Hitze-Symposium:"Wir werden den Landkreis Ebersberg nicht wiedererkennen"

Lesezeit: 4 min

Immer stärkere Hitze und kaum Niederschläge führen nicht nur zu ausgetrockneten Böden, wie 2021 in Grafing, sondern stellen auch eine enorme Bedrohung für die Gesundheit dar. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Am Freitag sind in Ebersberg Fachleute und Interessierte zusammengekommen, um sich über Folgen des Klimawandels für die Gesundheit auszutauschen. Die Teilnehmerzahl war groß, ebenso wie die Menge der Ideen für einen besseren Schutz von Leib und Leben bei zunehmender Hitze.

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Mit Humor gehen einem die Strapazen des Lebens leichter von der Hand, so heißt es. Allerdings gibt es ein paar Dinge, bei denen einem das Lachen vergeht. Oder zumindest vergehen sollte, sobald man sie vollends verstanden hat. So sagte Björn Walz aus Grafing während seines Vortrags über die Klimakrise mehrmals den Satz: "Das ist nicht lustig." Zum Beispiel, als der Meteorologe von den Messwerten der Wetterstation in Ebersberg berichtete, die im vergangenen März durchschnittlich 4,8 Grad Celsius über den Normalwerten lagen. Oder als er auf die steigenden Meerestemperaturen zu sprechen kam. Oder als es darum ging, inwiefern Hitze lebensbedrohlich ist.

Lustig war das Ebersberger Hitze-Symposium mit dem Titel "Klimawandel und Gesundheit - wenn Hitze zum Risiko wird" tatsächlich nicht. Dafür aber war die Veranstaltung am Freitagnachmittag, die die Ebersberger Ortsgruppe von "Health for Future" mit Unterstützung der Gesundheitsregion Plus und dem Ärztlichen Kreisverband organisiert hat, umso erhellender. Gut 50 Interessierte waren ins Alte Kino gekommen, um den fünf Vortragenden zuzuhören, Fragen zu stellen und sich in der Pause miteinander auszutauschen. Im Verlauf des fünfstündigen Symposiums stießen immer mehr Gäste hinzu, am Ende musste man schon sehr genau suchen, um noch einen freien Sitzplatz zu entdecken.

Neben dem Meteorologen Björn Walz sprachen Marc Block, Kardiologe und Allgemeinarzt in Zorneding, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands sowie Health-For-Future-Mitglied, und Klimaanpassungsmanager im Landratsamt Benedikt Hehn viel über Veränderungen, Probleme und Chancen vor Ort. Der Anästhesist und Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit Christian Schulz, zugleich Moderator an diesem Tag, klärte über das Konzept "Planetary Health" auf: Nur wenn die Erde gesund ist, kann auch der Mensch gesund sein. Und zuletzt sprach Claudia Traidl-Hoffmann, unter anderem Direktorin des Instituts für Umweltmedizin beim Helmholtz Zentrum München und bayerische Sonderbeauftragte für Klimaresilienz und Prävention, über den Beitrag des Gesundheitssektors zu klimawandelbedingten Folgeschäden.

"Die Klimakrise ist die größte Bedrohung für unsere Gesundheit", sagte Marc Block - keine persönliche Meinung, sondern ein Zitat aus der renommierten medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet", die genau das bereits vor fünf Jahren faktenbasiert darstellte. Zu diesem Schluss kommen auch die Welt-Gesundheitsorganisation (WHO) und einige andere weltweit agierende Public-Health-Institute.

Der Mediziner Marc Block erklärte, wie der Körper auf Hitze reagiert

Aber warum eigentlich? Was passiert im Körper bei Hitze? Block nannte es eine "Kaskade verschiedener Reaktionen". Eine davon sei die folgende: Die Haut wird stärker durchblutet, weil der Körper so die Hitze abzugeben versucht. Andere wichtige Organe müssen dann allerdings mit weniger Blut auskommen. Das Herz etwa reagiert darauf, indem es mehr pocht, um wieder stärker durchblutet zu werden. Doch das Blut steckt ja immer noch in der Haut, um Hitze abzuleiten - das Pumpen des Herzens bleibt erfolglos. Vor allem bei älteren Menschen und Vorerkrankten steigt dadurch das Risiko von Herzrhythmusstörungen oder eines Infarkts.

Der Medizinier Marc Block war eine der treibenden Kräfte hinter dem Ebersberger Hitze-Symposium. (Foto: Johanna Feckl)

Die gesundheitlichen Gefahren sind Block zufolge divers. So verschlechtere sich beispielsweise auch die mentale Gesundheit - der Kardiologe bezieht sich auf Untersuchungen, die ein erhöhtes Risiko für Demenz oder Schizophrenie nahelegen. Im Bereich der Gynäkologie steige die Frühgeburtenrate um bis zu 30 Prozent an, generell führe lang anhaltende Hitze vermehrt zu Komplikationen bei Risikoschwangerschaften. Im Bereich der Dermatologie nähmen infektiöse Hautkrankheiten zu, da hohe Temperaturen der ideale Nährboden für Viren, Pilze und Bakterien seien.

So würden künftig auch Tropen-Krankheiten wie das West-Nil-Fieber oder das Dengue-Fieber in westeuropäischen Breitengraden eine Rolle spielen, sofern alles so weitergehe wie bisher, prophezeite Meteorologe Björn Walz. Er zeigte eine Weltkarte mit einigen dunkelroten Flecken: Indonesien, halb Indien und Südamerika, Bereiche auf dem afrikanischen Kontinent - "überall dort wird menschliches Überleben ohne Hilfsmittel nicht mehr möglich sein".

Wetterexperte Björn Walz betreibt seit 1984 eine eigene Wetterstation in Grafing. (Foto: Christian Endt)

Eines machte Walz aber auch klar: Der Klimawandel ist nichts, das weit weg ist. "Wir werden den Landkreis Ebersberg nicht wiedererkennen." Die Jahresdurchschnittstemperatur von derzeit 7,5 Grad Celsius werde bis zum Jahr 2100 auf bis zu elf Grad Celsius ansteigen, während die jährliche Niederschlagsmenge in der Region München um 20 Prozent abnehme. Klimatisch gesehen ist für den Wetterexperten klar: "Unsere Kinder werden in einer anderen Region aufwachsen." In die gleiche Kerbe schlug Klimaanpassungsmanager Benedikt Hehn: Seit 32 Jahren fielen an allen acht Grundwassermessstellen im Landkreis die Pegelstände - bis auf 2023, als ein leichter Anstieg verzeichnet worden sei. "Aber ein gutes Jahr begründet noch keinen Trend", sagte er.

Und jetzt? Den Kopf in den Sand stecken? Keinesfalls, da waren sich die Vortragenden einig. Klar wurde: Es gibt viele Ideen und Möglichkeiten im Landkreis, wie man den klimatischen Herausforderungen für die Gesundheit begegnen kann.

Klimaanpassung
:Hitzeaktionsbündnis im Landkreis gegründet

Als einer der ersten Landkreise in Deutschland will Ebersberg Hitzeaktionspläne erarbeiten. Dafür haben sich Akteure aus dem Gesundheitssystem und der kommunalen Verwaltung zusammengeschlossen. Erste Ergebnisse sollen im April öffentlich werden.

Von Johanna Feckl

Marc Block sprach von Hitze-Aktionsplänen, wie es sie in Frankreich schon seit 20 Jahren gibt. Dort werden bei Hitze besonders gefährdete alleinlebende Menschen von Gemeinden und Freiwilligen aktiv angerufen, um ihnen Hilfe zukommen lassen zu können, falls nötig. Ein solcher Plan entsteht derzeit auch im Landkreis, damit nimmt er eine Vorreiterrolle in Deutschland ein.

Benedikt Hehn nannte eine langfristige Stadtplanung und den Ausbau von Stadtgrün als Beispiel, um kühle Orte zu schaffen. Im Mai sollen dazu Treffen mit den Kommunen stattfinden. Außerdem zeigte er eine Webseite des Landratsamts, auf der öffentliche Trinkwassermöglichkeiten verzeichnet sind. Hehn rief Gemeinden, aber auch Betriebe und Läden dazu auf, ihm weitere Möglichkeiten zu melden, an denen man kostenlos Trinkflaschen auffüllen kann, egal, ob es sie schon gibt oder ob sie erst angeboten werden sollen.

Landrat Robert Niedergesäß übernahm die Schirmherrschaft über das Hitze-Symposium und sprach das Grußwort. (Foto: Christian Endt)

Auf eine Frage aus dem Publikum, wie Aktionsgruppen die Kommunen unterstützen können, regte Poings Klimaschutzmanager Mike Mäntele an, sich mit den Verantwortlichen in Verbindung zu setzen. Ihm würde es helfen, wenn sich engagierte Menschen und Gruppen meldeten, gerne schon mit konkreten Projekten.

Auch Landrat Robert Niedergesäß, der als Schirmherr das Grußwort zu Beginn der Veranstaltung übernahm, zeigte sich positiv gestimmt. "Der Berg ist steil", sagte er, "aber wir haben in den letzten Jahren auch schon viel erreicht."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDeutscher Ethikrat über Klimagerechtigkeit
:"Wir werden uns in unserem Verhalten anpassen müssen"

In einer neuen Stellungnahme beschäftigt sich der Deutsche Ethikrat mit Klimagerechtigkeit - Stephan Kruip aus Zorneding war maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt. Im Interview spricht der 59-Jährige über Empfehlungen an die Politik und seine persönliche Sicht als Physiker auf den Klimawandel.

Interview von Johanna Feckl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: