Bundestagswahl in Ebersberg:"Nur mit Hilfe der Landwirte kann Energiewende gelingen"

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Moderator Thorsten Rienth befragt (von links) Magdalena Wagner (SPD), Tobias Boegelein (Linke), Charlotte Schmid (ÖDP), Marc Salih (FDP), Christoph Lochmüller (Grüne), Simone Binder (Bayernpartei), Andreas Lenz (CSU) und Birgit Obermaier (Freie Wähler) zu ihrer Agenda für den Bundestag. (Foto: Christian Endt)

Acht Bewerber für ein Direktmandat diskutieren in Ebersberg über Wohnraummangel, besseren Nahverkehr und Klimaschutz.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Wäre schon umgesetzt, was die Mehrheit der Direktkandidaten für den Bundestag befürworten, vielleicht wäre der Abend langweiliger geworden. In der Kurzfragerunde am Ende der Diskussion im Sparkassensaal erkundigte sich Moderator Thorsten Rienth bei den Acht auf dem Podium, wie sie es mit der Freigabe von Marihuana hielten: Bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung waren alle dafür. Da aber zumindest bis jetzt im Wahlkreis nicht gekifft werden darf, durfte sich das Publikum - gut 50 Personen, je etwa die Hälfte im Saal und an den Geräten zuhause - über eine teilweise durchaus lebhafte Debatte freuen.

Eingeladen hatten Kreisjugendring und Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Allerdings nur acht der insgesamt zehn Bewerberinnen und Bewerber um ein Direktmandat, wie Leonhard Martz vom KJR eingangs erklärte: "AfD und Die Basis wurden nicht eingeladen, weil deren Werte diametral zu denen der einladenden Organisationen stehen." So dass auf dem Podium Andreas Lenz von der CSU, SPD-Bewerberin Magdalena Wagner, Grünen-Kandidat Christoph Lochmüller, Marc Salih von der FDP, Linken-Kandidat Tobias Boegelein, Birgit Obermaier von den Freien Wählern, Charlotte Schmid von der ÖDP und die Bewerberin der Bayernpartei Simone Binder Platz genommen hatten.

"Sie sehen alle so normal aus, im Vergleich zu den Wahlplakaten", eröffnete der Moderator, um sogleich auf ein Themengebiet zu führen, das derzeit wohl von den meisten als das wichtigste angesehen werden dürfte: Was tun gegen den Klimawandel? Man müsse mehr machen, so Lenz, der Ausbau der erneuerbaren Energien gestärkt werden. Dies gelinge vor allem über Anreize, sagte der Bundestagsabgeordnete, der außerdem darauf verwies, dass die Bundesrepublik für 2020 ihre Klimaziele eingehalten habe. Aber dies nicht zuletzt wegen Corona, entgegnete Lochmüller, außerdem seien diese Ziele von Anfang an zu wenig ambitioniert gewesen, sie blieben hinter jenen des Paris-Abkommens zurück. "Das Klima ändert sich brutal, Kohle, Öl und Gas müssen aufhören."

Was sicher zu höheren Energiekosten führen werde, zumindest bis der Umbau abgeschlossen sei, so Wagner. Kompensieren könne man dies etwa dadurch, "dass alle mehr Geld in den Taschen haben", etwa durch Anhebung des Mindestlohns. Auch die EEG-Umlage solle abgeschafft werden. Geht es nach Boegelein, die Stromsteuer gleich mit, außerdem müsse es für Niedrigverdiener Entlastung bei der Einkommensteuer sowie Gutschriften für Energiekosten geben. Einen sozialen Ausgleich forderte auch Schmid: Es dürfe nicht so weit kommen, "dass es sich die Reichen weiterhin leisten können, klimaschädlich zu sein". Für Salih führt der Weg zu weniger CO₂-Ausstoß über den Markt, durch einen Handel mit entsprechenden Zertifikaten. Die Gewinne aus diesem Handel sollten dann an alle Bürger in Form einer Energie-Dividende ausgezahlt werden.

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Wie eine Energiewende gelingen soll, trotz Proteste gegen die entsprechenden Anlagen, wollte der Moderator von Binder wissen, deren Partei sich gegen die Windräder im Forst ausspricht. Das Problem sei der Standort, nicht die Windkraft an sich, so Binder. Allerdings müsse man auch andere, möglichst dezentrale, Ansätze verfolgen, mehr erneuerbare Energien zu gewinnen, "nicht nur Windräder". Für Obermaier ist es wichtig, diejenigen ins Boot zu holen, denen die meisten Flächen gehören: "Nur mit Hilfe der Landwirte kann die Energiewende gelingen", was sich gut daran zeige, wie viele Solardächer es auf dem Land gebe.

