Ausgleichsfläche in Parsdorf:Neue Heimat für die Feldlerche

Lesezeit: 4 min

Mehrere Gewässerflächen sollen Amphibien anziehen. Gespeist werden sie mit Regenwasser, das aus den Dachrinnen der Gewerbehallen abgeleitet wird. (Foto: Christian Endt)

24 Hektar mit Feldern, Trockenrasen, Blühstreifen und Tümpeln sollen den Lebensraum für Bodenbrüter ersetzen, der durch den Bau von Industriehallen für BMW und Krauss-Maffei in Parsdorf verloren gegangen ist.

Von Alexandra Leuthner, Vaterstetten

Es zwitschert ordentlich über den Feldern, die sich vom Krauss-Maffei-Firmengelände im Parsdorfer Gewerbepark aus nach Süden erstrecken. Die Feldlerchen, die sich anhören, als würden sie hoch oben freudig den Frühling besingen, verlieren sich aber im Blau. Da muss schon ein etwas größerer Turmfalke kommen, der über der Weite rüttelt, oder ein paar tiefschwarze Krähen, damit das Grüppchen aus Pressevertretern und Verantwortlichen, das sich auf dem neuen Radweg am Rand des Firmengeländes versammelt hat, die Bewegung am Himmel gut erkennen kann.

Macht aber nichts. Klaus Burbach, Landschaftsökologe und artenschutzfachlicher Gutachter, hat sie gehört, die Lerchen, ebenso wie Josef Erl von der Unteren Naturschutzbehörde und Biobauer Franz Lenz, der in einer Doppelfunktion als Vertreter des Landschaftspflegeverbands und als Landwirt hier ist. Er bewirtschaftet das Gelände. Auf diese Drei kommt es vor allem an, wenn es darum geht, den Erfolg der Ausgleichsmaßnahme zu dokumentieren und zu sichern, die mit der Planung für das insgesamt 71 Hektar große Industriegelände 2017 beschlossen worden ist.

Zur Begehung der ökologischen Ausgleichsfläche im Süden des Parsdorfer Gewerbeparks kamen Stefan Ruoff (Grüne Vaterstetten), die Landschaftsarchitektin Vanessa Steidle, Josef Erl von der Unteren Naturschutzbehörde, Artenschutzgutachter Klaus Burbach, Daniel Busch, Projektmanager der VGP, Bürgermeister Leonhard Spitzauer, Biolandwirt Franz Lenz und Daniela Weinberger vom Vaterstettener Umweltamt zusammen (v.l.). (Foto: Christian Endt)

Das ambitionierte Vorhaben auf Vaterstettener Flur hatte wegen seines großen Flächenverbrauchs nicht nur Befürworter in der Gemeinde und im Gemeinderat gefunden, zumal die Hallen nun auf einem Gebiet stehen, das schon zuvor als Ausgleichsfläche für den Modehändler Schustermann & Borenstein in Poing diente. Umso größer war die Herausforderung, auf dem 24 Hektar großen Gelände zwischen der Krauss-Maffei-Straße im Norden und der A94 im Süden natürliche Gegebenheiten herzustellen, die vor allem den Lerchen, die sich hier bereits angesiedelt hatte, eine adäquate und artgerechte Alternative zu bieten. Kein einfaches Unterfangen, zumal das Gelände im Osten von der stark befahrenen Gruber Straße und einem Radweg begrenzt wird, ein Stück weiter südlich führt die A94 vorbei, dahinter markieren weiße Buchstaben auf rotem Grund den Segmüller Möbelmarkt. Unruhe in der Nähe ihrer Nester aber gehört zu den Dingen, die die Lerche nicht mag.

Eine so große Fläche für den Artenschutz könnte zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen

Die Herausforderung war es also, eine möglichst große, geschlossene Fläche zu schaffen, um den Bodenbrütern eine Schutzzone anzubieten. Dass eine solche Fläche nun direkt neben dem Gewerbepark realisiert werden konnte, sei durch die gute Zusammenarbeit aller Verantwortlichen möglich geworden, lobte der Vaterstettener Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU). Verantwortlich waren in diesem Fall der Eigentümer des Grundes, der Immobilieninvestor VGP Park München, der an die Krauss Maffei Group und die BMW Group vermietet hat, die Gemeinde Vaterstetten selbst und die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt. Die Vorhabenplanung übernahm das Landschaftsarchitekturbüro Steidle und Felgentreu, dessen Mitinhaberin Vanessa Steidle unterstrich, dass die Erstellung von Ausgleichsflächen zwar gesetzliche Vorgabe sei, dass aber mit einem großen, dem Arten- und Naturschutz gewidmeten Gebiet wie dem in Parsdorf auch eine große Außenwirksamkeit erreicht werde, die helfen könne, die Bevölkerung zu sensibilisieren.

