Wenn die eigenen Eltern zu Großeltern werden, kann man oft eine interessante Wandlung beobachten. Das, was den eigenen Kindern damals noch vorenthalten oder gar verboten wurde, das sieht dann bei den Enkeln schon wieder ganz anders aus.
Süßigkeiten zum Beispiel. So manch Erwachsener, der in die Öko-Bewegung der 80er-Jahre hineingeboren wurde, kann sich bestimmt noch daran erinnern, dass Süßigkeiten streng rationiert wurden. Zucker, bäh, schlecht. Kommen nun die Enkel aufs Parkett, wird ihnen schnell mal heimlich ein Lutscher zugesteckt, ein Gummibärli im Puppenhaus versteckt, oder ein Stück Schokolade in den Mund geschoben. Schnell, bevor Mama und Papa was mitkriegen.
Zu den No-Gos der eigenen Kindheit und Jugend gehörten außerdem so manche umgedichtete Kinderlieder. Wie vom Donner gerührt steht man nun also da, wenn das eigene Kind plötzlich ein Lied vor sich hinsingt, das eigentlich auf der schwarzen Liste steht. Ganz oben: "Leise pieselt das Reh in den Starnberger See, Umweltverschmutzung ist das, aber dem Reh macht das Spaß." Als nächstes wird nachgedonnert: "Von den blauen Bergen kommen wir, unser Lehrer ist genauso doof wie wir!"
Woher hat das Kind das bloß? Das muss es aus dem Kindergarten haben. Bestimmt vom großen Stefan, der aus der Vorschule! Man ist schon fast gewillt, sauer zu werden, da rockt das Kind weiter, den Kopf nach vorne werfend: "Du Depp du Depp du Depp du depperter Depp du. Du depperter Depp du Depp, du schau di doch o."
Da dämmert etwas. Ist das nicht ein Lied von Haindling? Und ist Haindling nicht die Lieblingsband vom Opa? Freimütig gibt das Kind es zu: "Ja, klar, der Opa hat mir das gezeigt! Lustig, gell?" Ja, der Opa... was soll man da sagen. Haben Großeltern nicht schon immer das Vorrecht genossen, aus der Reihe tanzen zu dürfen?
Muss man da wirklich einschreiten, auch wenn man riskiert, im Kindergarten schief angeschaut zu werden? Bevor man für sich eine Antwort findet, kommt auch schon der nächste Schlager - und das in einem zutiefst pazifistischen Elternhaus: "Ein Männlein steht im Walde, ganz still und stumm. Da kommt ein deutscher Panzer und fährt es um. Dank der deutschen Bundeswehr, gibt es keine Männlein mehr..." Ok, jetzt ist's aber genug. Das Lied, das singen wir wirklich lieber nur zuhause.