Spaltung durch Corona:Wachs ma langsam wieder zamm!

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Symbolfoto. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wo man geht und steht, verfolgt einen der Begriff "Spaltung". Es ist an der Zeit, sich an die Gemeinsamkeiten zu erinnern.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Vor 375 Tagen berichtete diese Zeitung über die Gegendemo einer Maßnahmen-Kritiker-Demo in Poing. Es ging auf beiden Veranstaltung mächtig emotional zu. Man begegnete hie wie da Leuten, bei denen man dankbar war, dass sie sich an diesem Abend nicht gegenseitig trafen.

An diesem Montag trug sich nun wieder ein Abend zu, an dem sich zwei solcher Gruppen versammelten. Jene, die Corona-Schutzmaßnahmen tendenziell befürworten und ein Halleluja in die Grafinger Nacht hinaussangen. Und jene, die - in unterschiedlicher Ausprägung- manches oder vieles davon für kritikwürdig halten - und durch besagte Grafinger Nacht spazierten. Vor 375 Tagen waren die Rollen ähnlich verteilt. Und doch, so scheint es, hat sich etwas verändert.

Der Montagabend in Grafing hinterließ Hinweise darauf, dass unter jenen, die nun Spaziergänger heißen, nicht ausschließlich Menschen zu finden sind, die Verschwörungsgeschichten verbreiten oder politisch extremen Spektren zuzuordnen sind. Nun standen die Menschen beisammen, wie wenn sie sich an einer Glühweinbude aufwärmen würden.

Veränderungen sind auch bei der gesellschaftlichen Opposition zu erkennen. Das zeigte die ökumenische Andacht, die nun erstmals und künftig immer am Montag um 19 Uhr vor der evangelischen Kirche in Grafing abgehalten werden soll. Anders als vor einem Jahr in Poing ging es in den Beiträgen der Redner nun in keinem Wort mehr um Abgrenzung. Die Pfarrerin und die zwei Pfarrer sprachen friedliche Appelle: Beilegen von Streits, Akzeptieren von Meinungen, die man selbst nicht teilt. Und Vorteile von Besonnenheit.

Wo man geht und steht, verfolgt einen der Begriff "Spaltung". Es ist an der Zeit, dass sich die Leute wieder an ihre Gemeinsamkeiten erinnern. Davon gibt es so viele: Etwa Grünkohl verachtenswert zu finden, oder Kerbelkrautsuppe oder Borussia Dortmund. Oder eben eben die gemeinsame Überzeugungskraft für die schönen Dinge im Leben: Spinat, Kartoffelsuppe und der FC Bayern - oder aus Grafinger Sicht vielleicht der EHC Klostersee. Wenn sich das Gefühl von Normalität wieder durchsetzen soll, dann steht und fällt dieser Anspruch damit, ob es gelingt, wieder normal miteinander umzugehen. Sei es beim Spaziergang oder beim Kirchgesang.

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Grafing
:"Ertrage einer den anderen"

In Grafing kommen 80 Personen zu einer ökumenischen Andacht zur "Besinnung" im Freien zusammen. Wenige hundert Meter entfernt treffen sich parallel die "Montagsspaziergänger". Über einen Abend, der an gute alte Zeiten erinnert.

Von Korbinian Eisenberger

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