Charlotte Gummert-Schulze zeigt auf einen großen Tisch im Lagerraum der Glonner Kleiderkammer: "Jede Woche kommt zehnmal so viel an." Auf dem Tisch türmt sich gespendete Kleidung. Gummert-Schulze ist Rentnerin, wie der Großteil des fünfköpfigen, rein ehrenamtlichen Teams, und vor drei Jahren von der Kundin zur Helferin geworden. Seit fast vier Jahren ist der Verkaufsraum nun in der ehemaligen Raiffeisenbank in Kulbing untergebracht. Rundherum nur Felder und Wiesen - aber zum Glück genügend Parkplätze. "Wir würden gerne wieder zurück nach Glonn", sagt Annegret Biehn. Zusammen mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann Günther hat sie vor nun fast sieben Jahren die Kleiderkammer aus dem Boden gestampft.
Zuerst waren sie drei Jahre im Glonner Marienheim. "Wir haben alles selbst hergerichtet. Mein Mann Günther hat den Teppichboden verlegt und die Regale aufgebaut, das war sehr viel Arbeit." Doch dann, das jähe Ende: Wegen nicht zu erfüllender Brandschutzverordnungen musste die Kleiderkammer das Marienheim verlassen. Durch Bekannte war das Team dann glücklicherweise auf die leerstehende Bankfiliale gestoßen. Nun, sieben Jahre später, floriert das Geschäft.
Mehr als 10 000 Stunden Arbeit stecken mittlerweile in dem Projekt
Wenn man den Laden betritt, fällt einem sofort die herzliche und gelöste Atmosphäre auf. Der Laden ist voller Kunden. Überall stöbern Menschen durch die Regale, hier und da unterhält man sich - es herrscht ein buntes Treiben. Teilweise sind über 20 Kunden gleichzeitig im Laden, so Gummert-Schulze. "Dann kommst du eigentlich zu gar nichts. Sie sehen ja, wieviel Kleidung hier immer ankommt. Wenn du dann noch Kundenbetreuung machen musst, stellst du einfach alles hier in den Lagerraum und fertig."
Das Aussortieren und Wiederaufbereiten der Kleidung findet außerhalb der Öffnungszeiten statt. Jeden Donnerstag öffnet die Kleiderkammer von 14 bis 17 Uhr ihre Pforten - gearbeitet wird aber deutlich länger. Das Team hat in den sieben Jahren schon mehr als 10 000 Stunden Arbeit abgeleistet. Dabei sind schon weit über 25 000 Euro zusammengekommen. Wenn man die Preise der Waren kennt, wirkt dieser Betrag noch bemerkenswerter: "Diese Jeans hier, ein Euro. Ein T-Shirt, zwei Euro. Ein Dirndl, zehn Euro", erklären die Rentnerinnen - oder "Zeitmillionäre", wie Gummert Schulze es beschreibt. "Und alle Waren sind einwandfrei. Keine Risse, keine kaputten Knöpfe, nichts."
"Wir werfen auch nichts weg", sagt Gummert-Schulze. "Was wir nicht verkaufen können, geben wir woanders hin." So würden sie schon lange regelmäßig über eine Bekannte, Lieferungen nach Rumänien und Bulgarien mit Kleidung unterstützen. Jüngst habe man auch 35 Säcke und 35 Kartons mit Kleidung zum Abtransport für Erdbebenopfer in der Türkei fertig gemacht. "Wenn wir schmutzige Laken bekommen, dann geben wir die ans Tierheim", so Gummert-Schulze. Das erwirtschaftete Geld wird nach Abzug von Miete und Nebenkosten zu einhundert Prozent gespendet.
"Zu ungefähr 60 Prozent geht der Erlös an den Glonner Tisch - dem fühlen wir uns immer noch sehr verbunden", sagt Annegret Biehn. Man spende aber beispielsweise auch an das Frauenhaus, an das Rosenheimer Kinderhospitz oder ähnliche Einrichtungen. "Wir sind nicht mehr wegzudenken", dieser Meinung sind hier alle.
Es gibt viele Spender und Kunden: "80 Prozent unserer Kunden sind Stammkunden", so Gummert Schulze. "Natürlich zu einem großen Teil sozial-schwächere Menschen - aber nicht nur." Man sei eine soziale Begegnungsstätte und wolle die Menschen zusammenführen, so der gemeinsame Tenor. "Ich komme immer wieder gerne hierher. Hier habe ich schon viele tolle Sachen gefunden", sagt eine Kundin, die gerade durch die Regale stöbert.
"Es geht uns nicht nur darum, sozial-schwächeren Menschen zu helfen. Wir wollen ein Zeichen setzen", sagt Angelika Bachmann. In der Atacama-Wüste beispielsweise werde jedes Jahr 46 000 Tonnen Kleidung in die Umwelt geworfen, das ist für die Mitglieder der Kleiderkammer unverständlich. "Das ist einfach krank", so Bachmann, eine überzeugte Kundin des Ladens und mittlerweile auch für die Pressearbeit zuständig. Sie organisiert die Webseite der gemeinnützigen Organisation und knüpft Kontakte zu Medien.
Bis zum Jahresende muss ein neuer Verkaufsraum her. Sonst ist Schluss
Sie verdeutlicht dann auch das jetzige Problem: "Wenn wir bis zum Jahresende nichts finden, ist es das Ende dieses Projekts." Bis dahin läuft der jetzige Mietvertrag noch - eine Verlängerung wird es nicht geben. "Wir suchen dringend einen Sozial-Unternehmer oder sonst jemanden, der Räumlichkeiten für uns zur Verfügung hat und dem es nicht nur auf das Geldverdienen ankommt."
Man wolle nicht enden wie der Laden mit Herz. Ein Siegertsbrunner Projekt, das kostenlose Kleidung für ukrainische Flüchtlinge bereitstellt, und nun auch aufgrund fehlender Räumlichkeiten schließen muss.
"140 Quadratmeter wären schön - mehr natürlich noch besser", sagt Angelika Bachmann. "Am liebsten direkt in Glonn, damit wir auch zu Fuß oder mit dem Rad gut zu erreichen sind." Charlotte Gummert-Schulze betont: "Wir sind ein Projekt von Glonnern, für Glonner. Da kommen wir her, da wollen wir auch wieder hin." Und dass sie etwas finden, daran glauben sie ganz fest. Gemeinsam bringen sie ihren unbedingten Wunsch noch einmal zum Ausdruck: "Wir machen das hier aus Überzeugung, und wir werden es auch weiterhin machen, doch wir brauchen jetzt Hilfe."