Öfter mal die grüne Brille aufsetzen - das ist Angelika Bachmanns Appell nach ihrer 16-tägigen Fahrradreise von Kroatien nach Glonn. Die 62-jährige Mutter von zwei Buben arbeitet in der Ebersberger Energieagentur im Bereich Klimabildung und hat sich auf ihrer Fahrradreise umgeschaut nach Projekten im Bereich Nachhaltigkeit. Grüne Themen beschäftigen sie schon lange: "Ich wollte sehen, wie Nachhaltigkeit außerhalb Deutschlands gelebt wird. Das mit einem Besuch unserer Freunde in Kroatien zu verbinden hat sich dann gut angeboten."
Mit rund 800 Kilometer und 8000 Höhenmetern ist die Strecke für Bachmann auch ein sportlicher Erfolg. Trotz ihres Alters und ihrer Selbstbezeichnung als "Silverager", sei es nur eine Frage des Tempos und der Pausen auch lange Distanzen gut zu meistern. Die Geschwindigkeit auf dem Fahrrad sei ideal, um alle Eindrücke aus der Umgebung aufnehmen zu können.
Wer heute nachhaltig sein will, müsse mehr Geld ausgeben, unkomfortabler leben und sich oft um Alternativen bemühen schreibt Bachmann in ihrem Reiseblog. Den Menschen und Initiativen, die sich trotz der Hürden für Nachhaltigkeit einsetzen, soll ihre Reise gewidmet sein - in der Hoffnung, dass sie inspiriere und zur eigenen Suche anrege.
Als Pädagogin ist Bachmann überzeugt, dass Bildung ein geeigneter Hebel für Veränderungen ist.
Für die meisten in der westlichen Welt lebenden Menschen sei eine nicht nachhaltige Lebensweise Standard. Zwar unterstützten gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen diese Lebensweise, doch durch die Uninformiertheit und Bequemlichkeit einzelner sei es schwierig, einen ökologischen Wandel zu vollziehen. Als Pädagogin ist Bachmann sich daher sicher, dass Bildung ein geeigneter Hebel ist, um nötige Veränderungen zu schaffen. Sich von anderen Ansätzen der Veränderung etwas abzuschauen, könne nutzbare Synergien erzeugen. Ihre Reise als Lernende zu absolvieren sei daher "wahnsinnig bereichernd" gewesen.
Alle Erlebnisse der Tour seien unvorhergesehen, betont Bachmann: "Mir war nicht wichtig, welche Strecken besonders schön sind, sondern ich habe mich gefragt: Was könnte aus dem Aspekt der Nachhaltigkeit am interessantesten sein?" Die Reiseroute sei daher spontan geplant gewesen. Nur zwei Kollegen aus der Arbeit hätten ihr eine Universitätsprofessorin aus Graz und einen Campus in Salzburg als Kontakt vermittelt, sodass dort zwei festgelegte Etappenziele waren.
Zusammen mit ihrem Mann verbringt sie zu Beginn der Reise erstmal einige Zeit auf der kroatischen Insel Krk. Doch die ersten Blicke durch die grüne Brille versprechen wenig Nachhaltiges - zumindest bei der Mobilität: Das Busnetzwerk sei "ein Witz", wie Bachmann auf ihrem Reiseblog schreibt. Immerhin gäbe es viele Werbeplakate für Elektroautos und Mülltrennung werde auch konsequent betrieben. Doch Maria, eine Ortsansässige, erzählt ihr, Schulkinder müssten von ihren Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht werden und EU-Gelder für grüne Projekte würden in korrupten Kanälen verschwinden.
Ernüchtert ist sie, es geht von Krk weiter aufs kroatische Festland Richtung Slowenien - ohne ihren Mann: "Ihm machen längere Fahrradtouren nicht so Spaß wie mir." In der kroatischen Küstenstadt Rijeka wird sie von Autofahrern und Regen empfangen. Doch das bringt Bachmann nicht dazu in den nächsten Zug nach Hause zu steigen - sie schaut sich weiter um.
"Nachhaltig? Wir können doch nicht zurück in die Vergangenheit", bekommt Bachmann als Antwort.
