Wahl 2021:"Kein Problem, wenn Windrad in 3H oder 4H Abstand vor meinem Haus steht"

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Für Ökologie und Umweltschutz engagiert sich Christoph Lochmüller schon seit seiner Jugend, vor zwei Jahren trat er den Grünen bei. (Foto: Christian Endt)

Unternehmer Christoph Lochmüller tritt im Wahlkreis Ebersberg-Erding für die Grünen an. Seine Forderungen klingen nicht gerade nach Kuschelkurs.

Von Johannes Korsche, Ebersberg

Als Christoph Lochmüller 15 Jahre alt war, fiel saurer Regen in Deutschland. Also ging der Feldkirchener Jugendliche in die Apotheke: Er brauchte Schwefel. "Das giftige Zeug", wie er es nennt, das den Regen sauer werden und die Wälder sterben ließ, müsse man den Leuten auf der Straße doch zeigen, es auf einem Infostand auslegen. "Die wollten mir das in der Apotheke aber erst gar nicht geben, die haben gedacht: Der Junge will zündeln", erinnert sich der inzwischen 54-Jährige.

Zündeln wollte er nicht - aber erklären und überzeugen. Ein bisschen wirkt Lochmüller an diesem Vormittag oft wie der Jugendliche aus den frühen 1980er Jahren. Er will auch heute noch überzeugen, von sich, von den grünen Ideen und davon, dass es grundlegende Veränderungen brauche. Die erste: Lochmüller will als Erster für die Grünen als Direktkandidat des Wahlkreises Ebersberg-Erding in den Bundestag einziehen.

Dafür hat der Hohenlindener Unternehmer seine Aufzugsfirma, die er mit seinem Cousin geführt hatte, verlassen. Noch vorübergehend für die zweimonatige, heiße Wahlkampfphase. Sollte es aber mit dem Mandat in Berlin klappen, dann wird aus der kurzen, doch eine längere Abstinenz. Vielleicht ja eine dauerhafte. Lochmüller könne sich auch vorstellen, in einer Stiftung oder einer NGO aktiv für Klimapolitik einzutreten, wenn es mit dem Sitz im Bundestag nichts wird.

Wenn der Unternehmer von seiner Firma erzählt, klingt es ohnehin so, als habe er sein wichtigstes Projekt dort bereits abgeschlossen: Der Aufzugshersteller und -monteur arbeitet inzwischen klimaneutral. Vom Arbeitsweg der Mitarbeiter bis hin zur Produktion der Aufzugtüren. CO₂-Emissionen, die sich nicht verhindern lassen, kompensiert die Firma wie es manche auch bei privaten Urlaubsflügen machen.

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Da sieht Lochmüller auch einen großen Unterschied zu seinen Mitbewerbern, über die er eigentlich kaum redet. Auf den Unterschied zwischen ihm und Amtsinhaber Andreas Lenz (CSU) angesprochen, kann er sich einen kleinen Seitenhieb aber nicht verkneifen: "Ich weiß, wie die Wirtschaft läuft und bin nach dem Studium nicht direkt in den Bundestag." Wenn Lochmüller "Wirtschaft" sagt, meint er vor allem eine klimagerechte Wirtschaft, eine die am Gemeinwohl orientiert ist.

Verpestet das Unternehmen die Luft? Wie sind die Arbeitsbedingungen in der Lieferkette? Auch Privatleute im Supermarkt müssten sich diese Frage stellen. Allerdings, geht es nach Lochmüller, in einem anderen Ausmaß. Die Politik solle den Rahmen gesetzlich so vorgeben, dass der Verbraucher nicht jede Entscheidung bewusst treffen muss. Bisher ist der "Wohlstand auf dem Rücken der dritten Welt und der Umwelt" erwirtschaftet worden. Lochmüller will das ändern.

Auch die Landwirte sollen bei der grundlegenden Veränderung der Gesellschaft eine Rolle spielen. Sie könnten zum Beispiel mit einer Gemeinwohlprämie dafür belohnt werden, Ackerflächen freizuhalten. Für Blühflächen ebenso wie für Wiesen und Hecken. Grundsätzlich, findet Lochmüller, der selbst "auf ganz geringer Flamme" einen kleinen Bio-Hof in Oberaudorf betreibt: "Landwirte dürfen nicht die Prügelknaben der Nation sein."

Dass es bei all den Veränderungen, die Lochmüller erreichen will, auch zu unpopulären Entscheidungen kommen kann, unterschlägt er nicht. In der Automobilbranche zum Beispiel oder beim Kohleabbau. Doch, da ist sich Lochmüller sicher, es werde durch den Transformationsprozess neue Jobs entstehen, zum Beispiel in Photovoltaik. Es gehe dann darum, die Menschen sozial abgesichert in diese entstehenden Jobs zu bringen, nicht alte Zweige künstlich am Leben zu halten. Er sei "pragmatisch", sagt er über sich selbst. Auch bei der Rente: Länger arbeiten hält er für unausweichlich.

Seit 2019 ist Lochmüller bei den Grünen, seinen ersten politischen Sieg hat er schon eingefahren: Die Grünen und Lochmüller haben sich beim Bürgerentscheid erfolgreich für den Bau von fünf Windrädern im Ebersberger Forst eingesetzt. Doch das bisher Beschlossene reiche noch nicht. "Wir brauchen ungefähr noch 20 Stück", sagt er mit Blick auf das Ziel, den Landkreis ausschließlich mit erneuerbarer Energie zu versorgen.

Er könne sich vorstellen, die Bundesgesetze dahingehend zu ändern, dass Windräder bei der Genehmigung wieder privilegiert behandelt werden. Das wäre wohl der Abschied der viel diskutierten 10-H-Regel, die Lochmüller ohnehin für falsch hält. "Ich hätte kein Problem, wenn eines in drei oder vier H Abstand von meinem Haus steht." Man glaubt ihm das. Auch dass es ihm nicht um sein Erststimmenergebnis gehe, "wichtig ist die Zweitstimme".

Eine Sache hat sich der dreifache Vater außer seiner Lust am Erklären übrigens aus seiner Jugend auch noch erhalten: die Faszination am Skitourengehen. Auch gerne alleine. Nicht ganz ungefährlich, normalweise sollte man in der Gruppe gehen. Früher hat er noch Gruppen auf die Berge geführt, in einer Situation zwischen Risiko und Verantwortung abzuwägen, "das ist mein Naturell". Nicht jeden Hang nimmt er, sagt Lochmüller. Aber wenn, fährt er gerne "schnelle, weite Bögen" im tiefen Schnee. "Das ist dann fast wie Surfen." Wie weit die grüne Welle Christoph Lochmüller politisch trägt, zeigt sich bei der Bundestagswahl.

© SZ vom 03.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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