"Autos müssen ja nicht mit Benzin fahren"

Um den ländlichen Raum ging es auch beim Thema Verkehr, darin, dass Bus und Bahn dort besser werden müssten, war sich das Podium einig. Beim Weg dahin gab es indes durchaus Unterschiede, so forderte Wagner viel mehr Investitionen in die Schiene und neben dem leistungsfähigeren auch einen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr. Dies befürwortete auch Boegelein, allerdings eher als langfristige Perspektive. Kurzfristig habe der Ausbau Priorität, zur Finanzierung schlug er eine Vermögensabgabe vor. Auch Binder sah den ersten Schritt im Ausbau, bevor man über kostenlose Angebote nachdenken könne. Für Obermaier ist dies gar keine Option, in der Stadt werde dies sicher gut und gerne angenommen, aber wichtiger sei, das Angebot auf dem Land zu verbessern.

Ohne, dass die Vorredner entsprechendes gefordert hätten, bekräftigten Lenz und Salih, dass man individuelle Mobilität nicht verbieten solle und könne. Die Notwendigkeit den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, sahen die Vertreter von CSU und FDP aber ebenfalls. Dass man gerade auf dem Land nicht immer ohne Autos auskommen könne, räumte auch Schmid ein, "aber die müssen ja nicht mit Benzin fahren". Und insgesamt sei es auch nicht im Sinne der Nachhaltigkeit, einfach alle Fahrzeuge mit Verbrennungs- durch solche mit Elektromotor zu ersetzen. "Vieles in der Mobilität ist Gewohnheit", sagte Lochmüller, darum solle man sich immer fragen, ob eine Strecke unbedingt mit dem Auto zurückgelegt werden müsse.

Auf die Frage aus dem Publikum, was man gegen den Wohnraummangel und die hohen Preise tun könne, forderte Binder mehr Einsatz der Kommunen. Diese müssten, wie es in ihrer Heimatstadt Grafing derzeit diskutiert wird, Wohnungen kaufen und günstig vermieten. Obermaier verwies auf das Problem, Bauland zu finden, "da habe ich auch keine Lösung dafür". Salih empfahl, mehr auf Nachverdichtung zu setzen, so könne man etwa Supermärkte oder ähnliche Flachbauten aufstocken. Außerdem solle man Anreize schaffen, dass die Menschen Wohneigentum erwerben können.

Diesen Punkt unterstützte auch Lenz, außerdem müsse es auch Anreize für Firmen geben, "der Staat kann so viel nicht bauen". Boegelein verwies auf eine Initiative seiner Partei, Kommunen sollten große Immobilienkonzerne enteignen - wobei das ja streng genommen keine solche sei, es gebe ja Entschädigung. Welche über die Einkünfte aus den Immobilien refinanziert werden könnten. Wagner forderte ebenfalls, dass "viel mehr gebaut" werden müsste, sie bezifferte den Bedarf auf 400 000 Wohneinheiten pro Jahr bundesweit, davon seien 100 000 Sozialwohnungen. Außerdem müssten Mietsteigerungen auf die Höhe der Inflation begrenzt werden.

Eine andere Grenze - die des Wahlalters - hätte die Mehrzahl der Bewerber auf 16 Jahre gesenkt, lediglich Lenz wollte sich nicht darauf festlegen, Obermaier zunächst nur für kommunale Urnengänge. Bei der Frage, welche Landkreis-Themen sie im Falle einer Wahl nach Berlin mitnehmen wollten, verliefen die Antworten entlang der politischen Lager: SPD und Linke die Wohnraumknappheit, CSU und FDP Ertüchtigung der digitalen und anderer Infrastruktur, Grüne, ÖDP und Bayernpartei wollten lokalen Klimaschutz, Energie- und Verkehrswende auf die Agenda setzen, und die Freien Wähler die regionale Wertschöpfung und die Stärkung der Landwirtschaft.

Hanf werden die Bauern im Wahlkreis dazu indes nicht anbauen dürfen, die einzige Gegenstimme zur Marihuana-Legalisierung kam von Obermaier, die Enthaltung von Lenz. Doch selbst, wenn das Vorhaben durchgeht, muss die nächste Debatte nicht in Lethargie enden. Oder, wie es Wagner sagte: "Entkriminalisierung heißt ja nicht, dass jetzt alle nur noch kiffen."

© SZ vom 07.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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