Wie findet Bachmann sehenswerte Projekte? Wie kommt sie mit Menschen über das Thema Nachhaltigkeit ins Gespräch? "Ganz unterschiedlich - zum Beispiel habe ich in Bars manche Leute einfach direkt zum Thema Nachhaltigkeit gefragt", sagt Bachmann.
So habe eine Krankenschwester nachgefragt, ob mit Nachhaltigkeit Gartenarbeit gemeint sei. An einem Bahnhof begegnet Bachmann Lenka aus Rijeka: "Die wusste auch erstmal nicht, was ich mit Nachhaltigkeit meine." Die Antwort sei gewesen, dass man doch nicht in die Vergangenheit zurückkehren könnte.
Überrascht wurde Bachmann auch von der Montanuniversität in Leoben in Österreich. Die einzige Hochschule Österreichs für Bergbau- und Hüttenwesen ist ökologisch sehr aktiv gewesen, 2021 wurde dort ein eigens eingerichtetes Sustainable Development Panel zur Implementierung grüner Projekte gegründet: "Das habe ich von einer Hochschule, die Bergbau lehrt, nicht erwartet."
Auch die 20 Kilometer lange Fahrradstraße vor Ljubljana ist Bachmann als positives Beispiel im Gedächtnis geblieben: "20 Kilometer Fahrradweg - das kriegen wir zwischen Ebersberg und München nicht hin."
Bachmann sei bewusst dass ihr "Kaleidoskop der Einblicke" sehr subjektiv ist, doch sie habe viele Erfahrungen gesammelt, die sie in ein Projekt ihrer Arbeit mitnehmen kann: Zusammen mit dem Bildungsförderprogramm Erasmus plant die Energieagentur ein Klimabildungsprojekt mit Jugendlichen aus Schweden, Italien, Österreich und Deutschland.
Eine Bambuszahnbürste alleine bringe noch nicht die Wende, politisches Engagement bringe mehr
Dabei sollen länderspezifische Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet werden und auf einer europäischen "Karte des grünen Wandels" visualisiert werden. Tragen die einzelnen Projekte maßgeblich zu einer Verringerung des CO2-Ausstoßes bei? Kann eine "kritische Masse" entstehen, die der Politik zeigt, wie viel Unterstützung für grüne Projekte tatsächlich da ist? Ändern manche der Schüler deswegen vielleicht sogar ihre Berufswünsche?
Alles Fragen, die im Rahmen des Projekts mit "Ja" beantwortet werden können, hofft Bachmann. Ob sie selbst nach der Reise auch schon Antworten gefunden hat? "Die Zuversicht, dass wir schnell genug sind, noch etwas gegen den Klimawandel machen zu können, wechselt mit der Tagesform." Das individuelle Handeln im Alltag sei sehr wichtig, doch eine Bambuszahnbürste alleine bringe noch nicht die nötige Wende. So könne könne der politische Einsatz für einen Fahrradweg schon mehr bringen als der Griff zum Fahrrad, wenn man sein Handeln hinsichtlich seiner Wirkung einordne.
Bachmann erklärt, sie nehme aus ihrer Reise vor allem mit, dass sich das Konzept von Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Ländern und Bevölkerungsschichten unterscheidet. Dies biete das Potenzial, durch Konzeptvergleiche voneinander zu lernen. Der Rechercheaufwand sei dabei eine Mühe, die langfristig individuell wie auch gesellschaftlich gewinnbringend ist. Würde sie ähnliches nochmal machen? "Unbedingt", sagt sie. Dann von weiter nördlich - in Skandinavien war sie noch nie.
Nach Abschluss der Reise jetzt groß Kritik zu formulieren, hält Bachmann nicht für angemessen. Oft sei das Bewusstsein zwar schon da, dass Initiativen dann aber auch umgesetzt werden, dauere häufig zu lange. Wie auch in ihrem Heimatort Glonn. Die Diskussion, ob eine Straße zwischen Glonn und Moosach zur Fahrradstraße werden könnte, dauere schon viel zu lange. Ihr Resümee: Noch schneller nachhaltige Initiativen umsetzen.
Angelika Bachmanns Reiseroute ist unter www.polarsteps.de mit dem Titel "Clim@venture by bike: Green Change in Europe" nachzuverfolgen.