Mit Totholzstämmen wurden Habitate für Insekten und Kleinstlebewesen geschaffen, die hier ihr Auskommen finden sollen. (Foto: Christian Endt)

Was das angeht, scheint allerdings noch Luft nach oben zu sein. So missachten immer wieder Jogger, Radfahrer und Spaziergänger mit Hunden das Betretungsverbot des Geländes, das im nördlichen Teil, entlang des Rad- und Spazierwegs auf neun Hektar als natürliche Habitatsfläche mit Magerwiese, Kies- und Sandsteinbänken sowie Lesesteinhaufen gestaltet ist. Artenschützer Burbach hofft darauf, dass sich hier einmal Amphibien wie Gelbbauchunke und Wechselkröte ansiedeln. Weiter südlich schließen dann auf knapp 15 Hektar etwa neun Meter breite und von West nach Ost verlaufende Streifen mit Getreidesorten wie Winterweizen, Wintergerste und Kleegras sowie abgeschobene Magerwiesenflächen an. "Wichtig ist vor allem, dass wir nirgends Pestizide verwenden", erklärte Franz Lenz.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

Auf eine zeitlich intensive Bewirtschaftung müssen Biobauer Lenz und sein Sohn auf dem Gelände ebenfalls verzichten. "Uns bleibt nur ein schmales Zeitfenster, um die Felder zu pflegen." Zwischen 30. März und Mitte Juli, während der Brutzeit, ist keinerlei Bodenbearbeitung erlaubt. "Da sagt jeder normale Bauer, das geht nicht", erklärte Lenz. Doch die Parsdorfer Ausgleichfläche sei inzwischen die größte von insgesamt 170 Hektar solcher Flächen, die im Landkreis unter der Ägide des Landschaftspflegeverbands stehen "und die größte, die ich bewirtschafte", so Lenz. "Sie ist mittlerweile die Primärfläche bei uns auf dem Hof." Zwar seien die Erträge geringer als auf anderen, rein landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Feldern - zum Ausgleich zahle er für die Bewirtschaftung keine Pacht. "Aber primär geht es ja hier darum, die Feldlerche zu unterstützen."

Tafeln weisen auf die Bedeutung der Fläche südlich des Gewerbeparks hin. (Foto: Christian Endt)

Der es alles in allem schlecht geht, wie Josef Erl vom Landratsamt berichtete. Mit Blick auf die Industriehallen, die hinter frisch gepflanzten 160 Bäumen und über 6000 Sträuchern immer noch unübersehbar in die Höhe ragen, sagte er: "Wir von der Behörde sehen solche Eingriffe immer noch kritisch." Besonders weil man gewusst habe, dass die rar gewordenen kleinen Singvögel hier heimisch geworden waren. "Das mag ausgeräumte Feldflur gewesen sein, aber Kiebitz und Feldlerche haben sich auf solche Flächen spezialisiert, weil wir ja keine Magerwiesen mehr haben." Dennoch sehe er hier auf dem Gebiet eine Chance, so Erl. Wenigstens für die Lerche. "Die Kiebitze werden wohl in den nächsten zehn Jahren ganz verschwunden sein."

Auch zwei Rebhuhnpaare sollen gesichtet worden sein

Das Ziel, wieder auf eine Zahl von 17 Lerchenpaaren zu kommen, die vor der Errichtung der Hallen kartiert waren, scheint man indes erreicht zu haben. Mindestens einen Hektar Platz brauche ein Paar dieser Bodenbrüter, erläuterte Klaus Burbach, "aber es scheint zu funktionieren". 2020 war damit begonnen worden, die Felder und Magerwiesen anzulegen, "und da hatten wir 14 Paare". Zusammen mit einer zweiten Ausgleichsfläche im Vaterstettener Norden seien es zeitweise sogar 23 Paare gewesen. Auch zwei Rebhuhnpaare seien wieder gesichtet worden, allerdings nur eins von vier Wachtelpaaren, die ebenfalls heimisch gewesen waren.

160 Bäume sind südlich der Parsdorfer Gewerbehallen gepflanzt worden. (Foto: Christian Endt)

Breite Blühstreifen an den Rändern - die aufgrund der kalten Witterung bisher noch nicht gewachsen sind - sollen nun helfen, Spaziergänger oder Freizeitsportler von den Feldern fernzuhalten. Ihr Fehlverhalten ist ein Ärgernis, auf das die Gemeinde Vaterstetten mit der zusätzlichen Errichtung eines Lenkungszauns an der Gruber Straße reagieren will, wie der Bürgermeister ankündigte. Besonders Landwirt Lenz, der sich bemüht, ganz gezielt mit der Ansaat unterschiedlicher Pflanzen den verschiedenen Bedürfnissen der Vogelarten und sogar der Feldhasen und Feldrehe gerecht zu werden - die selbst heller Sonnenschein nicht davon abhielt, im Kleegras auf Nahrungssuche zu gehen - machte seinem Ärger über die Unvernunft mancher Zeitgenossen Luft. "Wir versuchen alle miteinander, hier etwas zu erreichen und dann kommen so Ignoranten und laufen einfach durch."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusNaturschutz
:Wo Spatz und Specht noch willkommen sind

Wildes Idyll statt Mähroboter und Vertikutierer: Schon kleine Dinge helfen, einen Garten vogelfreundlich zu machen. Ein Rundgang mit zwei Fachleuten in einem Plieninger Garten.

Von Barbara Mooser

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: