Ebersberger Forst:Und täglich grüßt der Borkenkäfer

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Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Wer ist schneller - Käfer oder Käferjäger? Im Ebersberger Forst haben derzeit noch die Waldschützer die Oberhand. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Jedes Jahr muss der Kampf gegen den Schädling aufs Neue aufgenommen werden. Obwohl es derzeit im Ebersberger Forst gut aussieht für die Bäume, befürchten Waldexperten, dass die Situation bald kippen könnte.

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Idyllischer könnte ein Vormittag im Wald nicht sein: Die Morgensonne scheint auf die kleine asphaltierte Straße, die durch den Ebersberger Forst bis zur Sauschütt führt. Hohe Bäume werfen Schatten auf den Weg, eine angenehm kühle, moosig riechende Luft umweht die Waldbesucher. Doch unter der fast märchenhaft anmutenden Szenerie brodelt es: Der Borkenkäfer ist im Anmarsch. Und wenn es nicht bald mal ordentlich regnet, kann er noch erheblich an Fahrt gewinnen. Der Borkenkäfer liebt trockenes, warmes Wetter.

"Zwei Tage Dauerregen wäre das Richtige für den Wald", sagt Heinz Utschig. "Die Bäume haben Durst." Wenn sie genug Wasser haben, können sie Harz bilden - und somit den Eindringling abwehren. Die kurzen Schauer der vergangenen Wochen seien aber zu wenig ergiebig gewesen, erklärt der Leiter der Bayerischen Staatsforsten Wasserburg. Das meiste davon sei in den Kronen der Bäume geblieben und verdunstet. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", bestätigt Lisa Pausch, die sich zu ihm gesellt. Die Revierförsterin vom Ebersberger Forst erzählt, dass der Sturm, der kürzlich über Bayern hinweg gefegt ist, ein paar Bäume umgeschmissen hat. "Nicht dramatisch", sagt sie. Aber trotzdem müssen diese schnell aus dem Wald entfernt werden. Potenzielles Material für die Käfer. Auch das kann der Ausbreitung des kleinen Insekts Vorschub leisten. Und das kann fatale Folgen haben: Der Borkenkäfer frisst sich unter der Rinde durch den Rindenbast der Bäume und unterbricht dabei den Saftstrom im Baumstamm. Riesige Bäume kann der kleine Schädling dadurch abtöten.

Entwarnung? Keine Spur: Försterin Lisa Pausch (links) und Forstbetriebsleiter Heinz Utschig (rechts) sind weiterhin in Habacht-Stellung, was den Borkenkäfer angeht. Auch Hund Findus will mitsuchen (unten). (Foto: Christian Endt)

Vor wenigen Tagen kam der dritte Suchgang in diesem Jahr zum Abschluss, bei dem 25 Waldarbeiter und Käfersucher systematisch den Baumbestand im Ebersberger Forst nach dem Schädling durchsucht haben - bei teilweise auch im Schatten hohen Temperaturen und in dornensicherer Montur. Lisa Pausch zeigt auf ihrem Handy die App, auf der die befallenen Bäume registriert werden. Auf dem Handy sind vereinzelt rote Punkte zu sehen. Außerdem können die Waldschützer noch genau eintragen, um welchen Schaden und welchen Baum es sich handelt: Esche oder Buche? War der Übeltäter ein Borkenkäfer Marke Buchdrucker oder ein Windwurf - also ein durch Wind entstandener Schaden? Im nächsten Schritt werden die markierten Bäume gefällt und dann zügig aus dem Wald geschafft - damit sich der Borkenkäfer nicht noch weiter ausbreiten kann.

Dass nur vereinzelt Bäume befallen sind, sei untypisch, erklärt die Revierförsterin. Derzeit treffe ein sehr niedriges Level an Käfern auf sehr geschwächte Bäume, die sich schlecht oder nicht gegen den Schädling wehren können. "Aber wenn man diesen einen Baum übersieht, stehen am Schluss hundert da", erklärt Pausch. Grund dafür ist das exponentielle Wachstum der Borkenkäfer: In jedem befallenen Baum, der nicht gefunden wird, entwickeln sich so viele Borkenkäfer, dass zwanzig neue Bäume befallen werden können. Aufatmen ist also am Platz. Man sei an einem "Kipp-Punkt, bei dem wir gefragt sind, es im Griff zu behalten", so die Försterin.

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Die Sommermonate, in denen die meisten Menschen an Urlaub denken, sind die stressigsten für die Waldschützer. Die Försterin und der Forstbetriebsleiter rechnen mit dem Höhepunkt der Käferplage Mitte August. "Aktiv sein ist unsere Sommerarbeit", sagt Heinz Utschig. Ein Suchgang nimmt sechs Wochen in Anspruch, erklärt er: zwei Wochen Suchen, zwei Wochen Fällen, zwei Wochen Rausschaffen. "Geschwindigkeit ist alles", so der Forstbetriebsleiter. Besonders die älteren, geschwächten Bäume gilt es zu schützen - denn sie wiederum schützen mit ihrem schattigen Blätter- und Kronendach die nachkommenden jungen Buchen und Douglasien.

