Ebersberg:O'zapft is!

Lesezeit: 3 min

Leonhard und Maria Veicht aus Grafing haben den einzigen Bio-Weide-Bauernhof im Landkreis Ebersberg. Seit kurzem verkaufen sie ihre Milch im Supermarkt. Allerdings nicht in Tüten - sondern aus der Tankstelle.

Interview von Korbinian Eisenberger

Maria und Leonhard Veicht, 36, haben in Grafing und Aßling zwei Milchtankstellen aufgemacht, dort können sich die Leute aus einem Kühlbehälter frische Kuhmilch zapfen. Das Modell funktioniert ähnlich wie die Milchtankstelle in Taglaching, wo ein Bauer direkt am Hof verkauft. Nur dass die Milch vom "Nirschlhof" in zwei Rewe-Supermärkten gezapft wird und 40 Cent mehr kostet als in Taglaching: Der Preisaufschlag für das Bio-Siegel.

SZ: Normalerweise dauert es zwei Jahre, bis ein Landwirt das Bio-Siegel bekommt - Sie haben dafür nur zwölf Monate gebraucht. Verraten Sie uns Ihren Trick?

Leonhard Veicht: Es ging so schnell, weil bei uns vorher schon viele Kriterien erfüllt waren. Wir hatten schon die geforderte Stallplatzgröße von sechs Quadratmeter pro Kuh, eingestreute Liegeboxen und den Weideauslauf. Und wir hatten schon seit längerem keinen Mineraldünger mehr verwendet. Wir waren also in fast allen Bereichen schon sehr nah an Bio dran.

Was mussten sie noch ändern?

Nicht mehr viel, es ist jetzt bereits der dritte Sommer, in dem die Kühe draußen stehen und nichts anderes als Gras und eigenes Heu fressen. Nur zum Melken kommen sie kurz in den Stall. Neu ist, das alle Futtermittel die wir im Winter einsetzen, nun Bio zertifiziert sind. Um die Auflagen zu erfüllen, mussten wir einen separaten Produktionsraum bauen und Geräte zum Pasteurisieren der Milch anschaffen.

Sie werben auf Flyern damit, dass ihre Milch eine höhere Qualität hat als Milch aus konventionellen Stallhaltungs-Betrieben. Dafür ist sie mit 1,50 Euro pro Liter aber auch ziemlich teuer. Wie kommt das bei den Kunden an?

Nach zwei Wochen habe ich noch keine Bilanzen, aber mein Eindruck ist, dass es gut angenommen wird und dass es sich langsam herumspricht. Von Tag zu Tag kommen mehr Leute zum Milch kaufen. Zum Preis muss man sagen, dass wir natürlich mit der Direktvermarktung einen viel höheren Aufwand haben, als konventionelle Milchbetriebe und deutlich mehr Arbeitsschritte. Unsere Kühe geben weniger Milch als Kühe aus konventionellen Betrieben. Deswegen ist unsere Milch auch entsprechend teurer.

Glauben Sie, dass sich das durchsetzt, wo der Liter Milch hinten im Kühlregal nur 60 Cent kostet?

Mir haben schon Kunden davon erzählt, dass ihre Kinder gleich mal eine halbe Flasche unserer Milch in einem Zug austrinken. Die Milch ist unverfälscht, sie wird nach dem Melken nur kurz erhitzt und dann auf sechs Grad runtergekühlt. Dann wird sie zur Tankstelle gefahren. Keine Homogenisierung, die Vitamine und alle anderen Nährstoffe bleiben erhalten, auch der Fettgehalt von 3,5 bis vier Prozent. Das schmeckt man, weil Fett eben ein wichtiger Geschmacksträger ist.

Ist Bio-Milch aus dem Zapfhahn Ihre Antwort auf die Niedrig-Milchpreise, die Ihnen die Molkereien im Handel bezahlen?

Das mag vielleicht so aussehen, wir haben diesen Schritt aber bereits vor mehr als zwei Jahren geplant, als wir noch 40 Cent pro Liter bekommen haben und Milchwirtschaft zumindest noch kein Minusgeschäft war. Aber wir hatten damals schon zu kämpfen. Deswegen habe ich mir überlegt, aus der Massenproduktion in die Qualitätsproduktion zu gehen.

Haben Sie Kühe verkauft?

Wir haben immer noch genauso viele Kühe im Stall wie vorher. Da wir nur noch im Winter Kraftfutter füttern - natürlich aus eigener Bioproduktion - geben die Kühe aber weniger Milch. Vor der Umstellung waren es 8500 bis 9000 Liter pro Kuh und Jahr. Jetzt sind es etwa 7500. Wir gehen davon aus, dass es sich bei 7000 Liter pro Jahr einpendeln wird.

Wenn Sie das alles in Ihrer Milchtankstelle loswerden, sind Sie bald ein reicher Mann, gerade weil Sie ja demnächst noch einen Stand in Eglharting eröffnen.

Den Großteil unserer Milch verkaufen wir weiterhin an eine Bio-Molkerei in Andechs. Reich werden wir mit unseren drei Milchtankstellen also nicht werden. Dafür halten wir die Wertschöpfung in unserer Region.

Wenn Ihr System gut funktioniert, droht dann nicht Konkurrenz?

Viele andere Bauern denken gerade um und gehen wie wir raus aus der Masse rein in die Bioproduktion. In zwei Jahren wird das Angebot auf dem Biomilch-Markt größer werden. Dadurch könnte es sein, dass auch der Biomilchpreis unter Druck gerät, also sinkt.

Und dann?

Ich hoffe, dass es ein generelles Umdenken beim Verbraucher gibt. Der Durchschnitts-Bayer trinkt im Jahr etwa 50 Liter Milch, das sind also 50 Euro, die man im Jahr mehr ausgibt, wenn man nicht zur Billigware greift sondern zum Beispiel unsere Milch kauft.

Es gibt aber auch Familien, da kommt es auf jeden Euro an.

Und deswegen wird es die Alternative sicherlich auch in Zukunft geben. Wenn ich mir aber anschaue, dass die Mass Wasser auf der Wiesn acht Euro kostet, dann kann doch 1,50 Euro für eine frische Mass Biomilch von uns nicht zu viel sein. Vor allem, weil die Tiere bei uns Tag und Nacht frisches Weidegras fressen und sich frei bewegen. Unseren Kühen geht es gut, und das hat seinen Preis.

Haben Sie auch recherchiert, was eine Mass Milch auf dem Oktoberfest kostet?

(lacht) Ich weiß nicht einmal, ob Milch im Zelt überhaupt angeboten wird. Wäre aber eine Idee, auf der Wiesn wird ja praktisch jeder Preis gezahlt. Vielleicht ist das ja die neue Marktlücke.

© SZ vom 01.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: