Kreis Ebersberg:Bestattung ohne Sarg soll ermöglicht werden

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Muslime begraben ihre Angehörigen ohne Sarg. Bisher ist dieses Ritual im Landkreis Ebersberg nicht umsetzbar. Zwei Gemeinden wollen das ändern.

Von Wieland Bögel und Andreas Junkmann, Kirchseeon/Ebersberg

Der Islam ist längst im Landkreis Ebersberg angekommen. Muslime können ihren Glauben etwa in den Moscheen in Markt Schwaben oder Kirchseeon frei ausleben - bisher allerdings nur im Diesseits. Für die streng geregelten Bestattungsrituale fehlt hierzulande noch eine feste Leitlinie. Zwar ist die Sargpflicht in Bayern vor knapp einem Jahr aufgehoben worden, dennoch sind für Bestattungen ohne Holzkiste - wie sie dem islamischen Glauben nach üblich sind - einige offene Fragen zu klären. Die Gemeinden Kirchseeon und Ebersberg haben sich nun intensiver mit dem Thema beschäftigt und sind auf einige Hürden gestoßen. Trotzdem wollen die beiden Kommunen die Vorbereitungen für der sarglose Beerdigungen weiter vorantreiben, auch im Sinne der Gleichberechtigung von Religionen.

Im Islam wie im Christentum wird der Bestattung eine hohe Bedeutung zugemessen. Bei deren Umsetzung allerdings unterscheiden sich die beiden Religionen. Während es bei den Christen üblich ist, ihre Verstorbenen in Särgen zu Grab zu lassen, verzichten Muslime gezielt auf eine feste Umschließung des Leichnams. Eine Bestattung ohne Sarg bringe den Körper des Verstorbenen unmittelbar mit der Erde in Verbindung und sorge deshalb für eine schnellere Vereinigung der Seele mit der Ewigkeit, heißt es von der muslimischen Ditib-Gemeinde in Kirchseeon. Diese hatte die Gemeinde als eine von mehreren Fachstellen kontaktiert, um zu prüfen, ob eine sarglose Bestattung am Ort umsetzbar ist.

Eine solche würde der muslimischen Gemeinde zufolge für viele Gläubige eine Erleichterung darstellen, da diese dann ihre Verstorbenen nicht nur einmal im Jahr besuchen können. "Da bisher viele Bestattungen im Ausland erfolgen, besuchen die meisten Muslime ihre Gräber nur im Urlaub in der Heimat", schreibt die Kirchseeoner Ditib-Gemeinde in einer Stellungnahme. Die Nachfrage nach einem traditionellen muslimischen Begräbnis ist am Ort allerdings noch überschaubar. "Bis jetzt gibt es noch keine Anträge für eine solche Bestattung", sagt Stephan Baumann vom Kirchseeoner Rathaus.

Noch gibt es kaum Anfragen für sarglose Bestattungen

Das könnte sich aber in den kommenden Jahren ändern. Davon zumindest ist man bei der SPD überzeugt, die bereits im Sommer vergangenen Jahres einen Prüfantrag für sarglose Beerdigungen gestellt hat. "Wir reden immer von Religionsfreiheit, aber wir schaffen es nicht, dass Muslime ihre Angehörigen angemessen bestatten können", sagt Gemeinderat Thomas Kroll. Wenn es keine Möglichkeit für diese Art der Beerdigung gebe, dann würden logischerweise auch keine Anfragen kommen, so der SPD-Fraktionsvorsitzende.

Dass sich die Nachfrage nach einer traditionellen Beisetzung in nächster Zeit erhöhen könnte, glaubt man auch bei der Kirchseeoner Ditib-Gemeinde. Aktuell wachse wieder eine ältere Generation heran, deren Kinder sich dann vermutlich mehr in Richtung sarglose Bestattung in Deutschland orientieren würden. "Die ältere Generation hat oft noch einen großen Teil des Lebens im Heimatland verbracht, während die Kinder oftmals hier geboren sind oder in jungen Jahren nach Deutschland zogen", heißt es in der Stellungnahme an das Rathaus.

Womöglich können Gläubige ihre Angehörigen künftig auch am Friedhof in Ebersberg nach muslimischer Tradition bestatten lassen. (Foto: Christian Endt)

Auch deshalb haben größere Städte wie München oder Ingolstadt bereits die Voraussetzungen für eine sarglose Bestattung geschaffen. Nun wollen auch kleine Kommunen wie die Stadt Ebersberg oder der Markt Kirchseeon nachziehen. Die Umsetzung allerdings ist keine reine Formalie, sondern an bestimmte Bedingungen geknüpft. "Der Tongehalt des Bodens muss stimmen", sagt Rathaus-Mitarbeiter Baumann mit Verweis auf eine Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes. Demnach müsse die Bodenbeschaffenheit bei der Bestattung in einem Leichentuch zwischen mittel- und feinkörnigem Sand und Lehm liegen. Böden mit einem Tongehalt von über 25 Prozent seien deshalb ungeeignet, da ansonsten keine zügige Zersetzung der Leiche gewährleistet werden könne.

Ganz ohne Sarg wird aber selbst die sarglose Bestattung nicht vonstatten gehen können, darauf verweist das Ebersberger Gesundheitsamt. "Aufbahrung und Abholung des Leichnams müssen aus hygienischen Gründen in einem Sarg erfolgen, der den Austritt von Flüssigkeiten verhindert", heißt es in einer Stellungnahme. Dazu rät auch Bestatter Marc Woog vom Bestattungsdienst Pietas in Ebersberg. Die Leiche über ein Brett ins Grab abzulassen, wie es bei Muslimen eigentlich üblich ist, hält Woog dagegen für kompliziert. "Dabei besteht die Gefahr, dass der Leichnam abrutscht", sagt der Bestatter. Grundsätzlich seien Beerdigungen nach islamischen Ritual aber auch hierzulande durchführbar. Wenn die Gemeinde ihre Pläne vorantreiben will, könne das Bestattungsunternehmen diesen Dienst bereits in wenigen Wochen anbieten.

Eine Einmalbelegung der Gräber kommt aus Platzgründen nicht in Frage

Auf dem Kirchseeoner Waldfriedhof gibt es bereits eine extra Sektion für muslimische Gräber. In diesem Bereich soll nun per Bodengutachten geprüft werden, ob dort künftig sarglose Bestattungen möglich sind. Der im Islam üblichen Einmalbelegung von Gräbern schiebt die Gemeinde aber bereits einen Riegel vor. Das komme aufgrund von Platzgründen nicht in Frage, heißt es von der Rathausverwaltung.

Auch in der Kreisstadt Ebersberg hatte, nachdem im vergangenen April der Sargzwang in Bayern aufgehoben wurde, der zuständige Stadtratsausschuss einen Monat später einstimmig für die Möglichkeit einer sarglosen Bestattung votiert. Auch hier hatte die SPD den entsprechenden Antrag eingebracht, im Gremium gab es dazu auch noch weitere Anregungen. Etwa, ob man ein entsprechendes Gräberfeld im Neuen Friedhof anlegen könne, in dem die Bestatteten Richtung Mekka liegen könnten.

Dies habe man inzwischen genauer eruiert, sagt Bürgermeister Ulrich Proske (parteilos) nun auf Nachfrage. Bei einem Ortstermin mit einem Imam seien mehrere mögliche Standorte im Neuen Friedhof angeschaut worden, wo ein solches Gräberfeld möglich sein könnte. Auch dazu, wie dieses aussehen könnte, habe man sich schon kundig gemacht. Dazu gab es einen Besuch auf dem Friedhof in Ottobrunn, wo 2015 ein muslimisches Gräberfeld eingerichtet wurde.

Bestattungen ohne Sarg sind in Bayern nichts Neues

Als nächstes steht noch ein Termin mit den örtlichen Bestattern an, sagt Proske, dieser werde wohl im Frühling sein, wenn sich hoffentlich auch die Corona-Lage wieder etwas entspannt hat. Dann stellt sich wohl auch heraus, ob man, wie in Kirchseeon, auch in Ebersberg ein Bodengutachten brauchen wird. Proske verweist darauf, dass es auch hierzulande nicht immer üblich war, die Toten im Sarg zu bestatten. Bis vor etwa 300 Jahren wurden die Verstorbenen zunächst auf einem Totenbrett aufgebahrt und dann in einem Tuch beerdigt. Erst seit dem 18. Jahrhundert setzte sich die Bestattung im Sarg in Bayern nach und nach durch - die Bodenbeschaffenheit habe sich seitdem sicher nicht geändert.

Der Bürgermeister ist darum auch zuversichtlich, dass voraussichtlich vom Herbst dieses Jahres auch in Ebersberg sarglose Bestattungen möglich sein werden.

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