit: 2 min

Menschen, die sich unberechtigt spritzen lassen wollen, kommen auf kreative Ideen. In Ebersberg geht man mit konsequenten Kontrollen aller Unterlagen dagegen vor.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Eigentlich ist die Impfreihenfolge klar festgelegt: Je nach Alter, Beruf oder Vorerkrankung wird die Bevölkerung derzeit in sechs Stufen eingeteilt, die nun der Reihe nach die Spritze mit dem Vakzin erhalten sollen. Manche Menschen können oder wollen jedoch nicht abwarten, bis sie dran sind. Dass sie ihr Glück versuchen und sich ohne Berechtigung eine Impfung erschleichen wollen, erzählt Liam Klages, Leiter des Impfzentrums Ebersberg.

"Vordrängler sind - mal mehr, mal weniger - seit dem ersten Tag hier ein andauerndes Problem", so Klages. "Im Großen und Ganzen werden wir damit aber sehr gut fertig." Möglich ist das unberechtigte Erschleichen von Impfterminen, weil die Angaben der Bürger auf der Impfplattform, anhand derer die Priorität festgelegt wird, erst beim Check-in im Impfzentrum oder im Arztzimmer überprüft werden. "Dort erleben wir mitunter sehr kreative, manchmal auch aggressive Versuche, die geltend gemachte Berechtigung nachzuweisen und zu vertreten. Mal schriftlich, aber oft auch nur wortreich und eloquent vorgetragen", erzählt Liam Klages.

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Die Maßgabe im Impfzentrum Ebersberg lautet, die vorgelegten Unterlagen streng zu prüfen. Offensichtliche Betrugsversuche würden konsequent abgewiesen. "Im Zweifelsfall beratschlagen sich die Kollegen mit den Ärzten", so Klages, "gelegentliche Zweifelsfälle und Unstimmigkeiten werden zu mir eskaliert."

Der Leiter des Impfzentrums berichtet jedoch auch von nachvollziehbaren "Vordrängelversuchen", die den Mitarbeitern emotional nahe gingen: etwa von der jungen Großmutter, die im Einzelhandel arbeitet und Enkelkinder betreut - aber "zu leicht" vorerkrankt und daher nur Priorität drei ist. Oder von dem von Insolvenz bedrohten Unternehmer, der Aufträge nicht annehmen kann, weil seine nicht geimpften Monteure vor und nach dem Auslandseinsatz in Quarantäne müssen - was ihm aber niemand bezahlt. "Auch die müssen von uns abgewiesen werden", so Klages.

Alexandre Descieux ist derzeit als Arzt im Impfzentrum Ebersberg eingesetzt. Nur wenige unberechtigte Personen würden es bis ins Arztzimmer schaffen, sagt er, weil bereits am Eingang alle Papiere genau überprüft würden. Als relativ häufig versuchten Weg, sich eine Impfung zu erschleichen, nennt er die Angabe, Kontaktperson einer pflegebedürftigen oder schwangeren Person zu sein. "Viele Leute wissen aber auch nicht, welche Fülle an Unterlagen für den Nachweis nötig sind", räumt der Arzt ein. "Da muss man mit Augenmaß handeln." Manchmal jedoch würde ein Impfwilliger vor ihm sitzen, der erzähle, die Freundin sei schwanger. "Wenn man ihn dann bittet, sich per SMS ein Foto vom Mutterpass schicken zu lassen, sinkt bei manchen die Bereitschaft dazu schnell", sagt Descieux und lacht. Im Grunde wünsche er sich jedoch, dass bald genug Impfstoff da sei, um eben solche Situationen zu vermeiden.

Wie vielen Impfschleichern es bereits gelungen ist, sich unberechtigt vorzudrängeln, ist bei mittlerweile mehr als 20 000 Impfungen im Ebersberger Zentrum nicht nachvollziehbar. Fest steht: Wurde die schützende Spritze gesetzt, ist diese einer wirklich impfberechtigten Person entgangen. Klages hat dazu eine klare Meinung: "Mich ärgert jeder Einzelfall, denn damit ist einem berechtigten Kandidaten der Platz genommen worden." Von Seite des Impfzentrums gebe es indes wenig Handhabe in diesen Fällen: Die angedrohten Strafen, so Klages, seien niedrig, das Risiko gering, der Versuch verlockend.

Seine Hoffnung liegt, wie bei so vielen derzeit, auf einer positiven Entwicklung in den nächsten Monaten: "Ich denke, dass sich das Prioritätenproblem mit größeren Impfstofflieferungen einerseits und mehr impfenden Ärzten andererseits demnächst recht schnell erledigen wird."

© SZ vom 19.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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