So kann`s nämlich auch ausgehen: Wenn der Borkenkäfer zuschlägt, sind vor allem Fichten ganz schnell weg vom Fenster, wie hier im niedersächsischen Harz. Auch dank der regelmäßigen Gewitterschauer in Bayern sieht es im Ebersberger Forst noch grüner aus. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Eine vorsichtige Entwarnung in Sachen Borkenkäfer gibt auch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg-Erding. "Wir haben so gut wie keine Borkenkäfer-Anzeigen", heißt es auf Anfrage der SZ Ebersberg, "aber natürlich sollten alle Waldbesitzer die Entwicklung aufmerksam verfolgen."

Und das tun die Waldbesitzer. "Im Vergleich zu anderen Großregionen sind wir hier in Ebersberg auf der Insel der Glückseligen", findet Christoph Schwer, Geschäftsführer der Waldbesitzervereinigung Ebersberg - München Ost. "Wir haben hier eines der wenigen Gebiete in Deutschland, das noch grün ist." Trotzdem sei man weiterhin in Habacht-Stellung - auch mit Blick auf die Jahre 2019 und 2020, als die Borkenkäfer massenweise die Ebersberger Wälder heimsuchten.

In den vergangenen zwei Jahren habe man in der Region klimatisch Glück gehabt, da es immer wieder regelmäßig zu Niederschlägen gekommen und auch der Sommer 2021 nicht allzu heiß verlaufen sei. "Zwei relativ ruhige Jahre zum Ausschnaufen", sagt Schwer. Auch dieses Jahr begann vielversprechend. "Wir waren ganz optimistisch nach diesem Frühjahr", erzählt Christoph Schwer. Nach den vielen Niederschlägen sei der Wasserspeicher im Oberboden wieder gefüllt gewesen. Dann jedoch hätten zwei Wochen im Mai mit trockenem Ostwind dafür gesorgt, dass der Oberboden wieder komplett ausgetrocknet war. Dadurch könne das Problem schnell wieder an Dynamik gewinnen, warnt der Waldbesitzer. Christoph Schwers Fazit: "Wir müssen dran bleiben. Es wird keinen Sommer geben bei uns, wo man nicht schauen muss."

Markieren, Fällen, Wegschaffen: Jeder Suchgang nach Borkenkäfern umfasst drei Arbeitsschritte. Heinz Utschig (links) sucht nach einem Schädling, der hat aber gerade keine Lust auf Fototermin. (Foto: Christian Endt)

Der Meinung ist auch Forstbetriebsleiter Heinz Utschig, der im Ebersberger Forst durch etwas unwegsames Gelände, Brennnesseln und Dornengestrüpp stapft. Das Borkenkäfer-Management, da ist er sich sicher, ist Alltagsgeschäft der Waldbesitzer zu Zeiten des Klimawandels geworden. Bei einem Baumstamm, der mit oranger Farbe markiert ist, bleibt er stehen und schneidet mit einem Messer ein Stückchen von der Borke ab. Ein Borkenkäfer lässt sich zwar nicht blicken, am Stamm des Baumes jedoch sind feine Mehlspuren zu sehen, die fast wie Kaffeepulver aussehen. Ein weiteres Indiz, dass dieser Baum schon dem Tode geweiht ist, weil die Borkenkäfer in ihm hausen, ist seine Baumkrone: "Die Rotfärbung ist eindeutig", sagt Heinz Utschig und deutet nach oben. Kaum Nadeln sind an der hoch gewachsenen Fichte mehr zu sehen, die Äste hängen kraftlos nach unten.

Wenn man genau hinschaut, kann man das feine Borkenmehl am Fuße des Baumes erkennen. (Foto: Christian Endt)

Dass die Borkenkäfer hier Station machen, mitten im schattigen Wald, überrascht auch Försterin Lisa Pausch. Eigentlich würden Borkenkäfer sich eher an den Waldrändern niederlassen. "Anscheinend ist es so heiß, dass sie jetzt auch in den Wald reingehen", sagt sie, "völlig untypisch." Ebenso untypisch ist, dass die Waldschützer heuer kaum Bohrmehl finden. Auch das erschwere die Suche nach dem kleinen Schädling, so die Försterin: "Wenn die Rinde runterfällt, ist es schon fast zu spät, weil er dann schon im Nachbarbaum drin ist." Umso wichtiger ist es, dass die Suche nach dem Borkenkäfer kontinuierlich fortgeführt wird.

In den nächsten beiden Wochen werden die markierten Bäume aus dem Ebersberger Forst wieder gefällt und dann schnellstmöglich aus dem Wald entfernt werden. "Der Kampf gegen den Borkenkäfer ist eine Gratwanderung", sagt Heinz Utschig, "und er wird es auch bleiben." Und während sich viele über die heißen Sommertage freuen, hoffen die Waldschützer weiterhin auf Hilfe von oben - auf ein paar Tage mit ausgiebigem Regen.

Mitarbeit: Salome Prießnitz

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