CO₂-Zertifikate:Der Deal mit dem Klima

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Wenn es kalt ist, sieht man erst, wieviel Wärme Häuser nach außen abgeben. Um ihren CO₂-Fußabdruck auszugleichen, sollen die Bürger im Landkreis Ebersberg vom Jahr 2024 an Klima-Zertifikate erwerben können. (Foto: Christian Endt)

Der Landkreis Ebersberg will sich einem Klimaschutzprojekt der Münchner Nachbarn anschließen: Bei der "Aktion Zukunft Plus" können Bürger, Unternehmen und sogar ganze Kommunen ihren CO₂-Fußabdruck durch den Kauf von Zertifikaten ausgleichen. Über die Finanzierung des Vorhabens gibt es jedoch Streit.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

Im Mittelalter gab es den sogenannten Ablasshandel: Die Kirche versprach den Gläubigen, es würden ihnen als quasi göttliche Gegenleistung für den Erwerb von Ablassbriefen ihre Sünden erlassen und das Fegefeuer erspart. Eine der größten Sünden der heutigen Zeit ist ohne Frage die Umweltverschmutzung durch den Ausstoß von CO₂. Doch hier gibt es ebenfalls inzwischen Mittel und Wege, diesen Frevel am Planeten monetär zu kompensieren. Auch im Landkreis Ebersberg sollen Bürgerinnen und Bürger, ebenso wie Unternehmen, Organisationen und womöglich sogar ganze Kommunen ihren CO₂-Fußabdruck durch den Erwerb von Zertifikaten ausgleichen können. Das Projekt "Aktion Zukunft Plus" hat der Landkreis München initiiert, und Ebersberg soll sich als gleichberechtigter Partner anschließen - das allerdings gefällt nicht jedem.

Dabei klingt die grundsätzliche Idee durchaus vielversprechend: Mit dem Erwerb von Zukunft Plus-Zertifikaten sollen Klimaschutzprojekte in den Landkreisen München und Ebersberg sowie auch weltweite Aktionen unterstützt werden. Jede Käuferin und jeder Käufer könne dabei selbst entscheiden, welches Projekt gefördert wird und so via Crowdfunding in die Umsetzung geht, heißt es dazu aus dem Münchner Landratsamt. Ein Zukunft Plus-Zertifikat entspricht dem Wert einer Tonne CO₂, die Käufer können also selbst entscheiden, wie viel ihrer eigenen CO₂-Emissionen sie ausgleichen wollen. Die Aktion wird für beide Landkreise von der Energieagentur Ebersberg-München betreut.

Mit dem Geld werden regionale und internationale Klimaschutzprojekte unterstützt

Das Geld - ein Zertifikat soll 20 Euro kosten - kann schließlich für eine Vielzahl an Klimaschutzprojekten verwendet werden. Das Münchner Landratsamt nennt als Beispiele etwa innovative Energietechnologien, clevere Mobilitätsmodelle oder fortschrittliche Ansätze für die Land- und Forstwirtschaft. "Neben regionalen Projekten im Landkreis unterstützen Käuferinnen und Käufer auch Klimaschutzprojekte im globalen Süden", heißt es von der Behörde im Nachbarlandkreis. Dort soll die "Aktion Zukunft Plus" bereits im nächsten Jahr starten, Ebersberg soll dann Anfang 2024 nachziehen.

Ob das allerdings so reibungslos klappt, steht noch in den Sternen, denn vor allem über die Frage der Finanzierung dürfte es noch Redebedarf geben. Die Ebersberger Kreisräte jedenfalls fühlten sich in der jüngsten Sitzung des Umweltausschusses von ihren Münchner Kollegen fast schon ein bisschen überrumpelt. Das zuständige Gremium im Nachbarlandkreis hatte nämlich beschlossen, dass sich beide Partner die rund 640 000 Euro teuren Startkosten für das Projekt teilen. Auch künftig soll die Finanzierung zu gleichen Teilen zwischen Ebersberg und München aufgesplittet werden. "Ich bin brutal erschrocken, als ich die Gründungskosten gesehen habe", sagte dazu Leonhard Spitzauer (CSU), der anmerkte, dass man dadurch noch kein einziges Gramm CO₂ eingespart habe. Die Regelung über die Finanzierung sei nicht gut genug verhandelt worden, befand derweil Bianka Poschenrieder (SPD).

"Dieses Projekt muss einschlagen - und zwar sofort", heißt es von der Energieagentur

Tatsächlich ist es so, dass sich die Landkreise Ebersberg und München die Kosten für Projekte ihrer gemeinsamen Energieagentur bisher nach der jeweiligen Einwohnerzahl aufteilen. Momentan entspricht das einem Schlüssel von 21 zu 79 Prozent. Jetzt plötzlich die Hälfte der anfallenden Summe zu bezahlen, kam für die Ebersberger Kreispolitiker deshalb nicht in Frage. Auf Vorschlag von Martin Lechner (CSU) einigte sich das Gremium schließlich darauf, einmalig einen Betrag von 200 000 Euro beizusteuern und die künftigen Kosten im bisherigen 21:79-Verhältnis aufzuteilen. Ob sich wiederum die Münchner Kollegen auf diesen Deal einlassen, ist offen. Immerhin signalisierte Landrat Christoph Göbel (CSU) gegenüber seinem Ebersberger Amtskollegen und Parteifreund Robert Niedergesäß bereits eine gewisse Gesprächsbereitschaft.

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Dass die "Aktion Zukunft Plus" eine gute Sache ist, davon ist Niedergesäß allerdings überzeugt: "Wir nehmen dadurch Geld für Klimaschutzmaßnahmen ein, das wir sonst nicht zur Verfügung hätten." Allerdings räumte der Landrat auch ein, dass der Erfolg des Projekts von der Spendenbereitschaft der Bürger und Unternehmen abhängig ist. "Wir wissen nicht, wie es läuft. Vielleicht ist es eine Bombe, vielleicht ist es ein Rohrkrepierer", so Niedergesäß. Letzteres dürfe vor dem Hintergrund der hohen Vorbereitungskosten und des fortschreitenden Klimawandels keinesfalls passieren, wie Julia Huber von der Energieagentur sagte. "Dieses Projekt muss einschlagen - und zwar sofort."

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Ist das der Fall, könnte die "Aktion Zukunft Plus" zwischen zwei und fünf Millionen Euro im Jahr generieren. Diese Zielmarke jedenfalls haben sich die Initiatoren gesetzt. "Wir wissen natürlich nicht, was die Zukunft bringt und wie das Projekt angenommen wird", sagte Klimaschutzmanagerin Lisa Rütgers. Um den Ebersbergern die Investition schmackhafter zu machen, einigten sich die Kreisräte auf die Möglichkeit, dass Käufer von Zertifikaten auch ausschließlich regionale Maßnahmen fördern können. Was zwar gut für die Heimat sei, im Kampf gegen den globalen Klimawandel aber eher weniger bringe, merkte Rütgers dazu an: "In den Ländern des internationalen Südens kann mit der gleichen Menge Geld viel mehr erreicht werden."

Wie sich die Ebersberger entscheiden werden, und ob sich die Zukunft Plus-Zertifikate als Verkaufsschlager oder Ladenhüter entpuppen, wird sich frühestens in einem Jahr zeigen. Zuvor steht der Beschluss im Landkreis München an, ob man sich dort auf die neuen Konditionen einlässt.

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