Briefkastenfirmen im Ebersberger Forst:Ein Holzschuppen als Firmensitz? Finanzbehörden zweifeln

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Für den Landkreis Ebersberg geht es um 23,5 Millionen Euro und die Frage, ob einige im Ebersberger Forst ansässige Firmen dort wirklich ihren Hauptsitz haben.

Von Wieland Bögel, Ebersberg/München

Die Kontroverse um angeblich zu Unrecht an den Landkreis Ebersberg geflossene Gewerbesteuern könnte nicht nur für diesen noch sehr teuer werden. Wie berichtet, fordert das Finanzamt Ebersberg insgesamt 23,52 Millionen Euro zurück, die der Landkreis für eine Gewerbeimmobilie auf gemeindefreiem Gebiet eingenommen hat. Stattdessen soll das Geld - 14,25 Millionen angeblich zu Unrecht kassierter Einnahmen plus 9,27 Millionen Euro Zinsen - der Stadt München gehören. Was die Frage aufwirft, warum die Behörde zu diesem Schluss gelangt ist.

Dortselbst verweist man auf das Landesamt für Steuern in München, wo man wiederum eine Auskunft mit Verweis auf das Steuergeheimnis verweigert. Zumindest nicht dementiert wird der Sachverhalt selbst, dass nämlich nicht der Landkreis Ebersberg, sondern die Stadt München Begünstigte der fraglichen Gewerbesteuereinkünfte sei. Was nur einen Schluss zulässt: Die Finanzbehörden haben Zweifel daran, dass die unter der Adresse "St. Hubertus 2" - einem Holzschuppen im Ebersberger Forst - gemeldeten Firmen, dort tatsächlich ihren Sitz haben.

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Dies bestätigt man auf Nachfrage auch im Landratsamt: "Das Finanzamt geht derzeit davon aus, dass die Betriebsstätten der Investmentfonds in gewerbesteuerrechtlicher Hinsicht in München und nicht in Ebersberg lägen. Diese Frage wird derzeit jedoch nochmals in juristischer Hinsicht überprüft", heißt es aus der Behörde.

Eine Anfrage an die im Forst zumindest per Briefkastenschild residierenden Firmen gestaltet sich schwierig, da diese als Kontakt für die Öffentlichkeit lediglich die Adresse bei St. Hubertus angeben. Außer dieser verfügen manche höchstens noch über Faxnummern mit Ebersberger Vorwahl oder eine automatisierte Hotline für die eigene Kundschaft. Allerdings finden sich durch einfache Internet-Recherche Firmen mit ähnlichen Namen und Tätigkeitsfeldern, also Beteiligungs- und Investment-Fonds, mit Adressen in München - die ebenfalls offenbar sehr auf Diskretion Wert legen, per Telefon oder Mail Kontakt aufzunehmen, ist nicht möglich. Deren Kunden müssen sich möglicherweise auf eine deutlich geringere Rendite einstellen. Denn träfe es zu, was das Finanzamt vermutet, dass nämlich der sogenannte "Seegrasstadel" nicht die Adresse ist, an der die dort gemeldeten Firmen ihren Hauptsitz haben, gälte ein anderer Steuersatz.

Der ist in St. Hubertus rekordverdächtig niedrig: 200 Punkte beträgt der Hebesatz, das ist das legale Minimum. Konkret bedeutet dies, dass pro 100 Euro Gewinn sieben Euro Gewerbesteuer bezahlt werden müssen. Ein paar Meter weiter, auf dem Gebiet der Kreisstadt liegt der Hebesatz bereits bei 360 Punkten und die Landeshauptstadt hat ihren bereits seit 1997 auf 490 Punkte festgelegt. Bestätigt sich nun die Vermutung der Finanzbehörden, dass die fraglichen Firmen in der Zeit eigentlich in München steuerpflichtig gewesen wären, gälten die dortigen Sätze. Aus den 14,25 Millionen Euro würden dann rein rechnerisch 34,9 Millionen.

Ob es dazu kommt, ist indes noch lange nicht entschieden. Bereits am Donnerstag kündigte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) Einspruch an, notfalls werde man gegen die Rückerstattung auch klagen. Im Landratsamt geht man davon aus, dass die Sache länger dauern könnte, er erwarte einen "mehrjährigen Rechtsstreit", erklärte Niedergesäß. Gut möglich, dass die nun in München steuerpflichtigen Firmen einen ähnlichen Weg gehen.

© SZ vom 05.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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