Aktion in Kirchseeon:"Manche Autofahrer passen einfach nicht auf"

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Am Mittwoch führen die Beamten Geschwindigkeitsmessungen durch und inspizieren Fahrräder. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Wie können sich Fußgänger und Radler schützen? Ein Tag in Kirchseeon mit den Kontrolleuren der Polizei.

Von Jörg Lehne, Kirchseeon

Kontrollstation: Die Kreuzung vor dem Bahnhof Kirchseeon. Es ist zehn Uhr vormittags. Der Himmel ist wolkenverhangen. Es nieselt. Der Ort wurde gewählt, weil die Straße hier mit zahlreichen Zebrastreifen versehen ist, in naher Umgebung befinden sich zwei Schulen und vom Bahnhof brechen jeden Morgen Pendler zur Arbeit auf. Es sollte vor "ungeschützten Verkehrsteilnehmern", wie es heißt, also nur so wimmeln.

Im Straßenverkehr sind nicht alle gleich. Wenn es hart auf hart kommt, gewinnt meistens der Stärkere. Die bayerische Polizei wirbt daher um mehr Rücksichtnahme im Umgang mit sogenannten ungeschützten Verkehrsteilnehmenden, also etwa Passanten und Radfahrer. Zu diesem Zweck werden an diesem Mittwoch in ganz Bayern im Rahmen eines bundesweiten Aktionstages vermehrt Verkehrskontrollen durchgeführt. Titel der Bemühungen: Schwerpunktaktion "Ungeschützte Verkehrsteilnehmende insbesondere Radfahrende". Seit sechs Uhr morgenslaufen die Kontrollen. Die Beamtinnen und Beamten sind dafür unterwegs oder halten die Stellung an Hotspots.

So wie an der Kirchseeoner Kreuzung. Wetterbedingt lassen sich allerdings gerade nur eine Hand voll Leute blicken. Stephan Mittermaier, Sachbearbeiter für Verkehr bei der Polizei Ebersberg erklärt das Vorgehen. Ziel sei es, kritische Situationen zu verhindern, die besonders die schwächeren Verkehrsteilnehmer gefährden. Im Gegenzug sollen jedoch auch letztere zu mehr Umsicht auf der Straße angehalten werden - im Sinn des Wortes.

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Eine Polizistin signalisiert einer vorbeifahrenden Radlerin, stehen zu bleiben. Die Bremsen werden geprüft, die Klingel geläutet, die Lichter gecheckt. Sonja Friedmann schaut zunächst etwas verdutzt. Mit einer Kontrolle hat sie sicher nicht gerechnet, schließlich hat sie sogar einen Helm auf. Vorbildlich, keine Beanstandung. Ein Beamter erklärt ihr den Hintergrund der Kontrolle. "Das finde ich super", sagt sie. Es sei wichtig die Leute zu sensibilisieren. Gerade hier, wo normalerweise viele Radfahrer und Kinder unterwegs seien. "Manche Autofahrer passen einfach nicht auf."

In der Zwischenzeit haben die Polizistinnen ein Auto angehalten. Die Fahrerin war mit 44 Stundenkilometern unterwegs. In der Wasserburger Straße gilt 30. Kostenpunkt: 25 Euro. Gezahlt werden kann in Bar oder per Überweisung. Leider habe sie es gerade nicht passend da. Macht nichts, der Kollege hat Wechselgeld. Bei der Geschwindigkeitsmessung müsse man immer drei Stundenkilometer abziehen, erklärt Stephan Mittermaier. Aus Toleranz.

Tolerant müssen die Beamten auch mit dem Wetter sein. Langsam zieht die Kälte in die Knochen. Als erstes spürt man sie in den Füßen. Der über allem hängende Nieseldunst tut das seinige. Die Beamtin, welche die Polizeikelle zum Rauswinken von Verkehrssündern führt, zuckt bei diesem Einwand nur mit der Schulter. "Das ist halt der Job."

Eine weitere Radfahrerin wird an den Straßenrand gebeten. Therese Bauer, 70, wirkt belustigt. Ihr Sohn hatte beim Vorbeifahren die Kontrollstation bemerkt und ihr davon erzählt. Kurzerhand war sie aufs Rad gesprungen, um sich das mal anzuschauen. Am Ende lohnt sich der kurze Ausflug sogar für sie. Bei der Kontrolle nämlich kommt heraus: das Licht funktioniert nicht. Vonseiten der Polizei bleibt es bei dem Hinweis, das gehöre nachgeschaut. Frau Bauer jedenfalls ist begeistert von der Aktion: "I find des sau guad."

Die Polizei inspizierte auch Fahrräder. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die meisten Leute haben Verständnis, sagt Janine Krüger vom Sachbereich Verkehr bei der Polizei Ebersberg. Autofahrer seien in der Regel vor allem erschrocken, wenn man ihnen sage, wie schnell sie gerade gefahren seien.

Diesen Vormittag wird eine zweite Autofahrerin angehalten. Sie war 15 Stundenkilometer zu schnell. Auch sie zahlt 25 Euro. Ein Kilometer pro Stunde mehr und es hätte 35 Euro gekostet. Dann lieber so.

Gemessen hat das Polizeimeister Schlagenhaufer. Er steht an der Laserpistole. Die Aufgabe, bei der Aktion mitzuhelfen, habe er und fünf weitere seiner Kollegen freiwillig übernommen. "Da wussten wir aber noch nicht, dass wir so ein Wetter bekommen", scherzt Schlagenhaufer.

Kontrollaktionen wie diese finden ein- bis zweimal jährlich statt, sagt Mittermaier. Damit meint er den allseits bekannten Blitzermarathon, jedoch auch Aktionen zur Förderung der Schulwegsicherheit, sowie gegen Ablenkung im Straßenverkehr.

Bei Therese Bauer hat die gestrige Aktion ihr Ziel jedenfalls erreicht. Sie fährt mittlerweile wieder mit funktionierendem Licht.

© SZ vom 06.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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